Robo-Brummis: Daimler Truck will autonome Lkw in Serie auf die Straße bringen

"Der virtuelle Fahrer ist der perfekte Fahrer", meint Daimler-Truck-Chef Daum. Der Konzern treibt die Entwicklung selbstfahrender Lkw vor allem in den USA vorn.

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(Bild: Daimler AG)

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Bis zum Ende dieses Jahrzehnts will Daimler Truck selbstfahrende Lkw einsatzfähig machen und serienmäßig anbieten. Das Unternehmen sieht sich selbst bereits als führenden Hersteller bei der Entwicklung autonomer Lkw mit sicherheitsrelevanten redundanten Fahrsystemen auf dem SAE-Level-4 (L4). Auf dieser Stufe übernimmt das System für definierte Anwendungen vollständig die Kontrolle und muss dann vom Menschen im Fahrzeug nicht mehr überwacht werden. Mit seiner eigenständigen Tochtergesellschaft Torc Robotics und Partnern will der Konzern jetzt die Entwicklung zunächst in den USA massiv vorantreiben.

"Wir arbeiten mit Hochdruck am autonomen Lkw-Transport, da jeder hiervon profitieren kann", berichtete Martin Daum, Vorstandsvorsitzender von Daimler Truck, vergangene Woche bei einer Präsentation des Stands der Technik im eigenen Testzentrum in Albuquerque in New Mexico. "Selbstfahrende Lkw gemäß Level 4 werden dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, da autonome Systeme weder müde noch unaufmerksam werden. Zudem wird die Effizienz in der Logistik gesteigert, da die Lkw keine Pause brauchen und dadurch mehr unterwegs sind.

Daum ist sich sicher, dass Roboter-Lkws dabei helfen, "das stetig wachsende Frachtvolumen insbesondere in Zeiten großen Fahrermangels zu bewältigen". "Der virtuelle Fahrer ist der perfekte Fahrer", zitiert ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Sorgen, dass viele Trucker überflüssig werden könnten, teilt er nicht. In den USA seien etwa sechs Prozent des gesamten jährlichen Frachtvolumens "autonom-fähig", erklärte er der Tagesschau. Wenn sich das Aufkommen nun mit bis zu 50 Prozent in den nächsten zehn Jahren erweitere, schon heute aber "viel zu wenig Fahrer" vorhanden seien, bestehe dann wenigstens für kleine Teile des Transportverkehrs "eine gute Lösung".

Laut Daimler Truck konnten Experten der Firma zusammen mit Torc seit der Übernahme vor drei Jahren "erhebliche Fortschritte beim autonomen Fahren" erzielen. Typische Fahrszenarien wie Spurwechsel – aber auch anspruchsvolle Verkehrssituationen auf Highways – seien in dieser Zeit "intensiv getestet" worden. Torc habe dabei den Beleg geliefert, dass seine autonome Fahrsoftware sicher auf Autobahnen navigieren könne.

Mittlerweile habe das auf Roboterfahrzuge spezialisierte Unternehmen den Probebetrieb auf Straßen ausgeweitet und selbstfahrende L4-Lkw "mit erweiterten Fähigkeiten in komplexeren Szenarien" demonstriert. Die Transporter seien mit Lidar-, Radar- und Kameratechnologie ausgestattet. Dies ermögliche ein "den jeweiligen Situationen angepasstes Fahrverhalten auf Zubringerstraßen und Auffahrten sowie beim Abbiegen an Kreuzungen".

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Diese maschinellen Fertigkeiten erachtet Daimler Truck für das von ihm mitentwickelte "Hub-to-Hub"-Konzept als essenziell. In diesem Szenario sollen von Fahrern gelenkte Lkw Güter auf der "ersten Meile" an Transferknotenpunkte liefern. Diese befinden sich in der Nähe von Highways, die in wichtigen US-Frachtkorridoren liegen. L4-autonome Lkw übernehmen dem Plan nach dort den Anhänger samt Fracht, den sie dann selbstständig über lange Strecken vom einen zum anderen Hub transportieren.

Sobald die autonomen Sattelschlepper den Ziel-Umschlagspunkt erreichen, übernimmt der Mensch wieder für die "letzte Meile", heißt es bei dem Konzern. "Ich kann mir keinen 40-Tonner-Lkw ohne Fahrer im Stadtverkehr vorstellen", erläuterte Daum den Ansatz gegenüber der ARD. Das gemischte Konzept bringe zugleich "eine große Verbesserung" für die Kollegen im Einsatz mit sich: "Der Fahrer ist abends wieder zu Hause." Keiner müsse mehr zehn Tage am Stück unterwegs sein.

Die USA bieten Daimler Truck zufolge "mit ihren langen Highways, dem steigenden Bedarf an Gütertransport, großen Lkw-Flotten und den zukunftsorientierten Regulierungsbehörden ein ideales erstes Anwendungsfeld für den Einsatz dieser neuen Technologie". In Europa vermisse er bislang noch den nötigen "Enthusiasmus", sagte Daum der FAZ. Zudem brauche es einen europäischen Rechtsrahmen, der bis 2030 stehen dürfte, betonte der Manager in der ARD. Dann sehe man weiter. Prinzipiell passe alles aus dem in den USA getesteten Freightliner New Cascadia auch in den europäischen Actros. Deutschland hat vollautomatisiertes Fahren auf L4-Ebene bereits gesetzlich geregelt.

Den eher schleppenden Umstieg der Branche auf Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb begründet Daum damit, dass neben geeigneten Fahrzeugen wie dem E-Actros in Europa die erforderliche Ladeinfrastruktur nötig sei. Da reiche nicht die Wallbox in der heimischen Garage: "Da braucht es dann 300 Kilowatt mindestens, um eine ganze Nacht über zu laden, oder ein Megawatt." Für Wasserstoff existierten noch weniger Tankmöglichkeiten. Ferner müsse der akkubetriebene Lkw "im Betrieb günstiger sein – inklusive des Kaufpreises – als der konventionelle". Das sei noch nicht so weit.

Um die nächsten Schritte anzugehen und spezifische Kundenanforderungen frühzeitig einzubeziehen, kooperiert Torc nun mit führenden Logistikunternehmen, um reale Anwendungsfälle durchzuspielen. Zu den Mitgliedern des ins Leben gerufenen Torc Autonomous Advisory Council (TAAC) gehören unter anderem Schneider, Covenant Logistics, Penske Truck Leasing, Ryder System, C.H. Robinson und Baton sowie Daimler Truck Nordamerika als Fahrzeughersteller.

(tiw)