Elektromotorräder von BMW: "Alle 18 bis 24 Monate ein neues Elektro-Zweirad"

BMW will in den kommenden Jahren zahlreiche Zweiräder mit Elektroantrieb vorstellen. Im Interview erklärt Markus Schramm, Leiter BMW Motorrad, die Strategie.

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BMW CE 04

Der Elektroroller CE 04 ist nur der Anfang: BMW will in den kommenden Jahren zahlreiche Roller und Motorräder mit batterieelektrischem Antrieb auf den Markt bringen.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ulf Böhringer

Mindestens 200 Kilometer Reichweite, maximal 300 Kilogramm Gewicht – ab 2025 sollen batterieelektrische BMW-Motorräder mit diesen Zielvorgaben in den Handel kommen. Schon vorher wird die Entwicklung mehrerer elektrischer Zweiräder für den urbanen Einsatz abgeschlossen werden. Ein Gespräch mit Markus Schramm, Leiter BMW Motorrad.

heise/Autos: Wie sieht der Elektroantriebs-Fahrplan von BMW Motorrad aus?

Markus Schramm: Wir haben schon vor einiger Zeit beschlossen, dass unsere Verbrenner-Modelle für den verdichteten urbanen Verkehrsraum keine Nachfolgemodelle erhalten. Deshalb sind unsere beiden Mittelklasse-Roller C 400 GT und C 400 X die letzten zwei Modelle für innerstädtische Mobilität, die mit konventionellen Antrieben an Kunden ausgeliefert werden. Ergänzt wird unsere Modellpalette für den urbanen Raum vom neuen Elektroroller CE 04, der in diesem Frühjahr in den Handel gekommen ist. Zudem werden wir alle 18 bis 24 Monate ein neues Elektro-Zweirad auf den Markt bringen.

Die beiden BMW-Roller C 400 GT (im Bild) und C 400 X bekommen keine Nachfolger mit Verbrennungsmotor mehr.

(Bild: BMW)

Als Concept Bikes sind der leistungsschwächere Concept CE 02 sowie das Zwitterfahrzeug Vision Amby bereits vorgestellt worden. Ist die Vermutung richtig, dass der nächste Schritt der E-Motorisierung auf deutlich jüngere Kunden abzielt als bisher?

Das Concept CE 02 ist ein Fahrzeug, das eine sehr jugendliche Ausstrahlung hat; seine Technik orientiert sich an Antriebsleistungen, die auch für 16-Jährige zugänglich sind. Auch die Formensprache und die Möglichkeiten, das Äußere zu individualisieren, sind insbesondere von sehr jungen Leuten positiv aufgenommen worden. Lassen Sie sich überraschen, ob und was daraus wird.

Im Rahmen der Fahrpräsentation des neuen Elektro-Mittelklasserollers CE 04 haben Sie erwähnt, dass BMW Motorrad im Jahr 2025 das erste batterieelektrische Motorrad vorstellen wird. Was macht Sie zuversichtlich, dass die Marke zu diesem Zeitpunkt ein Zweirad bringen kann, auf das Motorradfahrer anspringen?

Das Fahren von E-Scootern wie auch von E-Autos ist ja alles andere als eine dröge Angelegenheit; es kommt vor allem wegen der beeindruckenden Beschleunigung schnell ein hoher Fahrspaß auf. Das kann Ihnen jeder bestätigen, der sich der E-Mobilität schon genähert hat. Diese enorme Fahrfreude werden wir auf das vollelektrische Motorrad übertragen. Es wird attraktiv sein, sogar so attraktiv, dass es viele Menschen begeistern wird.

Bislang erhältliche Produkte aus den USA oder Italien leiden allesamt unter ziemlich beschränkten Reichweiten; fährt man motorradtypisch, kommt man im höchsten Fall 150 Kilometer weit. Das reicht den Leuten nicht, weshalb die Markterfolge von Zero, Energica oder auch Harley-Davidson bescheiden oder sogar sehr bescheiden sind. Ich nehme an, BMW Motorrad muss und wird mehr bieten.

Wir sehen eine Reichweite bei motorradtypischer Fahrweise von mindestens 200 Kilometern als Voraussetzung für einen Markterfolg an. Diese Reichweite werden wir ab 2025 realisieren können in Kombination mit einem Gesamt-Fahrzeuggewicht, das von den Kunden akzeptiert werden wird. Voraussetzung dafür ist die dann verfügbare neue Batterie-Zellentechnologie. Aktuell finden in BMW iX und auch im CE 04 die „Gen Five“-Zellen Verwendung. Schon damit haben wir die Performance der Energieverwaltung deutlich verbessern können.

Man darf vermuten, dass BMW Motorrad nicht mit vollelektrischen Tourern oder Adventurebikes beginnen wird …

Das wäre nicht sinnvoll, denn für diese Marktsegmente wären noch deutlich größere Reichweiten als 200 Kilometer ohne Nachladen erforderlich. Nein, wir denken im ersten Schritt an Fahrzeuge, die eher für Ausflüge im weiteren Sinn eingesetzt werden. Da sind dann auch keine voluminösen Gepäcksysteme erforderlich, die Gewicht und Fahrzeugvolumen in die Höhe treiben. Wir haben ja mit dem Vision DC Roadster schon mal visualisiert, in welche Richtung ein solches Fahrzeug gehen könnte. Aber es ist zu früh, konkreter zu werden.

BMW Vision DC Roadster: Die Studie zeige, in welche Richtung es mit vollelektrischen Tourern oder Adventurebikes bei BMW gehen könnte.

(Bild: BMW)

Die letzten Serienfahrzeuge, insbesondere der CE 04, orientierten sich erstaunlich stark an ihren jeweiligen Concepts. Das lässt hoffen, dass ein elektrischer Roadster ein ähnlich hochemotionales Design haben könnte wie der Vision DC Roadster.

Unser DC Roadster überzeugt tatsächlich durch sein hochemotionales Design, welches die Identität und das ikonische Aussehen von BMW Motorrad extrem modern interpretiert und das gleichzeitig eine neue Variante von Fahrspaß ausstrahlt. Ein guter Ansatz für ein mögliches Serienfahrzeug.

Bis zu 300 Kilogramm mögliches Fahrzeuggewicht klingt im ersten Moment nicht gerade nach großem Fahrspaß …

Da muss ich widersprechen. Schauen Sie unsere K 1600 GT mit über 300 Kilogramm an, schauen Sie unsere R 1250 RT mit knapp 280 Kilo an, schauen Sie eine R 1250 GS Adventure mit – vollausgestattet – etwa 260 Kilo an, von der allein wir im Jahr 2021 zehntausende ausgeliefert haben! Für diese Modelle haben sich so viele Motorradfahrer und Motorradfahrerinnen entschieden, gerade weil sie ihnen großes Fahrvergnügen bieten. Es sind ja bekanntlich nicht nur allein die Kilos entscheidend, sondern es ist eminent wichtig, wie das Gewicht verteilt ist, wie agil sich das Fahrzeug anfühlt.

Die E-Motorisierung der Motorräder fängt bei BMW also wohl mit dem Roadster-Segment an. Was kommt dann?

Ich glaube, wir haben die Chance, über die bisher bedienten Segmente hinaus denken zu können. Wer sagt denn, dass unter veränderten Antriebs-Voraussetzungen nicht neue Segmente entstehen? Warten Sie’s ab!

Welche technischen Voraussetzungen müssen nach Ihrer Überzeugung gegeben sein, dass E-Motorräder alles das bieten, das sie für Kunden attraktiv macht? Also Leistung, Reichweite, überschaubares Gewicht und kurze Ladezeiten?

Genau. Der Elektroantrieb wird für Motorräder insgesamt dann sehr interessant, wenn die Speichertechnologie hinsichtlich Gewicht, Energieinhalt und Platzbedarf noch deutliche Fortschritte macht. Die typische Anwendung im Motorrad bedingt neben hohen Fahrleistungen auch eine entsprechende Reichweite und flächendeckende Infrastruktur für zum Beispiel lange Touren. Wichtig ist uns grundsätzlich, dass die Produkteigenschaften unserer Motorräder mit den Kundenansprüchen im Einklang stehen. Bei zukünftigen leistungsstarken E-Motorrädern setzen wir neben der schon genannten nächsten Zellengeneration wie schon beim CE 04 auf die Hochvolttechnologie.

Der E-Roller CE 04 wird seit diesem Frühjahr verkauft. Er gute Lösung für den Stadtverkehr, wenngleich eine sehr teure.

(Bild: BMW)

Unser großer Vorteil gegenüber dem Wettbewerb bei der Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge ist, dass wir auf die große Kompetenz der BMW Group im Bereich Elektromobilität zurückgreifen können. So ist beispielsweise der wassergekühlte E-Motor im CE 04 eine Abwandlung des Antriebs, der im BMW 2er Active Tourer seinen Dienst tut. Diesen Vorteil werden wir nutzen, um besonders attraktive E-Motorräder anbieten können.

Es gibt allein in Deutschland über vier Millionen Motorräder mit Verbrennungsantrieb. Die werden ja mindestens noch 30 Jahre fahren, vielleicht sogar noch länger. Und sie werden stets Abgase produzieren. Welche Möglichkeiten der Dekarbonisierung sehen Sie auf diesem Gebiet?

Exakt für diese bestehende Verbrenner Flotte sind E-Fuels ein weiterer vielversprechender Ansatz zur Dekarbonisierung. Wir dürfen die Entwicklung der sogenannten E-Fuels also nicht allein für den Einsatz in Schiffen, Flugzeugen und Schwerlasten beschränken. Über E-Fuels können Sie die zig Millionen bis dahin produzierten Verbrenner-Motorräder innerhalb kurzer Zeit problemlos klimaneutral nutzen. Dieses Ziel ist es wert, verfolgt zu werden. Dann ist auch vorstellbar, Fernreisen in entlegene Gegenden mit einem Verbrenner Motorrad zu unternehmen und dabei klimaneutral unterwegs zu sein.

(mfz)