Worldcoin: Tausche Kryptowährung gegen Augen-Scan

Das Start-up Worldcoin, das CEO Sam Altman mitbegründet hat, geht in Deutschland an den Start. Die Idee: Iris-Scan mit eigner Kryptowährung kombinieren.

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Die eigene Iris soll nach den Vorstellungen von Worldcoin zur Eintrittskarte ins Web3 werden. , IStock

Die eigene Iris soll nach den Vorstellungen von Worldcoin zur Eintrittskarte ins Web3 werden.

(Bild: IStock)

Stand:
Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Eileen Guo
  • Adi Renaldi
Inhaltsverzeichnis

Der Name Sam Altman ist eigentlich unweigerlich mit dem Technologie-Unternehmen OpenAI und damit mit ChatGPT, GPT-4 und weiteren KI-Modellen verbunden. Doch Altman ist ebenso Mitbegründer von Worldcoin. Das Start-up will nicht weniger als ein gerechtes universelles Grundeinkommen schaffen, das auf einer Kryptowährung beruht. Dazu soll die Identität eines Menschen per Iris-Scan nachgewiesen werden. Das Angebot ist nicht unumstritten. So hat eine britische Forscherin 2022 verschiedene Bezahl-, Währungs- und Identifikationsprojekte untersucht, die zunächst an marginalisierte Gruppen gerichtet sind. Auch Worldcoin hat eine biometrische Datenbank aufgebaut – auf Kosten zahlreicher Testpersonen. In den kommenden zwei Jahren sollen rund eine Milliarde Menschen mit dem Augen-Scan erfasst werden. Der Dienst startet jetzt auch in Deutschland, wie es auf der Worldcoin-Website heißt.


Anlässlich der Expansion von Worldcoin nach Deutschland veröffentlichen wir an dieser Stelle unseren Hintergrundbericht über das Vorgehen des Start-ups. Unter dem Titel "Augen auf" erschien der Text erstmals in Ausgabe 4/202 (als Print- und pdf-Ausgabe im heise shop).


Eines sonnigen Morgens im vergangenen Dezember wurde Iyus Ruswandi früh von seiner Mutter geweckt. Ein Technologieunternehmen veranstaltete eine Art "Sozialhilfeaktion", sagte sie und drängte ihn, hinzugehen.

Ruswandi, ein 35-jähriger Möbelbauer aus dem indonesischen Dorf Gunungguruh, reihte sich in eine lange Schlange ein. Sie bestand hauptsächlich aus Frauen, die zum Teil schon seit sechs Uhr morgens warteten. Am Ende der Schlange registrierten Vertreter von Worldcoin Indonesia ihre Mail-Adressen und Telefonnummern und scannten ihre Augen mit einer futuristischen Metallkugel. Auch Dorfbeamte waren vor Ort und verteilten nummerierte Tickets, um für Ordnung zu sorgen. Ruswandi fragte einen Vertreter von Worldcoin, um welche Art von Wohltätigkeit es sich handelte, erfuhr aber nichts Genaueres.

Auch in zwei Dutzend weiterer Länder tauchten Worldcoin-Vertreter auf. An Unis, U-Bahn-Stationen, Märkten und Einkaufszentren sammelten sie biometrische Daten im Tausch gegen Bargeld, Apple Airpods oder das Versprechen künftigen Reichtums. Sie verrieten jedoch kaum etwas über ihre wahren Absichten.

Das dahinterstehende Unternehmen Tools for Humanity mit Sitz in San Francisco ging erst wenige Monate zuvor an die Öffentlichkeit. Worldcoin sei eine Ethereum-basierte "neue, kollektive globale Währung, die fair an so viele Menschen wie möglich verteilt wird", heißt es auf der Webseite.

"Ich habe mich sehr für Dinge wie das universelle Grundeinkommen interessiert", sagte Sam Altman gegenüber Bloomberg. Altman ist heute vor allem bekannt als CEO von OpenAI, aber er ist auch Mitbegründer von Worldcoin und ehemaliger Präsident des renommierten Gründerzentrums Y Combinator. Worldcoin sollte einen Weg zeigen, "wie wir Technologie nutzen können, um dies in globalem Maßstab zu tun". Der deutschstämmige CEO Alexander Blania, der direkt nach seinem Physik-Master am Caltech im Alter von 27 Jahren bei Worldcoin einstieg, ergänzt: "Viele Menschen auf der Welt haben noch keinen Zugang zu Finanzsystemen. Kryptowährungen können uns dorthin bringen."

Worldcoin-Gründer Alexander Blania (links) und Sam Altman wollen eine universelle Authentifizierungsmethode für das Web3 schaffen.

(Bild: Worldcoin)

Jeder Erdenbürger soll einen kostenlosen Anteil an der neuen Kryptowährung erhalten – wenn er dem Scan seiner Iris zustimmt. Dies geschieht mit einer "Orb" – ein Gerät, das einem enthaupteten Roboterkopf ähnelt. Zudem werden hochauflösende Bilder von Körper und Gesicht der Benutzer erfasst.

Das machte viele, darunter auch Ruswandi, mehr als stutzig: Was hat Worldcoin mit all diesen Daten vor?

Um diese Frage zu beantworten, sprach MIT Technology Review mit mehr als 35 Menschen in sechs Ländern – Indonesien, Kenia, Sudan, Ghana, Chile und Norwegen. Dabei zeigte sich, dass zwischen den Versprechen von Worldcoin und den Erfahrungen der Nutzer große Lücken klaffen. Wir fanden heraus, dass die Vertreter des Unternehmens irreführendes Marketing betreiben, mehr Daten sammelten als zugegeben und dafür keine ausreichende Zustimmung einholten.