Werben mit Wasserstoff: Studie Renault Scenic Vision

Mit der Studie Scenic Vision zeigt Renault, wie es mit dem Van-Modell weitergehen könnte. Den brennstoffzellenelektrischen Antrieb wird er eher nicht bekommen.

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Von
  • Martin Franz
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Scenic: Für Renault steckte hinter diesem Modellnamen in den späten 1990er-Jahren ein riesiger Erfolg. Die Franzosen hatten mit dem Van den richtigen Riecher und waren vorn mit dabei. Das ist lange her, das Van-Segment wurde von der SUV-Welle überrollt. Mit der Studie Scenic Vision zeigt Renault nun, wie es mit dem Scenic (Test) weitergehen könnte. Dabei ist der technische Ansatz ungewöhnlicher als der optische, denn Renault nutzt eine Kombination aus batterie- und brennstoffzellenelektrischem Antrieb.

Im Prinzip ist jeder Brennstoffzellenantrieb ein elektrischer. Denn in der Brennstoffzelle wird aus Wasserstoff Strom gewonnen, mit dem eine Batterie geladen wird. Aus der bedient sich dann der E-Motor. Renault hat diese Batterie auf 40 kWh vergrößert und mit einer externen Lademöglichkeit versehen. Die Idee hinter dem Konzept: Auf Strecken bis etwa 250 km Länge wird batterieelektrisch gefahren, erst auf noch längeren Etappen wird Wasserstoff als Fahrenergieträger genutzt.

Renault Scenic Vision (8 Bilder)

Mit dem bisherigen Scenic hat die nächste Generation nichts mehr zu tun. Die Idee ...

Das klingt zunächst plausibel, denn Wasserstoff ist theoretisch schneller nachgefüllt als Strom. Andererseits muss das Konzept gleich an mehreren Stellen hinterfragt werden, denn zwei statt einen Antrieb zu verbauen hat schon bei mit Benzin betriebenen Plug-in-Hybriden nicht zu einem sensationell niedrigen Gesamtenergiebedarf geführt. Wasserstoff als Energieträger erfordert viel Bauraum im Pkw, und bei der Bilanzierung von der Quelle bis zum Rad liegt der Brennstoffzellenantrieb geradezu dramatisch unter dem batterieelektrischen Antrieb. Anders ausgedrückt: Wasserstoff als Energieträger braucht viel mehr Primärenergie als den extern aufgeladenen Strom direkt aus der Batterie zu verwenden.

All das ist natürlich auch Renault bewusst. Wenn der Nachfolger des aktuellen Scenic 2024 auf den Markt kommt, wird er deshalb einen batterieelektrischen Antrieb haben. Die jetzt gezeigte Vision mit der Kombination aus Brennstoffzelle und E-Antrieb samt großer Batterie wird es kaum in die Serienfertigung schaffen. Denn ein solcher Strang wäre sehr teuer, so teuer, dass Renault damit rechnen könnte, dass er den Weg nimmt, den die paar serienmäßigen Brennstoffzellen-Pkw vor ihm genommen haben. Mercedes hat den GLC F-Cell still wieder aus dem Sortiment genommen, weil die Nachfrage nicht ausreichend war. Wenn sich schon im Hochpreissegment kaum Kunden finden lassen, wie sollte Renault das mit einem Auto gelingen, das sich vorrangig an Familien richtet?

Die Brennstoffzelle in der Studie Scenic Vision, die in der schönen Welt der Pressemitteilungen nur grünen Wasserstoff nutzt, leistet 16 kW. Auf Langstrecken kommt deshalb eine Ladestrategie zum Tragen, in der nach Angabe des Ziels berechnet wird, ab wann die Brennstoffzelle die Batterie mit maximal 16 kW Ladeleistung versorgen muss. Zudem kann die Brennstoffzelle genutzt werden, um die Traktionsbatterie im Winter zu heizen.

Der Synchronmotor mit 160 kW stammt wie die Batterie aus dem aktuellen Mégane E-Tech. Bis zum Serienanlauf des Scenic dürfte sich die Ausführung mit 60 kWh bei den Kunden durchgesetzt haben. Fraglich ist daher, ob der Serien-Scenic die 40-kWh-Batterie überhaupt bekommt. Spannend erscheint der Ansatz, dass die Batterie über Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) Strom ins Netz zurückspeisen kann. Angekündigt wurde das beispielsweise von Volkswagen und Hyundai, wobei die Kosten für eine solche Installation an der eigenen Hauselektrik nicht zu unterschätzen sind.

Mit dem nächsten Scenic will Renault außerdem vermehrt auf Recycling setzen. 70 Prozent, bezogen auf das Gewicht, seien bereits wiederverwendete Materialien. 95 Prozent der Werkstoffe, aus denen das Fahrzeug einschließlich der Batterie besteht, ließen sich im industriellen Wertstoffkreislauf wiederverwerten, verspricht Renault.

Renault Scenic Vision (5 Bilder)

Zehn Displays hat Renault im Innenraum der Studie verteilt.

Insgesamt wird mit dieser Studie der Wandel, den sich Renault vorgenommen hat, ein Stück sichtbarer. Espace, Talisman und auch der noch aktuelle Mégane (Test) dürften keinen direkten Nachfolger bekommen. Renault wird bei den Kleinwagen die Studie des R5 umsetzen, darüber sammelt der Mégane E-Tech schon Kunden ein. Der nächste Scenic wird kein Van mehr, sondern ein rund 4,5-Meter-SUV, den Renault vermutlich als Crossover vermarkten wird. Denn ein brandneues SUV in dieser Größe kommt im Herbst auf den Markt, allerdings nur mit Verbrennungsmotoren und Hybridantrieben. Der Renault Austral tritt damit an, um im derzeit so gefragten Segment der Kompakt-SUV jene Kunden abzuholen, die keinen batterieelektrischen Antrieb wollen.

Der Scenic dagegen soll mit neuem Konzept an alte Erfolge anknüpfen. Das ist durchaus mutig, denn mit dieser Vorgehensweise hat Renault den Espace ins Abseits befördert. Anders ausgedrückt: Die andere Ausrichtung hat alte Kunden vergrault, ohne massenhaft neue anzuziehen. Zumindest in einer Hinsicht kann sich Renault aber beruhigt zurücklehnen: Die Nachfrage nach dem aktuellen Scenic ist derart im Keller, dass es praktisch nur aufwärts gehen kann. Gerade einmal 857 Scenic konnte Renault in den ersten vier Monaten des Jahres hierzulande absetzen. Zum Vergleich: VW Touran (4113) und Mercedes B-Klasse (Test) (3625) waren ungleich erfolgreicher und werden dennoch ebenfalls keine Nachfolger bekommen.

(fpi)