Auf Wiedersehen Wasserstoff
Hohe Energieverluste bei der Erzeugung, schwierige Speicherung, teure Brennstoffzellen – das favorisierte Gas entwickelt sich mehr und mehr zur Sackgasse.
- frw
Hannover, 24. Mai 2007 – Statt Öl treibt künftig Wasserstoff die weltweite Wirtschaft an, aus Autoauspuffen kommt statt Schadstoffen nur noch reines Wasser. So weit die Vision. In der Realität aber stellt sich mehr und mehr die Frage: Ist das gefeierte Gas eine Zukunftstechnik ohne Zukunft?
In Deutschland begann das neue Zeitalter am 5. Mai 1999 um 12 Uhr. Damals ging auf dem Münchner Flughafen die „weltweit erste öffentliche“ Wasserstofftankstelle in Betrieb, wie die Betreiber versichern. Mit ihr war der erste, wenngleich noch winzige, Schritt in die viel beschworene Wasserstoffwirtschaft gemacht. Im vergangenen Jahr hat inzwischen mitten in Berlin die „weltweit größte“ Wasserstofftankstelle eröffnet.
150 Brennstoffzellenautos bis 2010
Auch in Hamburg und Stuttgart hat die Zukunft schon begonnen. Beide Städte betrieben bis Ende 2005 je drei Brennstoffzellen-Busse im Rahmen des europäischen CUTE-Projekts (Clean Urban Transport for Europe); seit Anfang 2006 läuft das Anschlussprojekt HyFLEET:CUTE. Hamburg hat seine drei Brennstoffzellen-Busse auf insgesamt neun aufgestockt, in Berlin sind 14 Linienbusse mit Wasserstoffverbrennungsmotor dazukommen. Im Februar 2006 ist ein weiteres europäisches Projekt an den Start gegangen: Im Rahmen von „HyChain Minitrans“ sollen bis 2010 mehr als 150 Kleinfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straßen kommen.
Augen vor Realität nicht verschließen
Bei solchen Nachrichten könnte man meinen, das Zeitalter der sauberen Fortbewegung mittels schadstofffreien Wasserstoffs sei nun endlich greifbar nahe. Doch der Eindruck könnte falscher nicht sein: Während allerorten öffentlich geförderte Projekte ihren gefeierten Fortgang nehmen, kommen kühl kalkulierende Experten zunehmend zu dem Schluss, dass die Reise in die Wasserstoffwirtschaft in Wirklichkeit ein Holzweg ist. Das betrifft auch Leute, die früher glühende Fans der grünen Technologie waren: „Das System ist technisch toll. Ich liebe die Brennstoffzelle“, sagt etwa Axel Friedrich, Abteilungsleiter für Verkehr und Lärm beim Umweltbundesamt. „Ich habe meine Ingenieurarbeit auf dem Gebiet gemacht. Aber ich darf die Augen vor der Realität nicht verschließen.“ Und die sei, wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, ziemlich eindeutig: „Der Kaiser ist nackt.“
Wasserstoffidee fasziniert die Ă–ffentlichkeit
Wie kann das sein? Ist Wasserstoff nicht das häufigste Element im Universum? Wäre er damit nicht nahezu unerschöpflich und damit bei steigendem Energieverbrauch und immer knapper werdendem Öl eine verlockende Alternative? Wären nicht mit einem Schlag alle Klimaprobleme gelöst, wenn wir einfach alle fossilen Energieträger durch Wasserstoff ersetzen würden? Wäre die Energieversorgung mit Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht faszinierend sauber, weil sich Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbindet und so nur elektrischer Strom und reines Wasser entsteht?
Kritische Stimmen kaum zu hören
Alles richtig, und angesichts solch einleuchtender Fakten ist es kein Wunder, dass die Wasserstoffidee Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik gleichermaßen fasziniert. Noch sind die Stimmen der Kritiker kaum zu hören, zumal Enthusiasten wie der amerikanische Erfolgsautor Jeremy Rifkin ihren Posaunentönen auch noch eine weltbefreiende Note aufdrücken: Rifkin will mit Wasserstoff und Brennstoffzellen elektrischen Strom noch in den letzten Winkel der Erde bringen und so nicht nur die „koloniale Unterdrückung“ beenden, sondern auch gleich noch die Energieerzeugung „demokratisieren“.
Visionen fĂĽr die Politik
Mit seinen Wasserstoffvisionen konnte Jeremy Rifkin unter anderen Romano Prodi einnehmen. Der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission ernannte Rifkin zu seinem Berater und rief Anfang 2004 die „Europäische Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie-Partnerschaft“ aus. Bis zum Jahr 2050 soll demnach die Transformation unserer auf fossilen Energien basierenden Wirtschaft in eine „wasserstofforientierte Wirtschaft“ abgeschlossen sein. Mit weit verbreiteten Wasserstoffpipelines, die ausschließlich regenerativ erzeugten Wasserstoff transportieren, mit allgegenwärtigen Brennstoffzellen im Verkehr, in der dezentralen Stromerzeugung bei jedermann zu Hause und in abertausenden von Kleingeräten.