Welches Getriebe hilft am besten beim Spritsparen?

Auf der Suche nach dem idealen Getriebe

Die Zeiten, in denen Automatikgetriebe zwangsläufig Mehrverbrauch bedeuteten, scheinen vorbei zu sein. Im Gegenteil: Auf der Suche nach verbrauchsgünstigen Antrieben werden automatisch schaltende Getriebe immer attraktiver

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Hannover, 18. Dezember 2007 – Früher war die Wahl einfach: Der Normalbürger schaltete, und wer es sich leisten konnte, ließ schalten. Doch die Entscheidung für eine Automatik bedeutete nicht nur mehr Komfort, sondern auch mehr Verbrauch. Das hat sich geändert: Schon heute gibt es vereinzelt Autos, die mit „Automatik“ weniger verbrauchen als mit einem Handschaltgetriebe. Kein Wunder, dass bei der Suche nach dem idealen „Spritspargetriebe“ die Automatisierung in den Vordergrund rückt.

Nie gab es so viele Getriebetypen
Nie zuvor haben so viele verschiedene Getriebekonzepte im Serieneinsatz miteinander konkurriert: Über die seit vielen Jahrzehnten eingeführten Handschalt- und Automatikgetriebe hinaus haben sich automatisierte Schaltgetriebe, CVT (Continuous Variable Transmission) und das Doppelkupplungsgetriebe im Markt etabliert. Für den Autofahrer ist kaum noch zu überblicken, aus welchem Grund er welches Getriebe wählen sollte, sofern er überhaupt die Wahl hat. Das muss ihn vielleicht auch nicht interessieren, solange es zuverlässig seinen Dienst tut. Allerdings gibt es durchaus Unterschiede in der Frage, welche Technik im Zielkonflikt aus Komfort, Kosten und Effizienz den besten Kompromiss bietet.

Diskussion um das „ideale Getriebe“
Anfang Dezember trafen sich Getriebeentwickler auf dem Berliner CTI-Symposium „Innovative Fahrzeug-Getriebe“, um die neuesten Trends und Entwicklungen zu diskutieren. Eines wurde dabei deutlich: Das weltweit wachsende Mobilitätsbedürfnis und steigende Kraftstoffkosten werden neue Anforderungen an zukünftige Getriebekonzepte stellen. Wie das „ideale Getriebe“ aussehen soll, darüber waren sich die Experten jedoch durchaus uneinig.

Denn die Automobilindustrie befindet sich in einem Dilemma: Einerseits zwingen neue „Billiganbieter“ aus Schwellenländern die Hersteller dazu, kostengünstigere Autos anzubieten, andererseits erfordern schärfere Emissionsanforderungen moderne Technik, die ohne Mehrpreis nicht zu haben ist. Betrachtet man jedoch die Entwicklung in Ländern wie Indien und China, wo es immer mehr Individualverkehr in den wachsenden „Megastädten“ gibt, muss sich die Technik den veränderten Umgebungs- und Rahmenbedingungen anpassen. Die Autos müssen also kleiner, leichter und sparsamer werden – eine Anforderung, der sich auch die Getriebeentwicklung stellen muss.

Auf der Suche nach dem idealen Getriebe

„Automatisierung“ kann den Verbrauch senken
Als „sparsamstes“ Getriebe galt bisher die Handschaltung, an dem man tatsächlich kaum vorbeikommt, wenn man preisgünstige Autos für die aufstrebenden neuen Absatzmärkte anbieten möchte. Doch die Anschaffungskosten alleine werden auf Dauer nicht ausschlaggebend sein, wie ein Vertreter des Getriebeherstellers Getrag in Berlin feststellte. Seine Prognose: Je mehr die Kraftstoffkosten steigen, desto leichter sind die Zusatzkosten für ein automatisches Getriebe zu verkraften, sofern es dabei hilft, Kraftstoff zu sparen. Denn bereits mit heutigen technischen Möglichkeiten erlaubt die „Automatisierung“ weniger Verbrauch und somit weniger CO2-Ausstoß.

Unterschiedliche Vorlieben im Weltmarkt
Welche „Automatik“ den Zielkonflikt aus Komfort, Kosten und Effizienz am besten lösen kann, wurde in Berlin jedoch durchaus kontrovers diskutiert: In Indien beispielsweise könnte Studien zufolge das CVT-Getriebe (Continuous Variable Transmission) an Bedeutung gewinnen. Aus Sicht des indischen Automobilherstellers Tata Motors erlaubt dieses Getriebekonzept bei der hohen Verkehrsdichte den höchsten Komfort.

Diese Meinung teilen jedoch nicht alle Getriebeentwickler, zumal das CVT einen relativ schlechten Wirkungsgrad hat, was den Forderungen nach einem niedrigen Verbrauch widerspricht. Andererseits hat beispielsweise eine Entwicklung von Continental erst in jüngerer Zeit gezeigt, dass wohl noch längst nicht alle Wirkungsgrad-Potenziale ausgeschöpft sind – und besonders japanische Hersteller verfügen über Know-how, das sie so schnell nicht aufgeben werden.

In Europa findet dagegen das Doppelkupplungsgetriebe (DKG) immer mehr Fürsprecher. Laut Getrag ermöglicht das DGK schon jetzt einen 4 bis 8 Prozent geringeren Verbrauch als ein Handschaltgetriebe, biete aber zugleich Dynamik und Fahrspaß. Zudem sei man erst am Anfang seiner Entwicklung und besonders der Wirkungsgrad könne noch deutlich gesteigert werden. Dies gelte selbst bei Varianten mit Kupplungen im Ölbad, wie sie für hohe Drehmomente – bisher oberhalb von etwa 250 Nm – notwendig sind.

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Das Doppelkupplungsgetriebe hat sich etabliert
Volkswagen ist es zu verdanken, dass sich das Doppelkupplungsgetriebe unter dem Namen DSG (Direktschaltgetriebe) in den letzten Jahren im Markt etabliert hat. Aus Sicht von VW vereint dieses Getriebeprinzip die Vorteile von Handschalter und Automatik: Außer den Verbrauchseinsparungen biete das DSG „optimale Übersetzungen ohne das Problem der Zugkraftunterbrechungen“, wie sie von automatisierten Schaltgetrieben bekannt sind – Smart-Fahrern ist dieser Komfortmangel vertraut. VWs neueste Entwicklung ist ein 7-Gang-DSG mit Trockenkupplungen statt Kupplungen im Ölbad. Es verkraftet zwar aus genau diesem Grund „nur“ Drehmomente bis 250 Nm, aber die Trockenkupplungen ermöglichen wegen geringerer Schleppverluste einen noch besseren Wirkungsgrad.

Elektrische Aktuatorik steigert die Effizienz
Und damit sind die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft: So stellte zum Beispiel der britische Entwicklungsdienstleister Ricardo in Berlin ein Konzept vor, bei dem Kuppeln und Schalten nicht mehr hydraulisch oder elektrohydraulisch erfolgt, sondern ausschließlich von elektrischen Linearmotoren übernommen wird. Eine Energierückgewinnung, wie sie beispielsweise BMW als Teil seiner „Efficient Dynamics“-Strategie realisiert hat, könnte die notwendige Energie dafür praktisch umsonst bereitstellen.

Vor einigen Jahren mögen Zweifler noch damit gerechnet haben, VWs „Alleingang“ in der Getriebetechnik könnte ein ähnliches Ende nehmen wie die hauseigene Pumpe-Düse-Einspritzung, die der Hersteller mittlerweile aufgegeben hat. Doch nun setzen weitere Getriebe- und Automobilhersteller auf das DKG, selbst in den USA: Ford rechnet damit, dass „nasse und trockene Doppelkupplungsgetriebe bei Klein- und Mittelklassewagen Marktanteile erobern werden“. Dennoch werde dort das Automatikgetriebe das dominierende Konzept bleiben.

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Die Wandlerautomatik wird immer effizienter
Auch beim Automatikgetriebe, oft auch als „Wandlerautomatik“ bezeichnet, hat es große Fortschritte beim Wirkungsgrad gegeben. Für sein 6-Gang-Automatikgetriebe nannte der Getriebehersteller ZF Friedrichshafen noch 2006 einen Verbrauchsnachteil von 3,5 Prozent gegenüber einem Handschalter. Das neue 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF, das 2010 in Serie gehen soll, soll nochmals 6 Prozent günstiger sein und damit einen sparsameren Antrieb ermöglichen als ein Handschaltgetriebe.

Ob die Wandlerautomatik sich auch in unteren Wagenklassen durchsetzen wird, ist zumindest fraglich, schließlich hat sie es nach jahrzehntelangem Entwicklungsvorsprung bis heute nicht getan. Die momentane Entwicklung deutet eher darauf hin, dass das noch junge Konzept des Doppelkupplungsgetriebes zur ernsthaften Konkurrenz wird, zumal praktisch kaum Komfortnachteile spürbar sind – es sei denn, man legt es bewusst „bissig“ aus, wie Oerlikon Graziano es jüngst demonstriert hat.

Getriebe werden „hybridfähig“
Allerdings dringt auch das klassische Automatikgetriebe in neue Anwendungsbereiche vor: So hat ZF sein neues 8-Gang-Automatikgetriebe „hybridfähig“ ausgelegt, es kann also weitgehend unverändert auch für Hybridantriebe eingesetzt werden. Damit kommt ein weiteres Stichwort ins Spiel, das ebenfalls über die Marktchancen zukünftiger Getriebekonzepte entscheiden könnte – doch nicht jedes Getriebekonzept ist für den Hybridantrieb geeignet. Vor allem das Handschaltgetriebe stößt an natürliche Grenzen; man könnte es zwar theoretisch mit einem elektrischen Antrieb kombinieren, aber für ein brauchbares Zusammenspiel zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor ist es ungeeignet.

Wenn man schon einen Antrieb „hybridisiert“, wird man versuchen, den Verbrennungsmotor im Bereich seines besten Wirkungsgrads zu betreiben, dafür ist ein wie auch immer geartetes automatisches Getriebe Voraussetzung. Denn nur automatische Schaltstrategien ermöglichen optimale Schaltpunkte.

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Getriebe als Baukosten-Konzept
Während Toyota zum Beispiel im Prius auf einen leistungsverzweigten Antrieb setzt, bei dem die Übersetzung stufenlos erfolgt, setzen die Europäer überwiegend auf Parallelhybride, bei denen die Antriebsmomente von Verbrennungs- und Elektromotor getrennt voneinander zum Getriebe geführt werden. Dieses Konzept hat unter anderem den Vorteil, dass sich Getriebe modular auslegen lassen, wie das Beispiel ZF zeigt. Für die Hybridisierung des Antriebsstrangs bietet das 8-Gang-Automatikgetriebe die Möglichkeit, sowohl einen Mikro-Hybrid mit Kurbelwellen-Starter-Generator als auch einen Vollhybrid als Parallelhybrid zu realisieren.

Doppelkupplungsgetriebe für Hybridantriebe
Ähnliches gilt jedoch auch für das Doppelkupplungsgetriebe. So hat die Firma Getrag zusammen mit Bosch bereits Mitte 2006 eine Kooperation vereinbart, um ein Hybrid-geeignetes DKG zu entwickeln. Das Getriebe ließe sich ohne größere Änderungen für Fahrzeuge mit und ohne Hybridantrieb einsetzen. Sollte dieses „Baukasten-Prinzip“ erfolgreich sein, wäre das DKG möglicherweise die beste Antwort auf die in Berlin diskutierten Fragen: Ob mit oder ohne Hybrid – es verspricht niedrigen Verbrauch, benötigt wenig Bauraum, ermöglicht hohe Stückzahlen in unterschiedlichsten Fahrzeugklassen und somit günstige Preise, die auch den Einsatz in Kleinwagen preislich interessant machen.

Zielkonflikt aus Komfort, Kosten und Effizienz
Trotz unterschiedlicher Meinungen waren sich die Teilnehmer des Symposiums in Berlin in einem Punkt einig: Welches Getriebekonzept die besten Zukunftschancen hat, hängt davon ab, wie der Zielkonflikt aus Komfort, Kosten und Effizienz am besten gelöst werden kann.

Das Doppelkupplungsgetriebe schneidet bei der Bewertung dieser Kriterien gut ab: Es ist komfortabel, bietet einen relativ guten Wirkungsgrad und dürfte über höhere Stückzahlen in Preisbereiche weit unter 1000 Euro vorstoßen. Das ist keine Erfolgsgarantie, aber doch eine überraschende Aussicht für ein Getriebekonzept, das der Darmstädter Professor Franke bereits 1940 patentierte und das daraufhin jahrzehntelang fast in der Versenkung verschwunden war.