Sterben in Schönheit?

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Dabei hätte sich das unerfreuliche Prozedere womöglich vermeiden lassen, denn für Februar war eigentlich eine Kapitalerhöhung von Mercedes-AMG um rund 30 Millionen Euro geplant. Unbestätigten Informationen zufolge soll jedoch Castiglioni das verhindert haben, um nicht seine Mehrheit an MV Agusta und damit seine Entscheidungsfreiheit zu verlieren. Die Zukunft der italienischen Kultmarke hängt von Mercedes-AMG ab. Im schwäbischen Affalterbach hüllt man sich diesbezüglich in Schweigen. Falls der Autohersteller aussteigt, kann Castiglioni endgültig den Laden dicht machen. Zurzeit wartet man bei Mercedes-AMG wohl noch das Ergebnis des Vergleichsantrags ab. Erlassen die Gläubiger MV Agusta einen Teil der Schulden, wird die Produktion im Werk zwar weitergehen, aber richtig glücklich dürfte man in Stuttgart – Mercedes-AMG ist eine hundertprozentige Tochterfirma von Daimler – mit der Situation wohl nicht sein. Allein schon, weil Konkurrent Audi sich sehr erfolgreich mit Ducati am Markt positioniert, wohingegen MV Agusta am Rande der Pleite balanciert. Das wirft kein gutes Licht auf die sonst so erfolgsverwöhnte Marke Mercedes-Benz.

Demonstrative Zuversicht

Momentan gibt man sich in Varese betont zuversichtlich und verkündet, ab April 400 Stück Brutale 800 und Dragster 800 RR zu bauen. Ob für den Bau auch alle Komponenten zur Verfügung stehen, wird nicht kommuniziert. Bleibt zu hoffen, dass MV Agusta überlebt, denn es wäre sehr schade, wenn der große Name erneut verschwinden würde. In den letzten Jahren bemühten sich die Italiener redlich, das Händlernetz auszubauen, in Deutschland gibt es momentan 55 MV Agusta-Händler. Auch die Feinabstimmung der Motorräder verbesserte sich kontinuierlich, zeigten die ersten Einspritzungen noch sehr grobmotorische Manieren, war der letzte MV Agusta-Jahrgang deutlich benutzerfreundlicher abgestimmt.

Allerdings sollte man sich in Varese intensive Gedanken über die Preispolitik machen, selbst das günstigste Modell, die Brutale 675, kostet 10.190 Euro, ihre schärfste Konkurrentin, die Triumph Street Triple 675, gibt es bereits für 8640 Euro. Eine Brutale 800 liegt bei 12.590 Euro (Brutale 800 RR: 13.890 Euro), die Dragster 800 gar bei 13.590 Euro (Dragster 800 RR: 16.390 Euro), die meistverkaufte dreizylindrige Konkurrentin in dieser Hubraumklasse ist mit 2230 Stück die Yamaha MT-09, dank eines günstigen Listenpreises von 8395 Euro. Damit lag die MT-09 letztes Jahr auf Platz fünf der deutschen Zulassungsstatistik, eine MV Agusta taucht unter den Top 50 gar nicht erst auf. Dass die MV Agustas traumhafte italienische Diven sind, bleibt unbestritten, aber was nützt Schönheit, wenn der Kunde sie sich nicht leisten kann? (fpi)