Plug and Drive

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Ansätze gibt es längst: Die neue Mercedes S-Klasse verknüpft aktive Distanzkontrolle, aktiven Bremsassistenten und aktiven Insassenschutz zu einem Gesamtsystem. Ausgestattet mit einem Nah- und einem Fernbereichs-Radar warnt die Limousine ihren Chauffeur, wenn ein Auffahrunfall droht, regelt vorsorglich den richtigen Bremsdruck ein, strafft die Sitzgurte und rückt die Sitze in optimale Crashposition. Bremsen muss der Fahrer in diesem Notfall noch selbst. Noch – bei entspannter Reisegeschwindigkeit kann diesen Job bereits die Distanzkontrolle übernehmen.

Geregelte Fahrdynamik

BMWs M5 gibt wiederum ansatzweise Auskunft darüber, was mit geregelter Fahrdynamik gemeint sein könnte. Drei Motordynamikstufen (400 PS, 500 PS und 500 PS Sport), insgesamt elf verschiedene Schaltprogramme (fünf für den Automatik-, sechs für den Handschaltmodus), drei ESP-Stufen (aus, ein, ein mit Schlupf) und drei Dämpferstufen des Fahrwerks (Komfort, Normal, Sport) ergeben alles in allem 297 Varianten des flotten Weiterkommens. Klar, dass dieses Konzept nur funktioniert, wenn Getriebe-, Motor- und ESP-Regelung eng miteinander verzahnt sind und man großes Vertrauen in die Stabilität des CAN-Busses hat.

ESP-Software ermöglicht 28.000 verschiedene Kombinationen

Trotzdem werde das wahre Potenzial bei weitem nicht genutzt, „da ist noch eine Menge Spielraum“, so Fennel. Das Problem sei der traditionelle Entwicklungsprozess, die Komponenten werden vertikal nebeneinander entwickelt und im Nachhinein verbunden. „Was wir brauchen, ist mehr Horizontalität, mehr interdisziplinäre Querverbindung, ein ganzheitliches System-Engineering. Wir müssen mit unseren Prozessen näher an jene der Flugzeugentwicklung, ohne aber die unterschiedlichen Time-to-market-Zyklen aus den Augen zu verlieren.“ Wozu Software fähig ist, zeigt ein vergleichsweise unspektakuläres Beispiel: Der von Continental für die Golf-Plattform entwickelte ESP-Regler kann mit einer einzigen Software theoretisch 28.000 verschiedene Kombinationen bedienen, was die Spezifikation von Fahrwerk, Motor, Gewicht oder Bremsen der einzelnen Modelle betrifft. Tatsächlich genutzt werden nur rund zwanzig, aber man bekommt eine Ahnung, was an Variantenreichtum, Individualisierung, Modellierung und Konfigurierbarkeit des Fahrens möglich ist.

Leistung per Datenstick

Die Entwicklung eines Autos wird zu einem kontinuierlichen Prozess werden. Wie es heute Facelifts gibt, wird es in Zukunft Software-Updates geben, Extras wie ein Parkassistent müssen nicht beim Autokauf bestellt, sondern können jederzeit freigeschaltet werden. In den Seitenarmen eröffnen sich neue, reizvolle Geschäftsfelder: Der Komfortbereich etwa bietet ein riesiges Potenzial, von zeitlich befristeten Navigationsdaten und Telematikdiensten bis zum Film- und Musikdownload für die Kids im Fond. Bremsenexperte Fennel kann sich vorstellen, speziell auf die jeweilige Reifenmarke abgestimmte Programme anzubieten, um bei Winterreifen die Traktion zu verbessern, bei Sommerreifen den Bremsweg. Ein herkömmliches Bremsensystem muss im Normalfall mit unterschiedlichsten Reifen und unterschiedlichsten Reibwerten zurechtkommen. Kennt man aber den Reibwert des konkreten Reifens, kann man den idealen Bremsdruck schneller einregeln und den Bremsweg verkürzen, weil das System nur den Reibwert des Untergrunds berechnen muss.

Für Christian Reinema, Leiter der Technik und Entwicklung bei Abt Tuning, ist es wiederum denkbar, über die Homepage zusätzlich Leistung für die Golfs und A4s dieser Welt anzubieten, auch zeitlich begrenzt, für den Ausflug zur Nordschleife. Die entsprechende Schnittstelle vorausgesetzt, braucht es nicht mehr als einen Datenstick, um ein paar Mehr-PS nachzuladen, zehn bis zwanzig Prozent, will man die Abgasnormen einhalten. Umgekehrt könne man bei fünf Litern serienmäßigem Durchschnittsverbrauch noch bis zu maximal einen Liter sparen, „sofern man ein etwas schlechteres Ansprechverhalten in Kauf nimmt“, sagt Reinema. Das Kundeninteresse für derartige Eingriffe ist allerdings überschaubar.

Fahrer lenkt, Auto denkt

Der totalen Vernetzung nach innen folgt jene nach außen: Unsere Autos werden in Zukunft sowohl untereinander als auch mit der Infrastruktur, zum Beispiel Verkehrszeichen, kommunizieren. Ende letzten Jahres haben sich Audi, BMW, DaimlerChrysler, Fiat, Renault und Volkswagen zu einem Konsortium zusammengeschlossen, das einen gemeinsamen Standard für die Car-to-car-Kommunikation erarbeiten will. Die Idee ist, Informationen über Witterung, Verkehrsfluss und Straßenzustand von Auto zu Auto weiterzureichen, jedes Auto kann dabei als Sender, Empfänger oder Router eingesetzt werden.