50 Jahre AMD: Der Underdog, der richtig beißen kann

Seite 8: Durststrecke

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Richtig lohnen wollte sich die Grafiksparte auch nicht, denn die erste Karte unter AMD-Label erschien als Radeon HD 2900XT ein halbes Jahr später als geplant und konnte Nvidias Topmodell nur beim Strombedarf überbieten. Technisch begann damit an allen Fronten für AMD wieder eine Durstrecke, die aber 2009 zumindest finanziell abgemildert wurde: Intel zahlte 1,25 Milliarden US-Dollar an den Konkurrenten, um einem Jury-Verfahren wegen Wettbewerbsbehinderung zu entgehen.

Bereits seit 1991 wurden die Geschäftspraktiken untersucht, zahlreiche Verfahren wurden eingeleitet, zumindest in den USA sind sie damit vom Tisch - inklusive Patentstreitigkeiten. Das im Rahmen der Einigung erneuerte Austauschabkommen kann man in den Gerichtsunterlagen nur leicht geschwärzt seitdem einsehen. Davon unabhängig ist die Kartellstrafe der EU, die mit 1,45 Milliarden angedrohter Strafzahlung immer noch nicht abschließend entschieden ist. Ebenfalls 2009 wurde der Verkauf der Chipfertigung abgeschlossen, der bereits 2008 angestoßen worden war - auch das brachte Geld in die Kassen.

Das wiederum schafften die AMD-Produkte weiterhin nicht im nötigen Umfang, denn sie wurden auch mit der folgenden Bulldozer-Architektur nicht viel besser. Als der Bulldozer für die zunehmend erfolgreichen Opterons im Server-Geschäft auch für die Desktops als "FX" vorgestellt wurde, sagte dem Autor ein AMD-Mitarbeiter am Rande: "Was wollen die damit? Das ist eine Server-Architektur". Und so kam es auch: Zwar als Achtkerner beworben, hatten die FXe aber nur bis zu acht Integer-Einheiten - je zwei mussten sich eine FPU teilen. Und gerade die FPU wurde auch für Spiele und Mediensoftware immer wichtiger: Essig wars mit der Performance, Bulldozer-Chips musste AMD zu Billigpreisen verschleudern.

Man hätte AMD dann im Jahr 2011 fast schon abschreiben können, wäre da aus technischer Sicht nicht die Grafiksparte gewesen. Die lieferte 2012 mit der Serie Radeon HD 7000 ein rundes Paket und begann gleichzeitig, die CPU- und GPU-Kerne des Unternehmens in der Abteilung "Semi-Custom Unit" für Spielkonsolen zu entwickeln. Seit Playstation 4 und Xbox One stecken in allen Konsolen von Sony und Microsoft AMD-Chips, was wichtige Einnahmen bringt.

Das ATI-Maskottchen Ruby fand sich auf Grafikkarten, in Demos und als Sammelfigur.

(Bild: Nico Ernst)

Der Einfluss der Ex-ATI-Leute wurde erst in dieser Zeit im gesamten Unternehmen sichtbar. Zur Vorstellung der R200-Serie an Desktop-Grafikkarten wünschten die Grafikmarketeers sich sogar auf einer Präsentationsfolie "frecheres Marketing" - das war nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch an die internen Kanäle gerichtet. Hot-Rod-Flammen auf den Referenzkarten, das eigene Maskottchen "Ruby" - von der laut Ex-Mitarbeitern sogar die weibliche Figur "Jane Nash" in 3DMark Vantage abgeleitet sein soll - alles Dinge, die AMD ohne ATI zuvor nicht machen wollte.

Die R9 295X2 war bisher die letzte Spiele-Dual-GPU - mit über 500 Watt und Wasserkühlung.

(Bild: Nico Ernst)

In jüngster Zeit werden Pressemuster schon mal mit beleuchteten Aufstellern oder persönlicher Gravur verschickt. Das soll weniger den Testern schmeicheln, sondern vielmehr durch die daraus entstehenden Fotos bei den potenziellen Kunden Begehrlichkeiten wecken. Und die Freiheit, über sechs Generationen von Radeon 3870 X2 bis 295 X2 die auch in der Entwicklung teuren Dual-GPU-Karten zu bauen hatte man nicht mal bei Nvidia. Seit der R200-Serie kann AMD aber bei den Grafikkarten nicht mehr mit Nvidias jeweils schnellster GPU konkurrieren, zumindest nicht im absoluten High-End. Das drückt die Preise.

Bei den PC-Prozessoren ist AMD aber die nächste große Architektur gelungen: Zen. Nachdem die Bulldozers noch über drei Generationen dahingeschleppt wurden, ist seit Mitte 2017 der Ryzen wieder ein Liebling der PC-Schrauber. Acht echte Kerne für weniger Geld als bei Intel, bei je nach Anwendung gleicher Leistung. Das erinnert stark an die Zeiten von Athlon und Athlon X2. Zudem konnte man dem von den Server-CPUs Epyc abgeleiteten Threadripper beim High-End-Desktop beziehungsweise günstigen Workstations sogar Intel einige Zeit die Performancekrone entreißen.

Besonders wichtig: AMD liefert nun wie versprochen pünktlich nach. Zen+ überzeugte 2018 mit höherer Leistung pro Takt (IPC), Zen 2 soll das 2019 noch einmal deutlich steigern. Während Intel gut ein Jahrzehnt lang erst sechs, dann acht Kerne für rund 1.000 US-Dollar verkaufte, bekommt man heute einen ganzen gut ausgestatteten PC mit Octa-Core fürs gleiche Geld. Das ist vor allem AMDs Verdienst, denn ohne ernsthafte Konkurrenz musste Intel sich preislich lange nicht bewegen - und tut das bis heute nicht, denn den ruinösen Preiskampf will keiner der beiden mehr aufnehmen.