Autos der 70er Jahre

Seite 3: Wegweisende Konzepte der 70er mit und ohne Massenwirkung

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Das Automobil verdankt seinen Erfolg reichen Dandys, die Rennen fuhren. Sportwägen sind die Ursuppe des Automobilbaus. Da mutet es fast schon zynisch an, dass sogar die DDR mit dem Melkus RS1000 einen hatte. Was will der Arbeiter- und Bauernstaat damit? Den Staat würdigen.

Heinz Melkus, der Enzo Ferrari Ostdeutschlands. In Italien ärgert man sich wahrscheinlich bis heute, nicht selbst auf dieses Design gekommen zu sein.

(Bild: Wikicommons by Sebastian Koppelhel)

Sagte Erfinder Heinz Melkus. Und das ist kein Scherz. Er konnte das Politbüro davon überzeugen, einen Sportwagen bauen zu dürfen, weil dieser pünktlich zum Jahr 1969 fertig sein würde - "zu Ehren des 20. Jahrestages der Gründung der DDR". Die TU Dresden und Wartburg steuerten die Techniker bei, die Kunsthochschule Berlin die Designer.

Wer einen Melkus RS1000 bestellte – das ging nur über die Kommission Automobilrennsport – musste ein Jahr warten und zahlte 30.000 Ostmark.

(Bild: Wikicommons by Tobias Nordhausen)

Es entstand ein Auto, das nicht mal einen Meter hoch war, mit Flügeltüren begeisterte und dank einem Gewicht von gerade mal 690 Kilogramm sogar mit 70 PS auskam, ohne sich zu blamieren. Mit seinem Dreizylinder-Zweitakter erreichte das Fahrzeug nach 13,4 Sekunden Tempo 100, bei 160 Sachen endete die Beschleunigung.

Nur mal zum Vergleich: Ein Wartburg kostete die Hälfte und Kunden mussten bis zu zehn Jahre warten. Warum bis 1973 nur 101 Stück gebaut wurden, bleibt ein Rätsel der Mangelwirtschaft.

(Bild: Wikicommons by Tobias Nordhausen)

Citroën hatte ein Dilemma. Die DS war ein Hit, aber doch recht groß und teuer. Der 2CV war zu alt. Ein moderner Kleinwagen für den schmalen Geldbeutel musste her. In den 70er Jahre widersprach sich das. Baukastensystem, Gleichteilestrategie und Badge-Engineering waren noch nicht so bedeutend, wie sie es heute waren.

Derart viel Entwicklung in ein Fahrzeug der Einliter-Klasse zu stecken war mutig. Zahlte sich aber aus. 2,5 Millionen Exemplare verkaufte Citroën vom GS zwischen 1970 und 1986.

(Bild: Citroën)

Umso größer ist zu bewerten, was Citroën mit dem GS geleistet hat. Motor, Karosserie und Fahrwerk waren von einer Raffinesse, die diese Klasse bisher noch nicht gesehen hatte. Der Motor war eine komplette Neuentwicklung. Zwar hatte er nur einen Liter Hubraum, der kurze Hub erlaubte aber hohe Drehzahlen. Und das wiederum eine sportliche Fahrweise. Weil die Karosserie citroëntypisch extrem aerodynamisch war, hielt sich der Verbrauch dennoch in Grenzen. Was an eher beschaulichen 54 PS lag. Die 1,2-Liter-Variante sorgte früh für mehr Dampf, später kam noch ein 1300er mit 65 PS.

Die Abrisskante am Heck führte dazu, dass sich die Finger schmutzig machte, wer die Heckklappe öffnen wollte. Eine große Klappe bis zur Dachkante kam erst später.

(Bild: Citroën)

Für eine komfortable Federung trieb der Motor eine Hochdruckpumpe an, die wiederum die hydropneumatischen Federzylinder an den Achselementen der vier unabhängig voneinander aufgehängten Räder versorgte. 1971 gab es für so viel Ingenieursleistung die Auszeichnung "Auto des Jahres". Citroën war vom Erfolg und der Nachfrage überrascht und kam mit der Produktion nicht nach. Um die Stückzahlen zu erhöhen, wurde gepfuscht. Ziel erreicht: Die Nachfrage sank.

Besonders beeindruckend war die Geräuschkulisse. Trotz hochdrehender Motoren war der Wagen erstaunlich leise.

(Bild: Citroën)

Wer am Gipfel ist, für den geht es abwärts. Es sei denn, die Person ist Ferruccio Lamborghini. Der hatte in den 70ern die Welt um den Miura bereichert und damit ein Image wie Donnerhall betoniert. Frank Sinatra beschrieb es so: "Ferrari fährt, wer jemand sein will. Lamborghini, wer schon jemand ist."

Der Lamborghini Countach wurde 16 Jahre gebaut – von 1974 bis 1990. In dieser Zeit war er in Posterform Standardausrüstung jedes Kinderzimmers.

(Bild: Lamborghini)

Für ein Auto dieses Standings und Prominenz musste ein Nachfolger her. Unmöglich. Und doch, es gelang. Mit dem Countach. Designer Marcello Gandini merkte an, dass ein Nachfolger nicht wie ein Nachfolger aussehen dürfte, sondern radikal neu sein müsse. Damit ein Vergleich mit der Legende Miura – den jedes Fahrzeug nur verlieren könnte – unmöglich sei.

Die Türen waren natürlich der große Hingucker beim Countach. Da verziehen Fans auch ferne eklatante Verarbeitungsmängel.

(Bild: Lamborghini)

Also reihte er ein paar Dreiecke aneinander und stellte den Keil 1971 auf die Messe in Genf. Eine Serienproduktion war nicht angedacht. Doch die Fans verlangten die Karre. Kein Problem: Pünktlich zur Ölkrise 1973 konnte der Wagen mit Zwölfzylinder bestellt werden.

Den Wagen gab es, weil Ferruccio Lamborghini seine Automarke nur noch mit Investorengeld am Laufen halten konnte – und die wollten den Wagen.

(Bild: Lamborghini)

Fiat ist kein Konzern. Fiat ist kein Autobauer. Fiat ist Italien. Und wie alle europäischen Länder entwickelte sich auch Italien in den 70ern endlich weg von Schrecken und Armut der Kriegs- und Nachkriegsjahre. Doch die Oberklasse gehörte anderen. Nämlich Opel, Jaguar, ... selbst der Papst fuhr einen Mercedes.

Der Fiat 130 kam schon 1969 auf den Markt, das Coupé aber erst 1971. Deswegen darf er in der Liste der Kultautos der 70er starten.

(Bild: Fiat)

Das traf das Ego der Familie Agnelli, denen Fiat gehört. Italienischer Luxus musste her. Weil das aber völliges Neuland war, mussten die Italiener den Fiat 130 komplett neu entwickeln. Der Motor stammte von Aurelio Lampredi, der ansonsten für Ferrari Zwölfzylinder entwarf. Felice Mario Boano (u.a. Karmann-Ghia) liefert das Design. Die italienische Regierung orderte für höhere Beamte gleich in Bausch und Bogen.

Wer sich eine Oberklasse leisten konnte, der griff zu Mercedes oder Jaguar. Fiat hat keine Chance, sein Image als Kleinwagen-Produzent loszuwerden.

(Bild: Fiat)

Fiat wusste, dass sie keine Ahnung hatten, wie die Oberklasse funktioniert, weswegen sie extrem vorsichtig vorgingen und sich an der Konkurrenz orientierten. Es funktionierte. Beim Fiat 130 stimmte (fast) alles. Das Auto war komfortabel, luxuriös und das sportlichere Coupé löste ab 1971 das Problem, dass viele den Wagen als träge empfanden. Dennoch floppte der Fiat 130 phänomenal. Die Händler hatte keine Ahnung wie oder an wen sie Oberklasse-Fahrzeuge verkaufen sollten. Und wer genug Geld hatte, wollte außerdem keinen Fiat fahren. Schade drum.

1976 endete Fiats Ausflug in die Oberklasse nach nicht einmal 15.000 Limousinen und 4493 Coupés.

(Bild: Fiat)

(fpi)