BMW R 1300 GS Adventure: Multifunktions-Packesel

Rahmen und Motor teilt sich die BMW R 1300 GS Adventure mit der Basis, sieht aber deutlich stämmiger aus und wiegt tatsächlich satte 269 kg.

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BMW R 1300 GS Adventure

BMW R 1300 GS Adventure

(Bild: BMW)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

BMW stellte letztes Jahr die komplett neue R 1300 GS vor. Sie wurde erwartungsgemäß wie ihre Vorgängerinnen zum Bestseller und führte auf dem gesamten deutschen Markt die Verkaufscharts mit großem Vorsprung an. Jetzt schiebt BMW die Adventure-Variante nach. Sie unterscheidet sich vor allem durch einen riesigen 30-Liter-Aluminiumtank vom Standard-Modell. Die R 1300 GS Adventure wirkt nicht nur deutlich pausbäckiger und voluminöser, sondern ist es auch in der Realität. Laut Hersteller bringt sie 269 kg Leergewicht auf die Waage – 32 kg mehr als die Basis-R 1300 GS und sogar ein Kilogramm mehr als die Vorgängerin R 1250 GS Adventure. Wo ist die von BMW versprochene Gewichtsreduzierung der neuen GS-Generation geblieben?

Die R 1300 GS gilt optisch zu Recht als großer Wurf, sie zeigt sich sportlich-schlank, aber bei der Adventure verfallen die Entwickler wieder in alte Muster, auf Ästhetik wird keine Rücksicht genommen. Es ist kaum zu glauben, dass beide Modelle sich dieselbe Basis teilen. Der 30-Liter-Tank der Adventure geriet zu einem eckigen Brotkasten und die seitlichen Kühlerabdeckungen wirken erschreckend provisorisch. Das Heck geriet sogar pummeliger als das der Vorgänger-Adventure.

Auf den Tank packten die Entwickler ein Staufach fürs Telefon und zwei kleine Bügel sowie ein unansehnliches Loch mit einer Querstrebe am Ende des Spritfasses, um den aufpreispflichtigen BMW-Tankrucksack befestigen zu können. Die Kühlerabdeckungen lassen sich optional sogar gegen solche mit hässlichen Haltebügel tauschen, um Seitentaschen aufzunehmen. Das mögen praktische Lösungen sein, sie wirken aber wie ein Baukasten und sind alles andere als elegant. Die Adventure wird zum Multifunktions-Packesel.

BMW R 1300 GS Adventure (8 Bilder)

BMW präsentiert die neue R 1300 GS Adventure. Sie unterscheidet sich von der Standard-R 1300 GS vor allem durch einen 30-Liter-Tank.
(Bild: BMW)

Am meisten irritiert aber das große Loch unterhalb des Tanks, als wäre dort eine Abdeckung vergessen worden. Darin versteckt sich ein Rotor, der dem Kühler Wind zufächeln soll. Das ist an der Standard-GS um Welten besser gelöst. Die Adventure verfügt über die x-förmig angeordneten LED-Leuchten mit einem zentralen Spot, wie sie das neue Gesicht der GS prägen. Außerdem erhält sie aber noch zwei flache LED-Zusatzscheinwerfer und ihr elektrisch verstellbarer Windschild ist höher. Die Designer formten den obligatorischen Entenschnabel der Adventure kürzer und breiter als an der Basis-GS und gestalteten ihn als separates Teil, zudem betont er mit seiner schwarzen Färbung das Fremdkörperelement. Die Standard-GS zeigt wie es richtig geht: Ein elegant geschwungenes, einteiliges Kunststoffteil, das sich harmonisch in die Linie einfügt.

Es gab im Vorfeld Gerüchte, BMW würde an der Adventure den Hubraum erweitern und sie R 1400 GS nennen. Das hat sich nicht bewahrheitet, die neue Adventure hat exakt denselben Motor wie die Standard-R 1300 GS. Die Leistung ist über jeden Zweifel erhaben: Der 1300er-Boxer mit Shift-Cam-Technologie produziert 145 PS bei 7750/min und satte 149 Nm bei 6500/min – mehr als je wirklich eingesetzt werden könnte. Er zieht souverän aus jedem Drehzahlbereich durch und drückt selbst mit Sozius und Gepäck stets mächtig voran. Ihm wird sicher auch das Zusatzgewicht der Adventure nichts ausmachen. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h gibt BMW mit 3,4 Sekunden an, die Höchstgeschwindigkeit mit "über 200 km/h". Laut Hersteller verbraucht die riesige BMW nur 4,9 Liter auf 100 km, womit ihre Reichweite eindrucksvolle 612 km betragen würde.

Der Rahmen der Adventure ist identisch mit dem des Basis-Modells. Es handelt sich um einen Blechschalen-Rahmen aus Stahl, der den Motor als tragendes Element aufnimmt. Der angeschraubte Heckrahmen besteht aus Aluminiumrohren und Schmiedeteilen. Beim Fahrwerk gibt es ebenfalls keine Überraschungen: Das Vorderrad wird vom Evo-Telelever mit Flexelementen geführt, hinten kommt das Evo-Paralever zum Einsatz, der Kardan verläuft weiterhin durch die dicke Einarmschwinge. Allerdings weist die Adventure längere Federwege auf, die beim Basis-Modell als "Sportfederung" 360 Euro Aufpreis kostet. Sie wachsen von 190 auf 220 mm vorne und von 200 auf 220 mm hinten. Entsprechend ändern sich auch der Radstand von 1518 auf 1534 mm und der Nachlauf von 112 auf 119 mm. Prinzipiell bedeutet das eine Reduzierung der Handlichkeit. Zum Vergleich: Die Vorgänger-Adventure hatte nur 1504 mm Radstand und 95 mm Nachlauf.

BMW R 1300 GS Adventure (7 Bilder)

Das Cockpit entspricht dem der Standard-GS mit 6,5-Zoll-TFT-Display. Das BMW-Navi darüber kostet Aufpreis.
(Bild: BMW)

Das semi-aktive Fahrwerk Dynamic ESA Next Generation mit dynamischer Anpassung der Dämpfung und hinten einstellbarer Federbasis kommt in der Adventure als Standard. Sie rollt grundsätzlich auf Drahtspeichenrädern mit schlauchlosen Reifen, Gussräder wie an der normalen GS stehen nicht zur Verfügung. Das erscheint sinnvoll, denn so ein großes Spritfass benötigt ja nur, wer auf Pisten unbevölkerte Landesteile bereist. Nur dort können Drahtspeichen noch ihre potenziellen Vorteile bieten.

Serienmäßig bekommt die Adventure außerdem neben den Zylinderschutzbügeln und der Motorschutzplatte eine höhere Sitzbank, in Verbindung mit den verlängerten Federwegen wächst deshalb die Sitzhöhe auf 890 mm. Selbst wenn die Sitzbank in die tiefere Position gesteckt wird, sind es noch 870 mm. Dazu gesellt sich noch der extrem breit bauende Tank, der die Knie spreizt. Selbst durchschnittlich große Menschen tun gut daran, die adaptive Fahrzeughöhenregelung als Extra zu bestellen, in der Standard-GS kostet sie 515 Euro und senkt das Motorrad beim Anhalten innerhalb von 1,5 Sekunden um 30 mm ab. Die Adventure verfügt über ein 6,5 Zoll großes TFT-Display und bietet per Bluetooth Smartphone-Konnektivität mit vielfältigen Features. Vier Fahrmodi – Rain, Road, Eco und Enduro – stehen dem Fahrer zur Verfügung. Die aufpreispflichtigen "Fahrmodi Pro" umfassen die zusätzlichen Modi "Dynamic", "Dynamic Pro" und "Enduro Pro".

Sehr stolz ist BMW, ab 2025 in der Adventure einen automatisierten Schaltassistenten optional anbieten zu können. Dabei entfällt der Kupplungshebel, schalten kann man jedoch wie gewohnt. Ohne Aufpreis gibt es den Tempomat, nur gegen Extra-Geld den "Riding Assist", der ein Radar einschließt. Damit passt die BMW automatisch den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug an, warnt den Fahrer, wenn von vorne eine Kollision möglich erscheint und – ganz neu – auch, wenn von hinten ein Crash droht. Natürlich hat die bayerische Marke Aluminiumkoffer mit insgesamt 73 Liter Fassungsvermögen in der Aufpreisliste, jetzt mit im linken Koffer integrierter Magnetkupplung als elektrische Schnittstelle für eine USB-Ladebuchse. Auch ein 37-Liter-Alu-Topcase mit Beleuchtung und USB-Stecker wird in der Extra-Liste auftauchen. Unverständlich ist allerdings, warum an der Adventure der Hauptständer extra kostet – in der Preisklasse eine Frechheit.

Womit wir zum Thema Kosten kommen. BMW hat den Preis der neuen R 1300 GS Adventure noch nicht bekannt gegeben. Letztes Jahr lagen die R 1250 GS und R 1250 GS Adventure preislich 1640 Euro auseinander. Da die Standard-R 1300 GS bereits 19.690 Euro kostet, wird die Adventure die 20.000-Euro-Marke deutlich überspringen und vermutlich irgendwo bei 21.000 Euro ankommen. Doch dafür gibt es nur die Standard-Adventure in der Farbgebung "Racing Red Uni". BMW kombiniert die anderen Lackierungen mit bestimmten Ausstattungen. Gegen Aufpreis gibt es sie in "Triple Black" in Schwarz, als "GS Trophy" in Blau-Silber-Rot und als "Option 719 Karakorum" in Dunkelgrün mit golden eloxierten Felgen.

Wird sich die neue Adventure gut verkaufen? Garantiert! Alleine schon, weil BMW R 1300 GS Adventure draufsteht. Der Käufer bekommt eine Luxus-Reiseenduro mit allen technischen Raffinessen und einer extremen Reichweite. Allerdings zu einem hohen Einstandspreis und dann ist da noch die lange Aufpreisliste. Außerdem dürfte das Fahren auf unbefestigten Pisten mit einem Motorrad, dessen Leergewicht sich mit diversen Zusatzausstattungen wie Koffer, Topcase, Tankrucksack und Hauptständer der 300-kg-Grenze nähert, wirklich zum "Adventure" werden.