Batterietechnik der Zukunft: Natrium vs. Lithium

Erste Natrium-Ionen-Batterien für Autos, Renaissance bei Natrium-Nickelchlorid und Potenzial von Natrium-Feststoffzellen: ein Blick in die Batterie-Zukunft.

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(Bild: Erstellt mit Midjourney durch TR)

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Die Visionen zur Batterie der Zukunft sind zweigeteilt: Auf der einen Seite steht die Hoffnung auf mehr Energie- und Leistungsdichte, auf der anderen Seite die auf weniger Kosten und weniger kritische Rohstoffe. Für die erste Vision stehen Lithium-Festkörperzellen, für die zweite Natrium-Batterien. Jüngste Entwicklungen machen nun Hoffnung, dass sich die Vorteile beider Technologien eines Tages miteinander verbinden lassen.

Natrium-Batterien an sich sind nichts Neues. Dahinter verbirgt sich allerdings ein ganzer Zoo an Konzepten, die bis auf den Ladungsträger Natrium nur bedingt etwas gemein haben.

Ein Klassiker sind Natrium-Nickelchlorid-Batterien. Sie sind seit den 1980er Jahren bekannt und gelten als sicher, robust und preiswert. Allerdings haben sie eine mäßige Energiedichte und müssen bei Temperaturen von rund 250 bis 300 °C betrieben werden. Früher wurden sie unter dem Markennamen "Zebra" in E-Autos wie die frühen E-Smarts eingebaut. Weil sie praktisch immer am Netz hängen mussten, um ihre Temperatur zu halten, sind sie schnell wieder in der Versenkung verschwunden.

Im stationären Einsatz, etwa als Pufferspeicher für das Stromnetz, erleben sie allerdings gerade eine Renaissance. In diesem Jahr will das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) gemeinsam mit der Altech Batteries GmbH eine Batteriefabrik mit einem jährlichen Output von 100 Megawattstunden im sächsischen Schwarze Pumpe aufbauen.

"Die Schwestertechnologie Natrium-Schwefel gibt es schon länger im großen Maßstab, jedoch brennt diese Batterie, weswegen wir uns für Natrium-Nickelchlorid entschieden haben", sagt Roland Weidl, Standortleiter des Batterie-Innovations- und Technologie-Centers des IKTS. "Ein großer Kostenfaktor liegt in der Herstellung. Dort haben wir große Fortschritte gemacht, und durch das Upscaling gibt es eine weitere Kostenreduktion. Diese Batterie ist speziell für stationäre Energiespeicherung optimiert. Das ist der entscheidende Unterschied zu früher."

Die Batterien mit dem Markennamen Cerenergy bestehen aus Stahlzylindern, die gleichzeitig die negative Elektrode bilden. Darin sitzt als Elektrolyt ein keramisches Rohr, das für Natrium-Ionen durchlässig ist, aber nicht für Elektronen. Es ist mit einem Granulat aus Kochsalz und Nickel sowie mit geschmolzenem Chlor-Aluminat gefüllt, das den Kontakt zu den Elektroden herstellt. Innerhalb des Keramik-Rohrs befindet sich zudem die positive Elektrode. Beim Laden wandern die Natrium-Ionen des Salzes durch die Keramik und bilden dort eine Schicht aus geschmolzenem, metallischem Natrium. Die Chlorid-Ionen verbinden sich währenddessen mit dem Nickel zu Nickelchlorid. Beim Entladen geschieht der Prozess in umgekehrter Richtung. Je 40 dieser Stahlzylinder werden zu Modulen à zehn Kilowattstunden zusammengefasst.

Als Vorteil nennt Altech vor allem den Verzicht auf kritische Rohstoffe: kein Kobalt, kein Graphit, kein Kupfer, nur relativ wenig Nickel und vor allem: kein Lithium. Natrium ist – beispielsweise als Bestandteil von Kochsalz – überall reichlich vorhanden und kann, anders als Lithium, einfach und preiswert gewonnen werden. Zudem seien die Zellen mit einer geschätzten Lebensdauer von 15 Jahren robuster und rund 40 Prozent günstiger als vergleichbare Lithium-Ionen-Batterien.

Aber sind die Batterien wegen ihres hohen Temperaturniveaus nicht ziemlich ineffizient? "Die größten Batterien der Welt sind Batterien, die bei diesen Temperaturen arbeiten, es weiß nur meistens niemand", sagt Weidl. "Lithium-Ionen-Batterien muss man im Sommer kühlen und im Winter heizen, hier benötigt man eine Klimaanlage. Unsere Batterie muss man höchstens heizen, sie bleibt aber sehr lange auf der hohen Temperatur, durch den Betrieb und die Isolierung."

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Explizit für den mobilen Einsatz ausgelegt sind hingegen Natrium-Ionen-Batterien. Sie funktionieren ähnlich wie ihre Lithium-Geschwister, allerdings mit Unterschieden an den Elektroden. Bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Zellen besteht die Anode üblicherweise aus Graphit, also aus regelmäßig strukturierten Kohlenstoff-Schichten. In diesen Schichten finden die Ionen gewissermaßen Unterschlupf. Da aber Natrium-Ionen größer sind, passen sie, vereinfacht gesagt, nicht mehr dazwischen. Für Natrium-Ionen braucht es deshalb eine Anode aus "amorphen" Kohlenstoff ("Hard Carbon"). Er kann aus nahezu beliebigen organischen Abfällen hergestellt werden, auch aus Nahrungsresten. Hier sind die Kohlenstoff-Moleküle ungeordnet aufeinander gestapelt, wodurch sich größere Lücken für die Ionen ergeben. Für die Kathode wird meist der Farbstoff Preußisch Weiß oder Preußisch Blau verwendet.

Im März veröffentlichte der chinesische Autobauer JAC Motors die Fotos des nach eigenen Angaben weltweit ersten Kleinwagens mit Natrium-Ionen-Batterie. Sie stammt vom chinesischen Herstellers HiNa Battery und hat eine Kapazität von 25 Kilowattstunden. Laut Pressemitteilung beträgt die Reichweite bis zu 250 Kilometer. Und im April gab CATL, der weltweit größte Hersteller von Traktionsbatterien, bekannt, eine Natrium-Ionen-Batterie beim Hersteller Chery einsetzen zu wollen. Und auch BYD will ins Natrium-Geschäft einsteigen.

Was ist das Geheimnis von CATL? Haben die anderen Hersteller geschlafen? "Die Chemie ist ähnlich wie bei Lithium. Im Labor können wir das ganz einfach nachbauen", sagt Martin Oschatz, Professor am Institut für Technische Chemie und Umweltchemie der Uni Jena. "CATL waren eben schlau, sie haben den Markt besser eingeschätzt. Und sie waren die ersten, die es in Großserie so zusammengebaut haben, dass es passt."

Allerdings haben weder CATL noch HiNa bisher einen Zeitplan für die Produktion oder detaillierte Leistungszahlen veröffentlicht. "Sie machen recht interessanten Ankündigungen", sagt Andy Leach, Analyst für Energiespeicherung bei Bloomberg New Energy Finance (BNEF). "Aber es fehlen noch viele Details."

Weil Natrium-Atome (Ordnungszahl 11) schwerer sind als Lithium-Atome (Ordnungszahl 3), werden Natrium-basierte Zellen im Highend-Bereich bei der Energiedichte wohl immer rund 20 Prozent unter den besten vergleichbaren Lithium-Zellen bleiben. Hier kommen nun die Festkörperzellen ("All Solid State") ins Spiel. Bei ihnen enthält die Anode gar keinen elektrochemisch passiven Kohlenstoff mehr, sondern nur noch reine Ladungsträger in Form von metallischem Natrium beziehungsweise Lithium. Entsprechend höher ist ihre Energiedichte. CATL hat kürzlich einen solchen Akku auf Lithium-Basis vorgestellt, dessen Energiedichte von 500 Wh/kg selbst für Elektroflugzeuge taugen soll.

Wie der Name schon sagt, enthalten solche Zellen weder flüssige Elektrolyte noch Elektroden, sondern ausschließlich feste Stoffe. Das bedeutet auch: Es fehlt eine Flüssigkeit, die alle Poren durchdringen und so alle Komponenten miteinander verbinden kann. Und genau darin liegt das Problem: Wie lassen sich die Zellen so herstellen, dass eine robuste und haltbare Kontaktfläche zwischen den Feststoffen entsteht?

"Durch verfeinerte Analysemethoden ist das Verständnis über die Vorgänge an den Grenzflächen gewachsen, was zu einer verbesserten Zyklenstabilität geführt hat", sagt Micha P. Fertig vom IKTS. Beim Material für die Festkörper-Elektrolyte sind Oxide, Sulfide und Polymere im Spiel – mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen. Bestimmte Werkstoffe haben beispielsweise eine gute Ionenleitfähigkeit, sind aber zu spröde, um zu Rundzellen gewickelt zu werden. "Die Festelektrolyte haben noch viel Entwicklungsarbeit vor sich", meint Oschatz. "Bei Natrium und Lithium sind die Probleme ähnlich."

Sollte CATL – oder ein anderer Hersteller – nun aber tatsächlich einen Weg zur praxistauglichen Festkörperzelle finden oder schon gefunden haben, wäre das möglicherweise auch ein weiterer Schub für die Natrium-Zellen. Die Natrium-Ionen-Akkus, wie sie nun von HiNa und CATL versprochen wurden, haben heute schon Energiedichten im Bereich früherer Lithium-Eisenphosphat-Zellen. Mit Festkörper-Technologie könnten sie auch klassische Lithium-NMC-Akkus erreichen oder übertreffen – zumal deren Zellchemie bereits weitgehend ausgereizt ist. "Fortschritte werden dort eher über das Zelldesign und auf Modulebene als über die Zellchemie erzielt", sagt Micha P. Fertig – also der Kunst, den Anteil an passiven Bauteilen wie Gehäuse, Verpackung und Verkabelung zu reduzieren.

Wobei die Abschätzung der tatsächlichen Energiedichte einer neuen Zelltechnologie immer schwierig sei, solange es keine Prototypen gebe, so der Fraunhofer-Forscher. "Dies liegt daran, dass die Energiedichten von der Forschungs-, auf Zell-, auf Batterieebene immer weiter sinken. Veröffentlicht werden aber häufig die Energiedichten auf Forschungsebene, die dann fälschlicherweise mit einem kommerzialisierten System verglichen werden."

Auch wenn Natrium-Feststoffzellen nie die Energiedichte der besten vergleichbaren Lithium-Systeme erreichen werden: Gerade bei diesen Zellen könnte Natrium seinen großen Vorteil ausspielen, nämlich die problemlose Beschaffung der Rohstoffe. Denn für Lithium-Feststoffzellen mit entsprechend hoher Energiedicht ist auch entsprechend viel Lithium nötig, mit entsprechend teuren und umweltschädlichen Prozessen bei Förderung und Verarbeitung. "Ökonomisch werden Lithium-Feststoffzellen wohl nur da sein, wo eine hohe Energiedichte nötig ist, etwa in der Luftfahrt oder bei Luxusautos", meint Fraunhofer-Forscher Fertig. "Auf dem Massenmarkt haben Natrium-Feststoffzellen in bestimmten Bereichen das Potenzial, Lithium-Ionen-Akkus zu verdrängen."

Bereits zwischen November 2021 und November 2022 hat die hohe Nachfrage nach Batterien den Lithium-Preis ungefähr verdreifacht, bevor er wieder zu sinken begann. Doch wenn es vor allem der Lithium-Markt war, der die Tür für Alternativen geöffnet hat, dann könnte genau dieser Markt die Tür auch wieder zuschlagen, glaubt Jay Whitacre, Batterieforscher an der Carnegie Mellon University und Gründer des ehemaligen Natrium-Ionen-Batterieunternehmens Aquion. Das Schicksal der Natrium-Ionen-Batterien werde wahrscheinlich "direkt mit den Kosten für Lithium zusammenhängen". Es sei schon schwierig genug, neue Batterien in großem Maßstab zu produzieren. Noch schwieriger sei es, einem sich ständig verändernden Ziel hinterherzujagen, nämlich immer besseren und billigeren Lithium-Ionen-Batterien.

(grh)