Elektroauto: Das verborgene Leben der 12-Volt-Bleibatterie

Seite 2: Intelligente Autokonstruktionen laden 12[ ]V automatisch nach

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Man möchte meinen, ein Auto am Ladestecker hat alles, was es an elektrischer Energie braucht. Es kann ja jederzeit Strom beziehen. Das tut es jedoch nicht, sondern es läuft eher so: Das Auto lädt voll. Es beendet den Ladevorgang. Es schottet das Hochvoltsystem ab und schickt alle Steuergeräte schlafen. Weil jedes Auto selbst in Ruhe für periodische oder dauerhafte Überwachungssysteme ein bisschen Strom zieht, entlädt sich jetzt die 12-V-Batterie über ihre Selbstentladung hinaus. Je nach Auto ist sie dann innerhalb einiger Wochen bis Monate tiefentladen. Dann funktioniert gar nichts mehr. Das fiel Autofahrern im Homeoffice 2020 vermehrt auf. Selbst ohne die Winzverbraucher würde die 12-V-Batterie normalerweise vor der Traktionsbatterie aufgeben, weil Blei-Säure-Akkus sich erheblich stärker selbst entladen als Lithium-Batterien.

Gute Konstruktionen schließen die 12-V-Batterie in die periodischen Überwachungen ein. Bei zu niedriger Spannung lädt das Auto 12 V über das Hochspannungssystem und den DC-DC-Wandler nach. Das macht zum Beispiel Mercedes so, bei Kia und Hyundai gibt es zumindest eine Option, mit der Nutzerinnen und Nutzer dies anschalten können. Bei den meisten Autos steht einfach eine Warnung im Handbuch, dass das Auto nicht so lange ohne zwischendrin gestartet zu werden stehen soll. Im Handbuch finden Sie daher am einfachsten die Information, ob Ihr Auto im Hinblick auf 12 V intelligent konstruiert wurde.

"Alle 30 Tage spätestens anschalten" und Ähnliches bedeuten: Es gibt kein Nachladen von 12 V in Ruhe. Wenn ein E-Auto über lange Zeiträume nicht gefahren wird, können Sie wie bei Verbrennern gleich das Erhaltungsladegerät dranhängen. Eine Tiefentladung schädigt nämlich Akkus irreversibel – egal, ob Blei oder Lithium. Zwar lässt sich der Akku bei einer Tiefentladung normalerweise retten, aber er wird signifikant kürzer leben danach.

12-V-Ladegerät mit Erhaltungsfunktion und Stecker-Herausführung der Polanschlüsse zum einfacheren Nachladen, hier Pro Charger von Louis: auch für herumstehende E-Autos interessant.

(Bild: Clemens Gleich)

Was also tun, wenn das Auto sich tot stellt? Dasselbe wie beim Verbrenner: Versorgen Sie das 12-V-System extern mit Strom. Die Pol-Zugänge legen viele Hersteller im Bewusstsein um das Problem gut zugänglich (sehr oft hinter einer Plastikblende im Frunk), Tesla-Fahrer müssen etwas schrauben. Anders als beim Verbrennungsmotor benötigen Sie allerdings kaum Strom zum Start – nämlich nur so viel, dass das BMS das Hochvoltsystem starten kann, das dann über den DC-DC-Wandler die Steuergeräte versorgt und die 12-V-Batterie lädt. Für diese Versorgungsleistung muss beim Versorgerfahrzeug kein Motor am Generator laufen, ja: Es reicht meistens eine Motorradbatterie oder sogar ein 12-V-Ladegerät mit ausreichender Leistung.

Sie sehen den Frunk des Ford Mustang Mach-e, eines in vielerlei Hinsicht vorbildlichen Autos. Rechts im Bild mit Plus und Minus markiert: die Blende, unter der Sie bei Problemen die Polzugänge der 12-V-Batterie finden.

(Bild: Clemens Gleich)

Der DC-DC-Spannungswandler übernimmt, wie eingangs beschrieben, im Elektroauto in etwa den Part, den beim Hubkolbenmotor der Generator spielt. Normalerweise erhält der DC-DC-Wandler jedoch eine gute Portion mehr Leistung als ein Generator in einem vergleichbar großen Auto. Damit bleibt Raum, die wegfallende Abwärme des Verbrenners elektrisch zu kompensieren. Obwohl die Hauptheizung vom Hochvoltsystem versorgt wird, ziehen Sitz-, Scheiben- und Lenkradheizungen ihre Leistungen von der 12-V-Seite. Außerdem muss im E-Auto jede Umwälzpumpe elektrisch betrieben werden, wo beim Verbrenner motornahe Peripherie gern direkt mechanisch vom Motor mitgedreht wird.

Obwohl hier im Text stets "12 V" steht, um Verwirrung zu vermeiden, liefert der Wandler natürlich die jeweils zu Anforderungen und Akku passende Spannung (bei AGM-Batterien also bis 14,8 V). "12 V" beschreibt daher zum Beispiel einen Bereich von 6 bis 17 V (etwa bei einem Gerät von Hella), den das Gerät liefern kann. Bei entsprechenden Steuergeräten an Bord kommt ein zweiter Niederspannungsabzweig mit 48 V hinzu, der typischerweise von unter 30 V bis über 60 V mit Spannung versorgt werden kann. DC-DC-Wandler in E-Autos haben je nach Größe zwischen 1,5 kW und 3,5 kW Leistung und werden deshalb flüssig gekühlt.

Einsatzgebiet für Bidirektionalität im Wandler: Solardachleistung in die Hochvoltbatterie einspeisen, im Bild beim Hyundai Ioniq 5 (Test).

(Bild: Hyundai)

Ein interessanter Aspekt: Viele DC-DC-Wandler können Energie in beide Richtungen umwandeln, sind also bidirektional. Angesichts der enormen Unterschiede zwischen den Kapazitäten Niedervolt- zu Hochvoltbatterie gibt es hier nur wenige sinnvolle Anwendungen. Man könnte damit einen tiefentladenen Hochvoltakku ohne Werkzeug sanft wieder zum Leben erwecken. Eher esoterisch. Ein Leser verweist auf eine Patentanmeldung: Man könnte über das 12-V-Netz den Filterkondensator laden und so das Vorladeschütz sparen. Eine Anwendung fällt jedoch sofort ins Auge: Ein bidirektionaler Spannungswandler kann die geringen Leistungen von PV-Panels an der Karosserie im 12-V-Netz messen und den Strom bei Sonnenschein in die Traktionsbatterie dröppeln.

(cgl)