Hyundai Ioniq 5 im Test: Schnell geladen, unter idealen Bedingungen

Während der VW ID.4 mit 125 kW lädt, erreicht der Ioniq 5 bis zu 220 kW. Mit Routenplaner und Vorkonditionierung hätte man aber mehr von dieser hohen Leistung.

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Der Hyundai Ioniq 5 deklassiert den VW ID.4 beim Laden: Auf dem Papier kann der Hyundai an DC-Säulen, also mit Gleichstrom, bis zu 220 kW ziehen. Beim VW sind es derzeit maximal 125 kW. Mag der Energiegehalt der Batterie des Ioniq 5 mit 72,6 kWh auch ein paar Prozent kleiner sein als beim VW ID.4 mit 77 kWh, wer schneller lädt, fährt früher weg. Für viele Interessenten ist das Rennen an dieser Stelle beendet: Der Hyundai muss es sein. Im Praxistest zeigte sich aber, dass der Ioniq 5 das Versprechen der hohen Ladeleistung nicht vollständig einhalten konnte. Außerdem wird er dem Ruf der überragenden Effizienz, den der Ur-Ioniq erarbeitet hat, nicht gerecht.

Die große Stärke des Hyundai Ioniq 5 ist das üppige Raumangebot für die Menschen in Kombination mit einem hohen Geräuschkomfort. Hier sitzen auch Personen über 1,90 Meter Körpergröße bequem. Und auch jene, die sich in kleinen Fahrzeugen durch zu wenig Innenbreite eingezwängt fühlen, genießen im Ioniq 5 eine hohe Bewegungsfreiheit. Die messbaren Zentimeter werden unterstützt durch einen eher schlank gebauten Armaturenträger und durch eine Mittelkonsole, die nur angedeutet ist: Der Fußraum ist im vorderen Bereich durchgehend.

Bei Bedarf kann über die serienmäßig verschiebbare Rückbank das Kofferraumvolumen vergrößert werden. Ohne Bose-Soundsystem beträgt es 527 Liter und wächst auf bis zu 1587 Liter an, wenn mit umgeklappten Sitzen bis unters Dach gepackt wird (ID.4: 543 / 1575 l).

Dazu addiert sich im Fall des Testwagens, der mit Heck- statt Allradantrieb ausgerüstet war, ein größeres Fach unter der vorderen Haube: Das "Frunk"-Volumen ("Front Trunk" ) liegt bei der Variante mit Heckantrieb bei 57 statt 24 Litern bei der Allradvariante. Selbst der größere Frunk ist mit dem langen dreiphasigen AC-Ladekabel (also für den Wechselstrom zum Beispiel an der heimischen Wallbox) beinahe ausgefüllt. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass es bei Verschmutzung separat liegt. Die Schwäche ist, dass die vordere Haube erst über einen Hebel im Fußraum und dann über den üblichen Hebel unter der Haube entriegelt werden muss. Danach muss der dritte Öffnungshebel für die Plastikabdeckung des Fachs betätigt werden. Bei Tesla geht das einfacher.

Nach dem Start grüßt der Hyundai Ioniq 5 mit allerlei "Bing-Bing". Das Interieur ist in technisch-grauen Tönen gehalten. Die Verarbeitungsqualität ist hoch. Die Materialauswahl erinnert jedoch in einigen Punkten wie den in billigem Silbergrau lackiert Köpfen der Bedienhebel an den VW ID.3.

Gestartet wird anders als bei Tesla und VW – dort reicht es, den Fuß aufs Bremspedal zu stellen – über einen Druckknopf. Nach dem Einlegen der Fahrstufe gleitet der Ioniq 5 davon. Das gesetzlich vorgeschriebene künstliche Außengeräusch ist dankenswerterweise innen kaum hörbar. Der Hyundai hat ordentlich Druck. Obwohl der Testwagen mit Heckantrieb vermeintlich geringe 160 kW Leistung hat (Allradversion: 225 kW), sprintet er subjektiv munter. Die Werksangabe für den Standardspurt liegt bei 7,4 Sekunden. Das ist eine gute Sekunde weniger als beim vergleichbaren VW ID.4, der wiederum gefühlt ausgesprochen behäbig beschleunigt.

Hyundai Ioniq 5 (6 Bilder)

Beim Hyundai Ioniq 5 können die Kunden aus zwei Batteriegrößen (58 und 72,6 kWh Nettokapazität) wählen. Beide Speicher sind jeweils mit Heck- oder Allradantrieb kombinierbar. Der Testwagen hatte die 72,6 kWh-Batterie und Heckantrieb. Der Basispreis vor Förderung beträgt 41.900 Euro. Für die große Batterie sind 3200 Euro fällig (Motorleistung 160 kW); mit Allradantrieb sind es stattdessen 7000 Euro (225 kW). Der Testwagen hatte außerdem das Techniq-Paket für 8500 Euro, das unter anderem eine Innensteckdose umfasst.
(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Der langweilige Eindruck des ID.4 liegt unter anderem daran, dass der VW eine perfekte Schlupfregelung hat. Er bewegt sich maximal unspektakulär. Ob gewollt oder nicht, genau diese Antriebsregelung fehlt dem Hyundai Ioniq 5. Was auf trockener Straße gerade noch als sportlich durchgehen mag, führt bei feuchter Fahrbahn und engen Kurven schon bei mittlerem Krafteinsatz zu einem ordentlichen Heckschwenk. Das wird vom wachen Fahrer und im Zweifel vom ESP problemlos wieder begradigt. Dennoch: Das ist ein Familienauto und kein Porsche Taycan. Bitte nachbessern.

Bei der Fahrwerksabstimmung wirkt der Hyundai Ioniq 5 ohnehin etwas unentschlossen. Einerseits weich und in Kurven wankend, auf Querfugen aber stößig und mit agil ausgelegtem Heckantrieb, das ist in sich weniger harmonisch als der stoische und sichere Komfort des konkurrierenden VWs. Letztlich ist der Hyundai ein starker Gleiter, und so sollte man ihn auch behandeln. Laufen lassen, genießen, und wenn es sein muss, reicht ein kurzer Stromstoß für fast alle Überholmanöver.

Die Lenkung bietet eine angemessene Rückmeldung, und trotz der riesigen Außenbreite von 1,89 Meter ohne Spiegel (mit sind es 2,12 m) ist das Dirigieren in der Stadt simpel. Ein Abstrich ist der Wendekreis, der mit knapp zwölf Metern weit über dem ID.4 (10,2 Meter) liegt und das Einparken oder Wenden erschwert. Das ist der Preis für den Radstand von drei Metern.

Aufladen von Elektroautos

Der lange Radstand in Verbindung mit den kurzen Karosserieüberhängen kaschiert geschickt, dass der Hyundai Ioniq 5 ein ziemlich großes Auto ist. Erst auf dem Parkplatz fällt beim Blick auf andere Fahrzeuge auf, was für ein Brummer hier unterwegs ist. Das Design polarisiert: Einigen gefällt es offenbar sehr gut, was durch erhobene Daumen signalisiert wird. Andere äußern ungefragt, dass die Form ihnen nicht zusagt.

Leider muss auch bei gemäßigter und moderater Fahrweise festgestellt werden, dass der Stromverbrauch hoch ist. Das ist wenig verwunderlich, weil der Ioniq 5 breit und hoch und schwer und stark ist. Im Mischbetrieb über 748 km lag der Energiekonsum bei 22,3 kWh / 100 km, woraus 326 km Reichweite resultieren. Inklusive Ladeverlusten – das ist der Wert, den der Halter bezahlen muss – stieg der Wert auf 24,8 kWh / 100 km (WLTP-Angabe: 16,8 kWh). Zum Vergleich: Ein im August gefahrener VW ID.4 nahm 18,6 kWh ohne und 20,1 kWh / 100 km mit Ladeverlusten aus der Batterie. Die deutliche Differenz bei ähnlicher Strecke ist nicht allein durch die frühherbstlichen Bedingungen erklärbar, mit denen der Ioniq 5 konfrontiert war. Offenbar ist der Hyundai weniger effizient.

Den Stromverbrauch unter 20 kWh zu drücken, gelang auf einer zurückhaltenden Bundesstraßen-Etappe mit dem ständigen Wechsel aus Tempolimits von 100 km/h, 70 km/h und niedersächsischen Ortsdurchfahrten: Hier zeigte das Display 17 kWh / 100 km an. Im Stadtverkehr waren es bei fließendem Verkehr, trockenem Asphalt und 16 Grad Außentemperatur 20,1 kWh. Ein Wert, der an einem kalten Morgen und kurzer Strecke auf gut 30 kWh anstieg.

Auf der Autobahn lag das Mittel mehrerer Messungen und Richtgeschwindigkeit (Tachoanzeige dabei 133 km/h) bei 26,7 kWh, was 272 km Reichweite entspricht. An einem Tag mit Gegenwind und Regen stieg diese 130 km/h-Zahl auf 30 kWh an, und auf der direkt folgenden Etappe mit auf 160 km/h gesetzten Tempomat-Geschwindigkeit sogar auf 40 kWh. Es wäre also nach 180 km Schluss. Das dürfte vor allem jene Kunden irritieren, die sich nicht mit batterieelektrischen Autos auskennen und bei der WLTP-Reichweite von 481 km erheblich mehr erwarten.

Was dem Hyundai Ioniq 5 am meisten fehlt, ist ein Routenplaner nach dem Vorbild von Tesla und hier speziell die Vorkonditionierung der Batterie für die Ladestopps. Das Navigationssystem des Ioniq zeigt zwar an, wenn das Ziel außerhalb der Reichweite liegt. Die Ladepunkte müssen anschließend händisch als Wegpunkte in die Strecke integriert werden. Immerhin ist es möglich, einen Filter zu Netzwerken wie zum Beispiel HPC oder Ionity zu setzen. Auch der funktionierte im Test nicht immer, wie er soll; so wurden in Hamburg beim Filtern nach DC- auch sämtliche AC-Säulen angezeigt.

Nach einer Nacht mit zehn Grad, also keineswegs winterlich, war außerdem die volle Ladeleistung nicht abrufbar. Zugegeben, es ist eine Provokation, nach 35 km Autobahnfahrt und mit einem Batteriestand (abgekürzt SOC für State of Charge) von 41 Prozent an eine Schnelllade-Säule zu kommen. Nach zehn Minuten und einer mittleren Ladeleistung von nur 58 kW wurde der Test abgebrochen; es hätten in der Spitze über 200 kW sein sollen. Bei der gleichen Prüfung konnte ein Audi e-tron GT bereits die volle Power abrufen, weil die Batterie dank des Routenplaners automatisch vorgeheizt wurde. Die Hardware dazu hat auch der Ioniq 5, und der Haken für den "Wintermodus" war gesetzt – nur die Software müsste von Hyundai ergänzt werden.

Auch beim zweiten DC-Stopp 100 Autobahn-Kilometer weiter, die mit bis zu 160 km/h gefahren wurden, war die volle Ladeleistung nicht abrufbar. Bei einem SOC von 18 Prozent lagen zunächst nur 113 kW an. Das Laden an sich heizt die Batterie auf, und man konnte im Cockpit zuschauen, wie sich die Leistung schrittweise hochackert: Bis zum SOC von 80 Prozent vergingen 24 Minuten und es wurden 52 kWh gebunkert.

Das bedeutet rechnerisch, dass die durchschnittliche(!) Ladeleistung bei 130 kW lag. Das ist erstklassig. Damit lädt der Ioniq 5 den ID.4 weiterhin in Grund und Boden. Mit einer Vorkonditionierung wäre aber noch mehr drin: Für den SOC-Hub von zehn auf 80 Prozent sollen laut Werksangabe eigentlich 18 Minuten vergehen, was mit 169 kW Ladeleistung nochmals 30 Prozent mehr entspricht. Hyundai kann auf Anfrage keine Auskunft dazu geben, ob und wann hier eine Änderung stattfindet. Man weist jedoch darauf hin, dass der Ioniq 5 prinzipiell OTA-fähig sei, also drahtlose Software-Updates erhalten könne.