Elektroauto Mercedes-Benz EQXX: Effizienz sticht

Seite 2: Verluste und Solarenergie

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Ein großer Vorteil höherer Effizienz: Es fällt weniger Abwärme an. Der EQXX kühlt seine Systeme über eine Platte im vorderen Unterbodenbereich. Sie leistet fast keinen Luftwiderstand. Erst, wenn durch hohe Leistungsanforderung oder (wohl häufiger) durch erhöhten Luftbedarf der Luft-Wärmepumpe zur Kabinenheizung mehr Volumenstrom nötig wird, öffnet ein Servo die Klappe zum großen Radiator in der Fahrzeugfront. Bei der Abfahrt in Sindelfingen zeigte das Thermometer zum Beispiel nur 3 °C an. Die Luft strömt dabei unten ein, durch den schrägen Radiator und aus den zwei Schächten der Fronthaube wieder aus.

Die Technik des EQXX (4 Bilder)

Die meiste Zeit reicht dem EQXX die Kühlung über die Bodenplatte, an der Fahrtwind vorbeiströmt.
(Bild: Mercedes-Benz)

Ein Optimierungspunkt, der in allen Fahrzeuggrößen etwas bringt: Verluste minimieren. Hier half die Konzernmarke "Mercedes AMG High Performance Powertrains" (HPP) mit Formel-1-Technik-Know-how. Heraus kam eine Effizienz des Antriebsstrangs inklusive Umrichter von 95 Prozent. Das ist ein Wert, den sonst gute Motoren OHNE Umrichter erreichen. HPP verarbeitete hierbei auch Erfahrungen aus dem (auslaufenden) Einsatz in der Formel E, bei dem Mercedes' "EQ"-Rennmotoren mittlerweile 98 Prozent Effizienz überschreiten.

Bei den niedrigen Verbräuchen des EQXX wird der Verbrauch des 12-V-Niedervoltnetzes interessant für Optimierungen. Hier tut der EQXX im Prinzip das, was schon der erste Nissan Leaf tat: Er speist das 12-V-Netz über ein Solarpanel auf dem Dach. Das winzige Teil des Leafs hielt nur die Starterbatterie auf Spannung, die 117 Zellen des EQXX versorgen dagegen das Niedervolt-Bordnetz selbst in Fahrt mit Strom, der schon einmal nicht aus der Hochvoltbatterie kommen muss. Über 1000 km Fahrt beim gemessenen Verbrauch kommen so immerhin 25 Extrakilometer heraus. Im Serienbau könnte ein Solarpanel zusätzlich im Stand über einen bidirektionalen DC-DC-Wandler die Traktionsbatterie laden, siehe Hyundai Ioniq 5.

Zu den 12-V-Verbrauchern zählen die zahlreichen leistungsfähigen Steuergeräte, die viele Dinge automatisch erledigen, die früher Reichweitenerfahrung auf dem Fahrersitz verlangten. Der EQXX war über lange Strecken mit dem adaptiven Tempomat unterwegs, der außer auf den Verkehr auch auf Verbrauchs-Parameter achtet. Zusätzlich zu den Automatismen geben die Systeme dem Menschen Tipps zu besseren Verbräuchen. Wir kennen das aus EQA bis EQS, wo es gut funktioniert. Auch das wird ein wichtiger Teil der Serienstrategie bleiben, weil es herstellungstechnisch günstig mehr Effizienz in die Flotte bringt.

Interessantes Detail: Der EQXX hat normale Spiegel, wenn auch etwas kleinere als üblich. Obwohl eine rückwärts schauende Kamera mit weniger Frontfläche auskommt, ist die Gesamtersparnis im Pkw-Bereich klein, weil die Kamerabildschirme Strom benötigen. Zusammen mit in vielen Bereichen eher fragwürdiger Performance von Kameraspiegeln lässt Mercedes sie dann gleich weg, selbst bei diesem Prototypen, bei dem fragwürdige Performance im Hinblick auf potenziell mehr PR durch Kameras ja durchaus eine Option gewesen wäre.

Der EQXX wurde im Hinblick auf Mercedes' Serienstrategie großer Autos gebaut. Deshalb kann er mit XL1 oder gar Aptera nicht mithalten. Ob überhaupt auch nur etwas in die Richtung Lightyear One von Mercedes kommt, ist angesichts der zu erwartenden Verkaufszahlen fraglich. Eher geht es darum, mehr Effizienz in grundsätzlich ineffiziente (aber lukrative) große Autos zu bauen. Der EQS SUV wurde gerade vorgestellt und zeigt, wohin die Reise geht: dahin, wo sie überall hingeht. Vielleicht gibt es irgendwann Raum für ein Serien-Effizienzfahrzeug unter dem Markennamen "Smart". Aktuell geht es dort jedoch mit 1820 kg Gewicht und SUV-Form des Smart #1 in die diametrale Richtung.

Bei der Demonstrationsfahrt des EQXX kam die Crew nach 12 Stunden und zwei Minuten (inklusive 30 Minuten Pause mit Fahrerwechsel und Nachladen der Begleitfahrzeuge) und 1008 Kilometern in Cassis an. Die Batterie zeigte noch 15 Prozent Ladung an. Das Team wäre damit noch etwa 140 Kilometer weit gekommen. Für mich zeigt der EQXX weniger, was in Sachen Verbrauch möglich wäre, denn das zeigen Volkswagen oder Aptera besser. Sondern welches Sparpotenzial selbst in größeren Autos noch liegt, was ja Mercedes' Anliegen war. Denn intelligente Optimierung kostet nur einmal Geld, nämlich beim Erdenken. Danach kann sie sowohl die Schwellenkosten als auch die Energiekosten signifikant senken. Da diese Kosten beim Kunden liegen, liegt es an uns, energiesparende Fahrzeuge zu bevorzugen. Die aktuelle Spirale großer Prestige-Fahrzeuge bedeutet: Es gibt leider wenig zum Bevorzugen. Große Chance für die nächste Generation des EQA, Mercedes ...

(cgl)