Elektroautos im Großversuch: Netzbelastung stabil, Ladeverhalten nicht

Welche Auswirkung hat es auf Stromnetze und Nutzer, wenn nur noch Elektroautos genutzt werden? Erkenntnisse eines Großversuchs aus Tamm zeigen zweierlei.

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Elektroautos

Von 58 installierten Ladepunkten wurden im Test maximal 13 gleichzeitig benutzt.

(Bild: Netze BW GmbH)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Anlage "Pura Vida" mit zahlreichen Wohnungen in Tamm nördlich von Ludwigsburg entspricht nicht gerade dem üblichen Standard in Deutschland. Der Komplex entstand 2012 als Passivhaus, ist also überdurchschnittlich gut gedämmt und baulich in einem hervorragenden Zustand. Geheizt wird mit einem Blockheizkraftwerk. Keine Frage, die Anlage gehört zum gehobenen Standard. Wer hier einzieht, egal ob nun als Mieter oder Eigentümer, dürfte überdurchschnittlich solvent sein. Es dürfte kein Zufall, dass die Netze BW GmbH den Versuch genau in eine solche Umgebung gepackt haben.

Im Sommer 2020 startete das Experiment, die komplette motorisierte Individualmobilität auf Elektroautos umzustellen – ohne jegliche Ausnahme. Die E-Fahrzeuge sollten auch für weite Fahrten genutzt werden. Herausbekommen wollte man nicht nur, ob das Netz der lokalen Mehrbelastung standhält, sondern auch, ob und wie sich das Nutzungsverhalten über die Zeit ändert. Was passiert, wenn alle gleichzeitig laden wollen? Bricht das Netz zusammen? Gibt es Einschränkungen, weil das E-Auto zum gewünschten Zeitpunkt sich nicht wie geplant nutzen lässt?

45 Elektroautos wurden für den Test bereitgestellt.

(Bild: Netze BW GmbH)

Für den Test wurden 45 VW e-Golf und BMW i3 angeschafft. Warum die Wahl ausgerechnet auf diese beiden, nicht mehr ganz taufrischen Modelle fiel, ist unbekannt. Für das Ergebnis des Tests ist das vermutlich auch nicht relevant. 58 Ladepunkten wurden für den Test in der Tiefgarage installiert, denn einige Bewohner hatten schon zuvor ein Elektroauto. Bei der Planung ging die Netze BW GmbH davon aus, dass maximal 30 von 58 Ladepunkten gleichzeitig genutzt werden. In der Praxis waren es nie mehr als 13, wie Projektleiter Ralph Holder im Interview mit der Stuttgarter Zeitung verriet. Maximal sei eine Leistung von 98 kW abgerufen worden.

Ein Lastmanagement hätte eingegriffen, wenn sehr viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden müssten. Dann wäre die Ladeleistung begrenzt worden, was im Alltag kaum auffällt. Im Schnitt schlossen die Nutzer die Autos zwischen 18 und 22 Uhr an, um sie am nächsten Morgen wieder vollumfänglich nutzen zu können. Ob der Speicher um 23 oder um 4 Uhr den gewünschten Ladestand erreicht, spielt in einem durchschnittlichen Nutzungsprofil keine Rolle.

Interessant ist, dass sich über die Testdauer von 16 Monaten auch das Ladeverhalten der Nutzer veränderte. Anfangs überwogen die Bedenken hinsichtlich der Reichweite, die Fahrer luden oft, brauchten aber nur wenig Energie je Ladung, sagt Holder. Später seien die Autos seltener aufgeladen worden. Zumindest diese Erfahrung teilen vermutlich viele Neu-Elektroauto-Nutzer: Anfangs machen Restreichweiten von weniger als 100 km womöglich unruhig. Mit der Zeit und dem Lerneffekt, wie zuverlässig diese Anzeigen sind und welche Einflüsse der Fahrer mit verschiedenen Eingriffsoptionen hat, wird die Nutzung entspannter.

Der Test fand in der Wohnanlage "Pura Vida" in Tamm statt und dauert 16 Monate.

Eine weitere Erkenntnis aus diesem Großversuch ist ebenso nicht neu. Sind gewisse Berührungsängste in Richtung E-Mobilität einmal abgebaut, steigt die Bereitschaft für einen dauerhaften Umstieg. So auch in Tamm: Die Eigentümergemeinschaft hat die Ladeinfrastruktur nach dem Test übernommen. Etliche Bewohner haben sich, nachdem die E-Autos zum Ende des Versuchs wieder abgegeben wurden, selbst eines zugelegt.

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(mfz)