Elektrisch auf dem Campingplatz: Die Energiewende bei Wohnmobilen

Seite 2: Warum es Stromer derzeit noch schwer haben

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Die Gasprüfung entfällt ebenso wie das Schleppen der Flaschen. Das Leergewicht sinkt etwas, wodurch die Zuladung steigt. Zusätzlich zur elektrischen Heizung ist eine Klimaanlage serienmäßig, was in Südeuropa ein Segen sein kann. Der Clou: Bei Knaus E.POWER kann die Stromstärke eingestellt werden, die am Stellplatz verfügbar ist. Sechs, zehn oder 16 Ampere. Der Wohnwagen priorisiert automatisch die Geräte. Wenn also gerade viel Strom fürs Kochen gebraucht wird, wird der Kühlschrank kurzzeitig abgestellt.

Wohnmobile (4 Bilder)

Bei den Wohnmobilen sind Kastenwagen zurzeit besonders beliebt, weil sie nicht teurer oder sogar günstiger sind als ein VW Bus, aber in großen Teilen den Komfort echter Wohnmobile bieten: Stehhöhe, Klo, Küche, Festbett. Ab rund 40.000 Euro geht es los. Das beliebteste Basisfahrzeug ist der Fiat Ducato, der baugleich mit dem Citroën Jumper im Bild ist.
(Bild: Pössl)

Der Haken: In Europa variiert der Strompreis sehr stark. Manchmal gibt es eine Flatrate, manchmal kostet die Kilowattstunde 60 Cent, teilweise auch deutlich mehr. Die fossilen Energieträger sind in vielen Fällen momentan einfach billiger. Weil Geld aber nicht immer die größte Rolle spielt – anders sind die eingangs erwähnten Absatzzahlen ohnehin nicht zu erklären – ziehen manche Kunden den Komfort vor. Wer noch mehr investieren möchte, lässt sich eine teure Lithium-Batterie einbauen und ein Solarpaneel installieren. Das dämpft die Kosten des externen Stroms. Allerdings muss dabei klar sein: Der so erzeugte Strom hat erhebliche Anlaufkosten. Batterie, Solarmodule, die nötige Elektronik und Installation verschlingen leicht eine vierstellige Summe.

Mega-Trend ist aber weder der Bulli-Van noch der Wohnwagen. Stattdessen werden die höchsten Stückzahlen bei Kastenwagen und Wohnmobilen auf Basis des Fiat Ducato erreicht. Fiat hat dieses Segment über Jahrzehnte etabliert. Das Unternehmen ist zu einem verlässlichen Zulieferer geworden. Zum Beispiel mit Fahrgestellen, auf denen ein teil- oder vollintegriertes Wohnmobil aufgebaut werden kann. Oder mit Kastenwagen, also vereinfacht gesagt den Transportern, deren Außenwände bestehen bleiben, deren Inneres aber mit Stehhöhe, Querbett (der Ducato ist die entscheidenden Zentimeter breiter als ein Mercedes Sprinter oder VW Crafter), Toilette, Sitzgruppe und Miniküche ausstaffiert ist. Besonders die Kastenwagen laufen den Bulli-artigen Vans den Rang ab, weil sie nicht teurer sind, aber mehr bieten. Allerdings gibt es zum Dieselmotor bisher nur auf dem Papier eine Alternative, und das liegt zuerst am Preis.

Formal und real kann jeder einen Fiat e-Ducato bestellen. Er ist mit 47 oder 79 kWh Energiegehalt zu haben. Bei einem e-Ducato im Format L2H2, also mit Stehhöhe innen, muss selbst bei weniger als 130 km/h auf der Autobahn locker mit 40 kWh/100 km gerechnet werden. Bei zurückhaltender Fahrweise könnten 200 km Reichweite drin sein. Insofern ist die große Batterie das Mindestmaß. Preis des teilverglasten e-Ducato mit ansonsten nacktem Laderaum sowie Auflastung auf 4,25 Tonnen: Ab 93.120 Euro.

Wohlgemerkt, der Campingausbau kommt obendrauf. Auch Selbstverständlichkeiten wie die Schnell-Ladefähigkeit mit nur 50 kW schlagen ins Kontor: 2200 Euro Aufpreis. Bedenkt man nun, dass fertige Camping-Kastenwagen auf Basis des Fiat Ducato mit Dieselmotor ab rund 40.000 Euro erhältlich sind, wird offensichtlich, dass sich absehbar kaum jemand für einen e-Ducato entscheiden wird. Der Unterschied bei Preis und Reichweite ist schlicht zu groß.

Ohnehin könnte bei so großen Fahrzeugen die Stunde der Brennstoffzelle schlagen. Auch hier aber sind Serienanwendungen selten: Hyundai wird den Van Staria, der so etwas Ähnliches ist wie ein VW T6 mit langem Radstand ist, ab 2023 mit brennstoffzellen-elektrischem Antrieb liefern. Renault macht das Gleiche mit dem Master, baut jedoch die Drucktanks aufs Dach, wodurch die Stehhöhe verloren geht – also auch keine Alternative. Der Multi-Marken-Van von Stellantis kommt mit einem Plug-in-Hybrid mit einer Kombination aus extern aufladbarer Batterie sowie Brennstoffzelle. Hier könnte ein interessantes Package entstanden sein. Preis und Verfügbarkeit werden im Lauf des Jahres bekannt.

So beschränkt sich die Lebenswirklichkeit der Energiewende beim Camping auf ein paar werksseitige Vans vom VW ID.Buzz über den Opel Zafira-e Life bis zum Mercedes EQV, bei denen der eigentliche Ausbau vorerst vom Besitzer nachgerüstet werden muss. Die professionellen Umbauer werden sicher bald nachziehen. Dem Beispiel von Knaus mit dem elektrischen Energiepaket werden mutmaßlich einige Wettbewerber folgen. Für die Übergangszeit hilft es vielleicht, dem norwegischen Youtuber Björn Nyland nachzueifern: Er hat es sich zum Sport gemacht, Elektroautos nicht nur zu testen, sondern auch in deren Kofferraum mit umgeklappten Rücksitzen zu übernachten. Ein Tesla Model 3 (Test) im Camp Mode bietet auch am Nordkap Wärme und Wetterschutz. Nur Bequemlichkeit, eine Küche und ein Klo sucht man vergebens.

(mfz)