Jobs in der Autoindustrie: UI/UX Designer

Was macht ein UI/UX-Designer bei Audi? Wie unterscheiden sich UI und UX und wie die Arbeiten dazu? Jens Granitza stellt einen faszinierenden Job vor.

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(Bild: Audi)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Die Autoindustrie und auch ihre Zulieferer befinden sich mitten in einem disruptiven Wandel. Allein schon der Wechsel vom Verbrennungs- auf den Elektromotor wird eine der Schlüsselindustrien fundamental verändern, auch und gerade in der Arbeitswelt. Zahlreiche Jobs werden entfallen, gleichzeitig neue entstehen und viele sich verändern. In einem Themenschwerpunkt wollen wir Arbeitsplätze in der Autoindustrie und ihren Zulieferern beleuchten, die es vor ein paar Jahren in dieser Form noch nicht gab, aber in den nächsten zehn Jahren an Bedeutung zunehmen werden. Firmen werden sich, noch stärker als aktuell schon, auf die Suche nach entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern machen. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt dürften exzellent sein.

Audi hat sich seit jeher um eine perfekte Positionierung bemüht – darum, wie die Kunden die Produktwelt erleben. Die Gesamtheit des Erlebnisses fasst der Bereich User Experience (UX, Nutzererlebnis) zusammen. UX besteht also aus Markenempfinden, dem von Markt und Gesellschaft jeweils vorgegebenen Kontext, der optischen und haptischen Anmutung von Oberflächen, der Ergonomie und den Nutzerschnittstellen (User Interface, UI) der Fahrzeugsysteme. In diesem Bereich arbeitet Jens Granitza, der über die spannenden Details seines Jobs erzählt.

In einem einfachen Satz, als würde man es der Oma sagen: Was ist der Kern des Jobs?

Im UX Design arbeiten wir daran, ein perfektes Nutzererlebnis zu erzeugen. Dazu entwickeln wir Technologien und überprüfen unsere Ideen an Prototypen. Es ist eine Tätigkeit abseits des Scheinwerferlichts, denn im besten Fall funktioniert alles. Zur Erklärung meines Jobprofils verwende ich gern eine Analogie: Wenn man bei Freunden zu Gast ist zum Fußball schauen, sagt vielleicht jemand: "Mach doch schon einmal den Fernseher an." Ok, denkt man sich, das ist einfach. Dann geht man ins Wohnzimmer und es liegen fünf Fernbedienungen mit jeweils 30 Knöpfen auf dem Tisch. Aber nur einer dieser 150 Knöpfe führt mich zum gewünschten Ergebnis. Was ist also meine Aufgabe? Als UI/UX Designer will ich die Nutzung im Auto möglichst so gestalten, dass sie sich natürlich anführt und wo immer möglich selbsterklärend bleibt.

Arbeitsplätze in der Autoindustrie auf heise Jobs

Was sind die typischen Aufgaben darin?

Wir wollen Funktionen bündeln: Zusammengehörende Bedienungen sollten nahe beieinander liegen. Der Blinker etwa war immer links neben dem Lenkrad. Dort sucht man ihn also. Deshalb ist die Zielgruppenrecherche bei uns so wichtig: Was wollen User und warum? Wir suchen nach Lösungen, die zu Markt und Kultur passen, aber auch zu uns als Marke. Bei Audi soll die Bedienung präzise sein, gleichzeitig aber flexibel und intermodal über Sprache, Gesten, Touch und Knöpfe. Ich kann Prozesse etwa mit Sprache anfangen und dann auf dem Touchscreen weiterführen, wie es etwa häufig bei der Zieleingabe passiert. Die Wechsel zwischen den Eingabemethoden erfolgen dabei für den User im besten Fall nahtlos.

Worin besteht die Besonderheit des Jobs?

UX hat sehr viel mit Psychologie zu tun. Wir sehen ein breites Spektrum an Usern – vom Digital Native bis hin zu Menschen, die gar kein Handy verwenden. In diesem sehr heterogenen Feld orientieren wir uns an der Mehrheit, den 80 Prozent. Für diese Gruppe muss es sich elegant anfühlen. Ein Beispiel: Es haben sich mittlerweile über die Touch-Bedienung von Smart Devices Gewohnheiten entwickelt, wie etwa das Streichen (swipe). Diese Gewohnheiten müssen wir in unserer Touch-Bedienung berücksichtigen, damit sie sich wie gewohnt anfühlt.

Die Kabine des Audi Q6 e-tron will einerseits entsprechend edel wirken, andererseits muss sie reibungslos funktioneren.

(Bild: Audi)

Oft sieht sich die UX-Entwicklung mit dem Vorwurf konfrontiert: "Handys sind am Steuer verboten, aber diesen großen Touchscreen im Auto darf man bedienen." Hierbei wird die penible Arbeit übersehen, die wir in die Minimierung der Ablenkung unserer Systeme stecken. Das Augmented-Reality-Headup-Display im neuen Audi Q6 e-tron etwa sorgt dafür, dass der Blick stets auf der Straße bleibt, während die wichtigsten Infos als Overlay über der Straße schweben. Die Touch-Bedienung auf dem MMI Display ist so angelegt, dass die wichtigsten Funktionen gleich auf der ersten Ebene liegen. Und das MMI-Beifahrerdisplay im Q6 e-tron kann einen Film zeigen, den Fahrer und Beifahrer im Stand gemeinsam schauen können. Während der Fahrt hingegen aktiviert das Display den Privacy Mode, so dass der Fahrer nicht abgelenkt wird. Es gibt also große Unterschiede zwischen dem Smartphone und der Bedienung im Auto, die sich auch in den rechtlichen Vorgaben spiegeln.

Was bedeutet die Stelle im Konzern?

In den vergangenen zehn Jahren ist UX durch die zunehmende Vernetzung immer wichtiger geworden. Wir erstellen unsere User Stories früh, fragen uns: Welche Lösung ist nützlich? Ist das Nutzererlebnis gut? Dabei muss man sich selbst zurückstellen. Wenn jemand sagt "ich finde ...", dann kommen selten belastbare Argumente, sondern eigene Wünsche. Es geht aber nicht um uns. Es geht um unsere Kundinnen und Kunden.

Wie sind Sie in diesen Job gekommen?

Als Kind habe ich mir einmal ein Spielzeugauto aussuchen dürfen. Es war ein Audi TT der ersten Generation. Der stand lange bei mir im Regal. 2014, nach meinem Studium in Motion Design, sah ich den damals neuen TT. Ich überlegte mir sogar, ob ich den kaufen könnte. Das Auto hatte das "Virtual Cockpit", also die Tachoeinheit als Bildschirm. Das hat mich als Videospiel-Fan fasziniert, da musste ich alles darüber lesen. Schließlich nahm ich das Pressebild des Virtual Cockpits, zeichnete meine eigenen Designs hinein, erstellte die passenden Animationen dazu und bewarb mich damit bei Audi. Sie haben mich eingestellt. Manchmal denke ich noch an das Spielzeugauto im Regal.

Spannende Jobs in der Autoindustrie

Welche Ausbildung(en) brauchen Leute, die sich für den Job interessieren?

Man muss UX und UI trennen. Das Kundenerlebnis beginnt, bevor ich im Auto sitze. Wenn Sie etwa die Ladeplanung vor der Fahrt auf dem Smartphone vornehmen, oder im Web-Interface am PC, dann soll überall die gleiche Markenpräsenz fühlbar sein. Dazu kommt die Emotionalität, die Beleuchtung und die Integration mit dem Markenerleben. UX hat also erst einmal nichts mit Design zu tun, sondern mit dem Verständnis von Psychologie und Empfinden. Bei UI dagegen muss man Grundlagen der Ästhetik gelernt und verstanden haben und zudem firm im Umgang mit den typischen Tools sein, unter anderem Blender oder Photoshop.

Welche Interessen sollte man haben, um den Job motiviert machen zu können?

Dazu gehört auf jeden Fall eine Begeisterung für das Auto, ja für die Mobilität als Ganzes. Man sollte Technik-Design lieben und Smart Devices kennen, weil die User sie eben täglich benutzen.

Vervollständigen Sie den Satz für Interessierte an diesem Job: "Um hier einen Platz zu finden, brauchst du ..."

... ein geschultes Auge für progressives Design, innovative Ideen für die Zukunft, den Willen, Audis Claim "Vorsprung durch Technik" mit Leben zu erfüllen und den Anspruch, das Produkt stetig zu verbessern. Außerdem hilft Durchhaltevermögen. Die Zyklen im Autobau sind lang. Bis du der Öffentlichkeit etwas präsentieren kannst, vergehen Jahre. Und wenn du es zeigen kannst, wirkt das Ergebnis selbstverständlich: weil einfach alles funktioniert.

(cgl)