Benelli Leoncino 800 Trail: Italo-Diva aus China?

Leoncino ist italienisch für "kleiner Löwe". Doch die Benelli Leoncino 800 Trail gehört mit knapp 800 ccm längst zu den erwachsenen Motorrädern.

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Mit begrenztem Federweg ist die Leoncino 800 Trail eher auf der gemäßigten Seite, ihre 234 kg Gewicht machen ihr das Leben im Gelände nicht gerade einfach.

(Bild: Benelli)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

China-Bike oder Italo-Diva? Auf die Benelli Leoncino 800 Trail trifft kurioserweise beides zu. Die mittlerweile ehrwürdige 111 Jahre alte Marke aus Italien gehört seit 2008 zum chinesischen QJ-Konzern, wo die Benellis auch vom Band rollen. Doch die neuen Inhaber waren klug genug, das Entwicklungszentrum in Pesaro an der Adria zu belassen, so treffen die Benellis immer noch den europäischen Geschmack. Wie erfolgreich, zeigt die Benelli TRK 502: Die Mittelklasse-Reiseenduro ist seit zwei Jahren das meistverkaufte Motorrad in Italien. Auch das Naked Bike mit Retro-Einschlag Leoncino 500 kann beachtliche Verkaufszahlen vorweisen und bekommt jetzt gleich zwei größere Modelle zur Seite gestellt.

Das Naked Bike Leoncino 800 und der Scrambler Leoncino 800 Trail bilden zurzeit die hubraumstärksten Bikes im Benelli-Programm, wobei die Trail rein optisch mehr hermacht. Sie schafft den Spagat zwischen Retro und Moderne. Der schwarze Gitterrohrrahmen, der übereinander angeordnete Doppelrohrauspuff, die kleine Lampenmaske und die geriffelte Sitzbank verströmen einen gewissen nostalgischen Flair, während die 50 mm dicke Upside-down-Gabel, die LED-Beleuchtung rundum, der breite Kühler und der eher kantige Tank eindeutig den Bezug zur Gegenwart herstellen.

Als Antrieb dient ein Zweizylinder mit 754 cm3 Hubraum, abgeleitet aus dem 137 PS starken Dreizylinder der Benelli TnT 1130 von 2004, deren wildes Design damals für kontroverse Meinungen sorgte. Mit einem Zylinder weniger, aber identischem Bohrung-Hub-Verhältnis von 88 x 62 mm, leistet er heute mit Euro-5-Norm immerhin noch 76 PS.

Benelli Leoncino 800 Trail (7 Bilder)

Der große kleine Löwe von Benelli ist ein Scrambler und heißt Leoncino 800 Trail.

Zur Haltbarkeit des Triebwerks können wir uns hier nicht äußern, denn das wird erst die Zukunft zeigen, aber zu den verwendeten Materialien können wir zumindest soviel sagen: Der Benelli-Motor besteht aus viel Stahl und wenig Aluminium, was das Gewicht auf stattliche 75 kg treibt. Hinzu addieren sich ein Stahlrahmen, auch wenn er den Motor als tragendes Element integriert, ein 15-Liter-Stahltank und die hübschen, außen eingespeichten Drahtspeichenrädern, die natürlich mehr wiegen als Gussfelgen. Das erklärt zum Teil das hohe Gewicht der Leoncino 800 Trail von 234 kg.

Die Benelli will ein Scrambler sein und kommt daher mit für Offroad-Verhältnisse eher moderaten 148 mm Federweg vorne und 140 mm hinten daher. Da hilft auch die üppig dimensionierte und nur in der Druckstufe einstellbare Upside-down-Gabel nicht, auf unbefestigten Pfaden dürfte sich die Leoncino 800 Trail wortwörtlich schwertun. Immerhin ist das Zentralfederbein in der Vorspannung und Zugstufe variabel.

Aber da nur die wenigsten Scrambler-Fahrer je den Asphalt verlassen, haben die Benelli-Entwickler wohl hauptsächlich den Straßeneinsatz im Visier gehabt. So verzichteten sie auf ein Vorderrad in 21 Zoll Größe und beließen es bei 19 Zoll, hinten dreht sich ein 17-Zöller. Entsprechend bekam die Leoncino 800 Trail Reifen in den Größen 120/70-19 und 170/60-17. Die aufgezogenen Pirelli Scorpion Rally STR haben sich bereits als sehr gute Reifen auf diversen Modellen bewiesen.

Mit einer Sitzhöhe von 850 mm dürfte die 800 Trail aber auch für Staturen unterhalb von 1,80 m infrage kommen und die Sitzbank sieht zumindest gut konturiert aus, auch wenn sie vorne hochgezogen ist und dem Fahrer ein paar Zentimeter nimmt, die er weiter nach vorne rutschen könnte, um mehr Gewicht auf das Vorderrad zu bringen.

Benelli Leoncino 800 Trail (8 Bilder)

Die Drahtspeichenfelgen – vorne in 19, hinten in 17 Zoll – sind außermittig eingespeicht.

Dafür hat der eigenwillig geformte Tank – rundlich, aber mit flachen Seiten – eine Riffelung an der sich wohl die Knie abstützen sollen. Sehr hübsch gestaltete Benelli den Tankdeckel. Die Seitenteile ziert eine 800 im Stil einer Startnummerntafel und darüber befindet sich ein erhabener Schriftzug "Leoncino". Auf den beiden radialen Vierkolben-Bremszangen vorne steht zwar Benelli, sie stammen aber von Brembo und wirken auf zwei 320-mm-Bremsscheiben im Wave-Design.

Der Lenker ist sehr hoch gekröpft, anscheinend wollten die Entwickler es dem Fahrer so bequem wie möglich machen. Auffallend ist, dass die Tasten rechts und links exakt gespiegelt sind. Im Cockpit kommt ein TFT-Display zum Einsatz. Die Infos sind schlicht, doch übersichtlich dargestellt. Warum aber der Drehzahlmesser zweimal abgebildet wird (einmal oben, einmal unten), bleibt das Geheimnis von Benelli. Ein echter Hingucker ist der kleine Löwe auf dem vorderen Schutzblech. Er hält damit eine Tradition aufrecht, die schon seit 1951 besteht, als die Figur das erste Mal die Leoncino 125 zierte.

Benelli bietet die Leoncino 800 Trail in Grün und in Silber an für 8299 Euro inklusive Nebenkosten. Im Vergleich zu mancher europäischen Konkurrentin ist das noch verhältnismäßig günstig, aber inzwischen weit weg von den Dumpingpreisen, durch die sich in China produzierte Motorräder früher auszeichneten. In Anbetracht der inzwischen durchaus ansehnlichen Qualität der Benellis geht der Preis absolut in Ordnung.