Mut zur Lücke: Elektro-Motorrad mit Radnabenmotor Sondors Metacycle

Das Leichtkraftrad in extravagantem Design mit viel Aluminium wiegt nur 90 kg, erreicht 129 km/h und soll ab 2022 für rund 5000 Euro auch hier erhältlich sein.

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Sondors Metacycle

(Bild: Sondors)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Ohne Verbrennungsmotor, Getriebe, Tank und Auspuff eröffnen Elektromotorräder den Designern völlig neue Perspektiven. Sondors, ein kalifornischer Elektrofahrrad-Hersteller mit Blick auf die Strandvillen zwischen Malibu und Santa Monica, hat nun mit der Metacycle ein Elektromotorrad auf die Räder gestellt, das durch ein riesiges Loch auffällt. Dort, wo bei Verbrennern Tank und die obere Hälfte des Motors sitzen, befindet sich an der Metacycle – nichts. Andere Elektromotorradhersteller wie etwa Zero bei der Zero SR ZF 14.4 (Test) versuchen an ihren Modellen verschämt zu kaschieren, dass sie elektrisch betrieben werden und imitieren einen Tank. Sondors hingegen macht aus dem Antrieb keinen Hehl, sondern kokettiert damit. Es erinnert damit ein bisschen an das mit 35.581 Euro unbegreiflich teure Elektromotorrad Novus One.

Um das Loch windet sich massives Aluminium, was Sondors in folgerichtiger Anlehnung an das Konzept des "Exoskeletts" als "Exo-Rahmen" bezeichnet. Er läuft in Richtung Heck in einen kurzen Ausleger aus, darauf befindet sich eine 65 Millimeter dick gepolsterte Sitzbank. Für die Soloausfahrt bietet sie reichlich Platz, doch wer die optionalen Soziusfußrasten montiert, muss engen Körperkontakt akzeptieren.

Erstaunlich klassisch fällt der große Rundscheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht aus, hinten ist ein schmales LED-Rücklicht in die Aluminiumstrebe integriert. Der Kennzeichenträger samt LED-Blinker ist an einem Ausleger von der Radnabe befestigt. Die Schwinge besteht ebenfalls aus Aluminium und trägt zum geringen Leergewicht bei: Die Metacycle soll nur 90 Kilogramm auf die Waage bringen.

Sondors Metacycle Teil 1 (7 Bilder)

Das Design der Metacycle von Sondors betont das Weglassen. Dort, wo sich sonst der Tank und die obere Hälfte des Verbrennungsmotors befinden, ist – nichts.

Somit dürfte klar sein, dass die fast würfelförmige Batterie nicht sonderlich viel wiegt und folgerichtig auch nicht viel Energie bunkern kann. Zu Recht argumentiert Sondors aber, dass 4 kWh für die allermeisten Einsätze völlig ausreichen, da der US-Bürger statistisch gesehen nur 26 Kilometer am Tag fährt. Die Metacycle soll bis zu 129 Kilometer Reichweite haben, würde also den Durchschnitt-Ami fünf Tage lang transportieren, ohne an die Steckdose zu müssen. Sie will sicher nicht als Reise- oder Rasemotorrad verstanden werden, sondern als schicker City-Flitzer, mit dem sich zur Arbeit pendeln oder zum Café cruisen lässt.

Wer es eilig hat, kann die Batterie auch mit wenigen Handgriffen wechseln. Dafür muss nur die zur besseren Kühlung durchlöcherte Abdeckung vor dem Akkufach per Schlüssel geöffnet werden. Allerdings verrät Sondors noch nicht, wie viel ein Ersatz-Akku kostet. Wer mehr Zeit zur Verfügung stehen hat, kann die Lithium-Ionen-Batterie ganz normal über das mitgelieferte 110-V-AC-Ladegerät am Stromnetz füllen. Ein leerer Akku braucht laut Sondors drei Stunden und 45 Minuten, um auf 100 Prozent zu laden, für 80 Prozent genügen zwei Stunden. Optional bietet der Hersteller auch ein Level-2-Ladegerät an, ohne jedoch nähere Angaben über dessen Kapazität bekannt zu geben.

Viele Elektromotorrad- und Elektroroller-Hersteller regeln ihre Modelle früh ab, um auf einigermaßen Reichweite zu kommen. Nicht so die Metacycle, sie erreicht laut Sondors 129 km/h Topspeed. Sie leistet nominal 8 kW (11 PS) und darf daher mit dem A1-Führerschein pilotiert werden. Kurzfristig liefert der Antrieb sogar 14,5 kW (20 PS) ab. Eindrucksvoller ist bei den Elektromotoren die Drehmomentangabe und da kann die Metacycle mit nominal 108 Nm glänzen, der Spitzenwert liegt bei 176 Nm. Weil in den allermeisten US-Bundesstaaten ein striktes Tempolimit von 104 oder 120 km/h besteht, dürften wohl die meisten Metacycle-Besitzer ihr Bike als völlig ausreichend motorisiert betrachten.

Angetrieben wird die Sondors von einem Radnabenmotor. Das erspart zwar die Kette oder den Zahnriemen für die Kraftübertragung zum Hinterrad, erhöht aber das Gewicht der hinteren Drahtspeichenfelge, was wiederum der Handlichkeit nicht gerade förderlich ist. Da wird auch der relativ kurze Radstand von 1320 Millimeter nur begrenzt Besserung bringen. Erstaunlicherweise ist die Metacyle, trotz ihres geringen Gewichts, mit einem Rückwärtsgang ausgestattet.

Sondors Metacycle Teil 2 (9 Bilder)

Der Elektroantrieb eröffnet den Designern völlig neue Perspektiven – wie diesen Durchblick.

Beim Fahrwerk setzt Sondors auf eine Upside-down-Gabel von WP vorne und ein teilweise einstellbares Feder-Dämpferbein hinten. Die Bremsen stammen von Bybre, einer indischen Tochterfirma von Brembo. Die Hinterradbremse lässt sich als Diebstahlschutz beim Parken dauerhaft arretieren, um das Wegschieben unmöglich zu machen. Bei der Bereifung – vorne in 110/70-17 und hinten in 150/60-17 – griff Sondors zum taiwanesischen Hersteller Kenda.

Mit 800 Millimeter bietet die Metacycle eine moderate Sitzhöhe an, die für die meisten Fahrer passen dürfte. Der breite Lenker verspricht eine entspannte Sitzhaltung. Im Cockpit versorgt ein Full-Color-Display den Piloten mit den wichtigsten Informationen. Außerdem überrascht Sondors mit einer netten Ausstattung: Zwischen Sitzbank und Lenker befindet sich ein Fach, das per Induktion das Smartphone aufladen kann. Erhältlich ist die Metacycle in den Farben Schwarz, Silber und Weiß, wobei nicht nur der Rahmen, sondern auch Batterie, Radnabenmotor, Schwinge, Felgen, Gabelbrücken und der knappe Vorderradkotflügel in der jeweiligen Farbe lackiert sind.

Jetzt kommt der vielleicht interessanteste Aspekt der Metacycle: Sondors bietet sie in den USA für 5000 US-Dollar an, umgerechnet zurzeit rund 4370 Euro. Auch wenn auf den Preis noch Steuern hinzukommen, ist die Metacycle für die gebotene Leistung und das außergewöhnliche Design ein durchaus attraktives Angebot. Sondors will die Metacycle 2022 auch in die EU exportieren. Auf den Preis kämen für die europäischen Kunden, laut der Sondors-Homepage, noch fünf Prozent Bearbeitungsgebühren, Zoll und Versandkosten hinzu sowie die jeweilige Mehrwertsteuer des Landes.

Käufer können die Metacycle gegen 100 US-Dollar Anzahlung reservieren. Wann die Kunden aber in den Genuss des E-Motorrads kommen, ist unklar, denn selbst in den USA ist es zurzeit nicht möglich, ein Exemplar für 2022 zu reservieren. Ob auch hier der weltweite Mangel an Halbleitern eine Rolle spielt oder die Auftragslage für die Produktion zu hoch ist, erklärt Sondors momentan nicht.

(fpi)