Online-Casino ohne Lizenz: Österreichische Spielerin muss Gewinn zurückzahlen​
Seite 4: OLG Braunschweig begeht dritten Weg
Wieder anders argumentieren seit 2023 das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Az. 9 U 3/22) und in dessen Windschatten mehrere andere OLG. Sie orientieren sich am BGH-Beschluss aus 2014 zur Schwarzarbeit, nicht aber an dessen Beschluss aus 2022 zur Nicht-Nichtigkeit. Will heißen: Sie stufen die Glücksspielverträge zwar als nichtig ein, klammern die Ausnahme von der Rückabwicklung aber nicht mehr kategorisch aus. Der beklagte Glücksspielanbieter kann sich also theoretisch darauf berufen, dass der Spieler sich strafbar gemacht und dadurch seinen Anspruch auf Rückerstattung verwirkt hat (Paragraph 817 BGB Satz 2).
Theoretisch. Praktisch verweist diese OLG-Gruppe auf Judikatur, wonach der unter Verweis auf das strafrechtlich verbotene Zocken geforderte Ausschluss der RĂĽckabwicklung nur dann wirkt, wenn der Spieler wusste, dass sein illegales Tun verboten ist, oder er sich zumindest leichtsinnig dieser Einsicht verschlossen hat. (Anderes gilt fĂĽr sittenwidriges Handeln, um das es hier nicht geht.)
Das OLG Braunschweig meint, dass "die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden" kann. Daher müsse ein Casino, das sich auf die Ausnahmebestimmung beruft, nachweisen, dass der Spieler das Verbot kannte (oder er sich leichtfertig der Information verschlossen hat). Dass der Spieler mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Pflicht akzeptiert hat, sich selbst über die Rechtslage zu informieren, dem aber nicht nachgekommen ist, sei keine solche Leichtfertigkeit.
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Diese Beweislast haben die Casinos in den der Redaktion bekannten Verfahren nicht erfĂĽllt. Damit griff der Ausschluss des Bereicherungsanspruches des Spielers doch nicht, und die GlĂĽcksspiel-Anbieter wurden von den OLGs erst recht wieder zur RĂĽckerstattung der Verluste an die jeweils klagenden Spieler verurteilt.
Zwei Juristen, drei Meinungen
Das OLG Hamm schließt sich dem an (Az. 21 U 116/21) und erwähnt zusätzlich eine in der Literatur geäußerte Meinung, wonach pathologische Spielsucht die Schuldfähigkeit des Spielers ausschließen könnte; ohne Schuld des Spielers kann sich das Casino nicht auf den Ausschluss der Rückabwicklung wegen strafbaren Verhaltens berufen. Das würde bedeuten, dass den Casinos auch der Nachweis der Unrechtskenntnis ihres Kunden nicht hülfe, wenn er nicht schuldfähig war. Das OLG sagt aber nicht, ob diese Rechtsmeinung zutreffend ist, und laut BGH-Judikatur vermindert Spielsucht nur in extremen Fällen die Schuldfähigkeit.
Knapper gefasst argumentiert das OLG Karlsruhe (Az. 14 U 256/21) wie das OLG Braunschweig und gewährt dem Spieler Wiedergutmachung. Das Internetcasino musste die Glücksspielverluste zurückzahlen. Die Richter weisen zusätzlich darauf hin, dass der Glücksspielanbieter selbst behaupte, sein Angebot sei legal gewesen. Dem sei zwar nicht so, doch wenn schon die Juristen des Casinos fälschlich von der Rechtmäßigkeit ausgehen, könne das Casino nicht annehmen, der Spieler hätte wissen müssen, dass seine Teilnahme am Glücksspiel Verhalten unrechtmäßig war. Mithin könne sich das Casino nicht auf die BGB-Bestimmung berufen, die nur greife, wenn sich der Spieler vorsätzlich strafbar gemacht hat.
Auch das OLG Bamberg urteilte für den klagenden Spieler (Az. 10 U 22/23 e), erkannte aber noch eine weitere Rechtsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch des Spielers: Wer schuldhaft ein Schutzgesetz verletzt, muss daraus entstandenen Schaden ersetzen (Paragraph  823 Absatz 2 BGB). Das Schutzgesetz ist dabei Paragraph 284 Absatz 1 Strafgesetzbuch, der die Veranstaltung von Glücksspiel ohne Lizenz unter Strafe stellt.
Einige andere OLG, beispielsweise Köln Ende 2023 (Az. 19 U 92/23), folgen jedoch weiterhin der Rechtsprechung des LG Gießen anno 2021. Diese Zusammenschau zeigt, dass viele Wege zum gleichen Ergebnis führen: Deutsche Spieler können ihre bei nicht lizenzierten Online-Casinos erlittenen Verluste häufig zurückfordern, aber nur innerhalb der Verjährungsfrist. Wie gesagt, die hier erörterten deutschen Urteile beziehen sich auf den alten Glücksspielvertrag, der Mitte 2021 ersetzt wurde; die juristischen Grundzüge können aber wohl weiterhin auf immer noch illegal agierende Online-Spielhöllen angewandt werden. Verlassen sollte man sich darauf keinesfalls, denn vielleicht überzeugt das LG Gießen ja mit seiner dogmatisch nachvollziehbareren 2023er-Judikatur erneut andere deutsche Richter.
Geringes Risiko auf RĂĽckzahlung illegaler Gewinne in Deutschland
Eine deutsche Entscheidung zur Rückerstattung ausgezahlter Gewinne durch den Spieler an ein illegales Casino ist der Redaktion nicht bekannt. Kein Wunder: Solch eine Klage seitens eines illegalen Online-Glücksspielanbieters dürfte geringe Chancen haben. Für neue Klagen nach der alten Glücksspielrechtslage ist es zu spät, weil solche Ansprüche in Deutschland verjährt sind; in jüngeren Fällen müssen die Casino-Betreiber wissen, dass sie ihre "Dienste" in Deutschland lizenzieren lassen können, während sie ohne deutsche Lizenz in Deutschland unzulässig agierten. Und damit hätten jetzt die Spieler die Einrede nach Paragraph 817 BGB Satz 2, weil das rückfordernde, illegale Online-Casino ja vorsätzlich strafrechtswidrig gehandelt hätte.
Bleibt die Frage: Macht die Aussicht auf Rückerstattung erlittener Verluste ohne Risiko einer Rückzahlungspflicht lukrierter Gewinne das illegale Online-Glücksspiel nicht erst recht attraktiv? Insofern hat die neue österreichische Entscheidung durchaus ihre Vorzüge.
(ds)