Vergaloppiert: Wasserstoff-Auto ohne Brennstoffzelle BMW Hydrogen 7

Dem Wasserstoff gehört die Zukunft. Wissenschaft, Industrie und Forschung wissen das seit Jahrzehnten. BMW wollte mit dem Hydrogen 7 der Zeit voraus sein.

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Mit dem BMW Hydrogen 7 sollte eine neue Ära beginnen. Dazu war das Thema "Wasserstoffmobilität" aber noch zu einfach gedacht.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel ist der sechste Teil einer Serie, in der es um spannende automobile Vorkämpfer geht, die drohen in Vergessenheit zu geraten. Denn meist war ihr Mut nicht von Erfolg gekrönt.

Teil 1: Der Blitz, den niemand wollte: Audi duo, erster Hybrid auf dem Markt

Teil 2: Nichts war Roger: General Motors erstes Elektroauto EV1

Teil 3: Das Gegenteil von Diesel: Volvo V60 Diesel-Plug-In-Hybrid

Teil 4: Applaus den Gründervätern: Mitsubishi i-MiEV, Peugeot iOn & Citroën C-Zero

Teil 5: Bastlerhit für Liebhaber: Tesla Roadster

Ein Zwölfzylindermotor sorgt immer für einen Wow-Effekt. Den wollte sich BMW natürlich nicht entgehen lassen und wählte deswegen den BMW 760i als Basis für das bislang vielleicht bekannteste Wasserstoff-Projekt der deutschen Automobilindustrie aus. Für die Bayern ging es um nicht weniger als "eine neue Ära der Mobilität", "Automobilgeschichte" und den "Eintritt in ein neues Zeitalter". Ära, Geschichte begannen 2006 mit der Präsentation und endeten mit der Einstellung 2012.

Zwei Dinge brachen dem BMW Hydrogen 7 das Genick. Zum einen fuhr die Luxuslimousine ohne Brennstoffzelle und zum anderen gab es (und gibt es bis heute) kein nennenswertes Netz an Wasserstofftankstellen. Den Verzicht auf die Brennstoffzelle dürfte BMW hinterher bereut haben. Der Hersteller erklärte lediglich, dass parallel auch an einer Brennstoffzellentechnik gearbeitet werde.

Der Grundgedanke war, einen konventionellen Verbrennungsmotor so umzubauen, dass er sowohl mit Wasserstoff als auch mit Benzin fahren konnte. So hätte der Wagen theoretisch sehr schnell in die Serienproduktion gehen können. Die Umbaumaßnahmen wären – sieht man von der Lagerung des Wasserstoffs ab – minimal gewesen.

Das größte Problem des Verbrennungsmotors bleibt damit aber erhalten: Sein verheerend schlechter Wirkungsgrad. Bei einem Brennstoffzellenauto wandelt die Brennstoffzelle den im Tank mitgeführten Wasserstoff in Energie um. Über eine Traktionsbatterie wird diese dann an den Elektromotor geschickt. Der Wirkungsgrad liegt bei etwa fünfzig Prozent. Ein Verbrennungsmotor – egal ob er Wasserstoff oder Benzin verheizt – ist etwa halb so effizient. Ein Elektroantrieb mit Batterie erreicht einen Wirkungsgrad von etwa neunzig Prozent. All diese Zahlen lassen die Vorgeschichte der Erzeugung der Fahrenergie außen vor.

Vor allem in der Mobilität hat Wasserstoff einen entscheidenden Nachteil. Die Lagerung ist kompliziert. Wasserstoff wird erst bei minus 253 Grad Celsius flüssig. Das funktionierte im BMW Hydrogen 7 durch eine aufwendige Isolation. Der Tank war doppelwandig gebaut. Zwischen den Wänden lagen eine Aluminium- und eine Glasfaserschicht und ein Vakuum. Letzteres, um die Wärmeübertragung durch die Luft zu verhindern.

BMW rechnete damals gerne vor, dass diese gerade einmal drei Zentimeter dicke Superisolation genauso gut isolieren würde wie eine 17 Meter dicke Styroporschicht. Kochend heißer Kaffee wäre erst nach 80 Tagen trinkbar. Bliebe er denn im Tank. Denn aus Sicherheitsgründen entleerte sich der Wasserstofftank nach einer gewissen Standzeit automatisch, um den Innendruck stabil zu halten. Ein halbvoller Tank wurde vom eingebauten "Boil-off-Management" nach neun Tagen kontrolliert entleert.

BMW Hydrogen 7 (4 Bilder)

Wasserstoff ist auf jeden Fall eine Zukunft, die auf uns zukommt. Auf den Hydrogen 7 trifft das jedoch nicht zu.

Hundert Stück der Limousine gingen an Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Guido Westerwelle (FDP) bekam einen, Plácido Domingo auch. Der Werbeeffekt war groß. Der Einfluss auf das Straßenbild eher klein.

Beim Thema Wasserstoffantrieb hat sich mittlerweile die Brennstoffzelle durchgesetzt. Auch müssen die Tanks nicht mehr wärmeisoliert werden, weil es jetzt brauchbare Hochdruckvarianten gibt. Die sind zwar technisch auch keine Banalität, aber eben ein Schritt in Richtung Massentauglichkeit. Und die muss sein. Denn im Mobilitätssektor scheint sich aktuell die Batterie durchzusetzen. Auch mittelfristig. Eine Studie des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan fand heraus, dass die jährliche Produktion von Wasserstoffautos im Jahr 2030 bei gerade einmal 500.000 Stück liegen werde. Da sind klassische batterieelektrische Autos weiter.

Doch für die Industrie scheint Wasserstoff eine geeignete Alternative sein. Vor allem als Energiespeicher. Einen Großteil der derzeit benötigten Energie aus Wind- oder Solarkraft zu gewinnen wäre problemlos möglich. Doch Sonne und Wind scheinen und blasen, wann sie wollen und nicht dann, wenn der Strombedarf besonders hoch ist. Entsprechend müsste die Energie bei Produktionsspitzen zwischengelagert werden. Wasserstoff wäre als Energieträger zumindest in der Theorie denkbar. In der Praxis ist die Erzeugung von Wasserstoff ziemlich energieaufwendig. Was nicht egal ist, denn so lange im Strommix ein Anteil konventioneller Energieträger steckt, kann man den Wirkungsgrad nicht einfach ausblenden.

So komplex die Lagerung von Wasserstoff auch sein mag, die Verwendung ist es nicht. Unsere Industrie basiert darauf, Kohlenwasserstoffe zu verbrennen. Selbst die Stahlindustrie könnte im Hochofen das Koks ersetzen.

Kommt der Strom aus regenerativen Quellen, wird Wasserstoff automatisch als Energieträger interessant. Aktuell wird der nämlich aus Erdgas gewonnen, weil seine lokal emissionsfreie Herstellung per Elektrolyse extrem energieaufwendig ist und sich aus Umweltsicht nicht lohnt. Die Autohersteller sind bereits einen Schritt weiter. BMW hat längst einen Wasserstoff-X5 parat. Den Hydrogen Next. Natürlich mit Brennstoffzelle. Theoretisch soll er 2022 an Kunden ausgeliefert werden können. Oder 2025.

(fpi)