Volkswagen: Umsatzverlust, Gewinnanstieg und Kritik vom Betriebsrat

Die anstehende Betriebsversammlung bei Volkswagen dürfte lebhaft werden. Denn der riesige Konzern ist mitten in einem gewaltigen Umbruch.

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(Bild: Pillau)

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Volkswagen-Chef Herbert Diess wird, anders als zunächst geplant, an der Betriebsversammlung Anfang November in Wolfsburg teilnehmen. Eine eigentlich für kommende Woche geplante Reise in die USA ist abgesagt, wie ein Unternehmenssprecher auf Anfrage bestätigte. Die neue Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo hatte zuvor das Fernbleiben des Konzernchefs von der Unternehmensversammlung öffentlich ungewöhnlich heftig kritisiert.

Konzernchef Diess werde am 4. November in Wolfsburg sein und sich den Fragen der Mitarbeiter stellen, sagte der Unternehmenssprecher. Eine für den Donnerstag (28. Oktober) geplante eigene Dialogveranstaltung sei kurzfristig abgesagt worden. Cavallo hatte die Absage und den eigenen Gesprächstermin zuvor mit deutlichen Worten kritisiert.

Im Mitarbeiterportal betonte Diess nach Angaben des Unternehmens, der Dialog mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei ihm "sehr wichtig, da vor uns gewaltige Aufgaben liegen, insbesondere an unserem Stammsitz in Wolfsburg". Um an der Betriebsversammlung physisch teilzunehmen, verschiebe er "die wichtige Reise" im Kernmarkt USA. Das geplante Dialogformat werde er später nachholen, ergänzte Diess.

Cavallo hatte in einem Statement kritisiert: "Herbert Diess zieht die Investoren an der Wall Street der eigenen Belegschaft vor." Dieses Verhalten sei in der Geschichte des Konzerns beispiellos und zeige, dass Diess selbst in dieser Krise weder Empathie noch Gespür für die Situation der Belegschaft habe. "Diese Provokation zeigt uns, dass Herr Dr. Diess weiterhin keinerlei Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit hat." Stattdessen schiebe der Vorstand eine Dialogveranstaltung "nach eigenem Drehbuch" in seinen Terminkalender. Cavallo hatte Diess zudem aufgefordert, den Finanzvorstand Arno Antlitz notfalls zu den Investoren in die USA zu schicken und der Belegschaft Rede und Antwort zu stehen.

Reise in die USA abgesagt: Herbert Diess, hier beim Surfen zwischen Autostadt und Kraftwerk, will sich der Kritik von Mitarbeitern und Betriebsrat stellen.

(Bild: Volkswagen)

Der Betriebsrat ist vor allem deshalb so alarmiert, weil das Volkswagen-Hauptwerk in Wolfsburg nicht ausgelastet ist. 2021 könnte hier so wenig produziert werden wie zuletzt Ende der 1950er-Jahre. Die Belegschaftsvertretung verlangt schon länger ein weiteres Elektromodell neben dem Projekt "Trinity", das ab 2026 kommen soll – später als zunächst geplant.

Unterdessen hinterlassen die umfangreichen Produktionsstopps wegen des Chipmangels deutliche Spuren. So geht das Unternehmen wegen des jüngsten Einbruchs der Verkäufe nun nicht mehr davon aus, im Gesamtjahr spürbar mehr Fahrzeuge auszuliefern als in dem von Corona-Lockdowns stark belasteten schwachen Vorjahr, wie Volkswagen in Wolfsburg mitteilte.

Auch in den Finanzzahlen des dritten Quartals zeigten sich die Engpässe. Der Umsatz ging um 4,1 Prozent auf 56,9 Milliarden Euro zurück. Das um Sondereinflüsse bereinigte operative Ergebnis fiel um 12,1 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro. Auf Konzernebene schnitt Volkswagen damit aber besser ab als von Experten zuvor gedacht und bestätigte das Renditeziel.

Unter dem Strich stand überraschend ein Gewinnanstieg: Das Ergebnis nach Steuern legte um 5,6 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro zu. Dabei spielten Veränderungen im Finanz- und Beteiligungsergebnis sowie bei den Steuern eine Rolle. Die Gruppe mit dem Namen Volumen und den Marken VW-Pkw, Seat und Skoda fuhr operative Verluste ein. "Die Ergebnisse des dritten Quartals zeigen einmal mehr, dass wir die Verbesserung der Produktivität im Volumenbereich jetzt konsequent vorantreiben müssen", mahnte Vorstandschef Herbert Diess weitere Einsparungen an.

Im dritten Quartal schlugen unter anderem die Spätfolgen der Pandemie gehörig ins Kontor. Volkswagen lieferte nur 1,97 Millionen Fahrzeuge aus und damit rund ein Viertel weniger als vor einem Jahr. Nach neun Monaten liegt der Konzern nur noch 6,9 Prozent über dem schwachen Vorjahreszeitraum. Problem sind vor allem die fehlenden Elektronikchips, deren Mangel sich wegen Lockdown-Unterbrechungen einiger asiatischer Chipfertiger noch verschärft hatte.

Vor allem wird spannend, für wie lange sich der Vorstand um Herbert Diess noch auf diese Lieferengpässe einstellt und wie sehr die steigenden Rohstoff- und Frachtkosten ins Gewicht fallen. So war zwar absehbar, dass die Situation in der zweiten Jahreshälfte schwieriger wird. Sie sollte sich im vierten Quartal 2021 aber auch wieder aufhellen. Einkaufschef Murat Aksel ging zuletzt von einer Belastung durch gestiegene Rohstoffpreise im unteren dreistelligen Millionenbereich aus.

Allerdings kommt dem Konzern schon seit geraumer Zeit ein für ihn günstiges Preisumfeld zugute. So ziehen Neu- und Gebrauchtwagenpreise mit der hohen Nachfrage bei begrenztem Angebot und langen Lieferzeiten deutlich an, was Volkswagen in die Karten spielt. Finanzchef Arno Antlitz hob die eigenen Prognosen für die operative Umsatzrendite in diesem Jahr schon zweimal an, derzeit liegt die Maßgabe für die Marge des operativen Ergebnisses bei 6 bis 7,5 Prozent.

Besondere Aufmerksamkeit dürfte weiter auch der Elektrohochlauf des Konzerns auf sich ziehen, vor allem in China. VW-Vertriebsmanager Christian Dahlheim hatte das Ziel von einer Million elektrifizierter Autos weltweit ausgerufen. Analysten gehen davon aus, dass davon 600.000 reine Elektroautos (BEV) sein sollten. In China will der Konzern bislang 80.000 bis 100.000 ID-Modelle verkaufen. Im dritten Quartal nahm Volkswagen zwar Tempo auf bei diesen Zielen, knapp dürfte das Rennen aber dennoch werden.

Finanzexperten halten die Lage trotz des schwachen Abschneidens bei den Auslieferungen noch für beherrschbar. RBC-Analyst Tom Narayan hielt es nach den Auslieferungszahlen für das dritte Quartal für möglich, dass VW es noch schafft, in diesem Jahr 600.000 Elektroautos und zusätzlich 400.000 Plug-in-Hybride zu verkaufen, um wie geplant auf insgesamt eine Million elektrifizierte Fahrzeuge in diesem Jahr zu kommen. China sei mit dem Verkaufserfolg im abgelaufenen Jahresviertel wieder in der Spur. Audi und Porsche verwiesen dem Fachmann zufolge Konkurrent Tesla im Premiumbereich (Model S und Model X) auf die Plätze.

NordLB-Analyst Frank Schwope wertete den Auslieferungseinbruch insgesamt als alarmierend, dürfte er sich doch in den kommenden Monaten fortsetzen. Getreu dem Motto "Porsche statt Polo" die vorhandenen Chips in die höherwertigen Modelle einzusetzen und damit auch die Preise nach oben zu treiben. Das würden die Autohersteller im zweiten Halbjahr kaum wie bisher fortsetzen können. Für die batterieelektrischen Auslieferungen rechnet er beim Volkswagen-Konzern 2021 mit 400.000 bis 500.000 Stück.

(mfz)