Klartext Formel Äh: Woran die Formel E krankt

Seite 2: Gewinner auswürfeln in der Formel E

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Mercedes bekräftigte zum Ausstieg aus der Formel E das Engagement in der Formel 1. Man kann jetzt lange darüber streiten, wie viel Prestige der Motorsport einer Luxusautofirma überhaupt bringt, doch eines ist, denke ich, klar: 1 bringt mehr als E, sowohl absolut als auch pro eingesetztem Euro. Auf dem aktuellen Niveau könnte man auch mit kompletten Einheitswagen fahren, an denen die Teams nur Setup und Reifen entscheiden. Bleibt als Pluspunkt der Formel E nur noch, dass sie in die Städte kommt, aber das heißt eben: Enge Kurse, auf denen ohne Krücken wie mit der über seltsame Regeln freischaltbaren Leistung kaum überholt werden kann.

Jetzt hat die Formel E die dritte Generation ihrer Einheitswagen vorgestellt. Sie haben mehr Leistung und Allrad-Rekuperation, aber die Energiemenge blieb wie gesagt eben gleich. Das Chassis wurde etwas schmaler, weil die Crashes auf engen Kursen ein Merkmal der Formel E sind, das alle Teilnehmenden sicher gern in der Prominenz reduzieren möchten. Die merkwürdigen Regeln bleiben weitgehend gleich. Das heißt wahrscheinlich auch, dass Artefakte wie in Valencia 2021 wieder auftreten könnten.

In Valencia rollte die Hälfte des Feldes ohne Energie über die Ziellinie, weil die zahlreichen Safety-Car-Phasen so viel Energie abzogen. Diesen Energieabzug von 1 kWh pro Minute hinter dem Safety Car führte der Veranstalter ein, weil das Energiesparen hinter dem Safety Car vorher zu "Vollstromrennen" geführt hatte, bei denen die Fahrer mit plötzlich ausreichend Energie das Restrennen so schnell fuhren, wie sie konnten.

Die Formel E in Monaco (2022): Traditionsstrecke, dazu passende Autos, besser wird es nicht.

(Bild: Mercedes-Benz)

Das klingt super, allerdings konnte dann keiner mehr überholen. Reglement und Spannung sind immer schwierig auszubalancieren, siehe die Formel 1. Doch ich wage die Aussage, dass die Formel E sich in ihrem barocken Wust von Regeln und technischen Beschränkungen in etwas versteigt, das motorsportlich schlicht langweilig ist. Was wollen wir sehen? Die schnellste Technik, die schnellsten Fahrer, die schnellsten Rundenzeiten, einen spannenden Kampf um die Weltmeisterschaft, mit Helden, ohne das schale Gefühl, dass jemand nur durch eine Regelformalität gewinnt. Sparsamkeits- und Gleichmäßigkeits-Rallyes hatten stets ihren Raum, und stets war er vor allem klein. Zu kompliziert. Ein Sprintrennen versteht jeder Mensch: Wer am schnellsten war, gewinnt. Wer in der Formel E zu schnell fährt, verliert. Gähn.

Mercedes' Ausstieg stellt die Frage: Wieso stiegen die Autohersteller überhaupt in die Serie ein? Meine ganz persönliche These: Ein Formel-E-Einsatz eignete sich vor einigen Jahren noch hervorragend zum "virtue signaling", also zum Betonen der eigenen Tugendhaftigkeit. Es gab wenige Elektroautos in den Seriensortimenten, ein Einsatz in der Formel E zeigte zumindest ein Engagement in die Technik, solange die kaufbaren Produkte auf sich warten ließen. Bei manchen Personen funktionierte das. Jede Reduktion im Verbrenner-befeuerten Motorsport zugunsten eines Engagements in der Formel E wurde von der Empöreria auf Twitter beklatscht, als bringe sie die Welt irgendwie weiter.

Die Hersteller stellten jedoch bald fest, dass die Twitter-Empöreria kaum Motorsport anguckt. Sie hat für sowas keine Zeit, sie muss sich schlaue Sprüche zum Unrecht in der Gesellschaft ausdenken, während sie sich den Stream aus 50:50 Weltuntergang und Wichtigtuerei hinter die Hirnrinde gießt. Und dann fielen ja doch langsam die fertigen Elektroautos von den Bändern, sodass es unnötig wurde, darüber hinaus etwas zu signalisieren.

Es blieb das Motorsportliche. Da konnte man sich engagieren, die Serie von innen verbessern wollen und irgendwann merken, dass es ein bisschen doof ist, wenn das wichtigste Teil (die Batterie) ein Einheitsteil ist. Man stelle sich vor, die Formel 1 hätte einen Einheitsmotor. Selbst zentrale Einheitsteile sind ja nicht an sich problematisch. Die MotoE fährt ihre Motorradrennen auf komplett gleichen Fahrzeugen (heute Energica, morgen Ducati), und dort wird ständig überholt. Zugegebenermaßen sind sechs Runden sehr kurze Rennen, aber immerhin kommt dabei eine gute Pace zustande. Das ist dann halt Team-Rennsport, kein Hersteller-Rennsport. Geht auch. Also, prinzipiell meine ich. Die MotoE zieht jetzt nicht wirklich Zuschauermassen an.

Ich habe bewusst nicht die Antriebstechnik als Problem genannt, weil ich der Ansicht bin, dass sie irrelevant ist für guten Sport. Wir sind im MX-Sport bald so weit, dass elektrische Crosser technische Vorteile gegenüber Benzinern haben werden (siehe Modelle wie die Stark Varg). Sobald das passiert, werden die Teams sofort umsteigen – Förderung unnötig, Tugendhaftigkeitsignale unnötig, Zwang unnötig. Es zählt nur die Performance.

Vielleicht gibt es sogar eine spannende Übergangszeit, in der Benziner gegen E-Crosser antreten. Wie cool wäre das? Seelige Erinnerungen an Rennen aus der Frühzeit des Autos werden wach, als Dampfautos gegen Benziner antraten. E-Antriebe eignen sich natürlich zum Rennsport. Alles, was sich bewegt, eignet sich, sagt der erweiterte Rennsportbegriff.

Ich schiebe den Schwarzen Peter zu den Veranstaltern von Formel E und MotoE, die sich in "irgendwas mit Umwelt" als #1-Prio verrannten. Umwelt kann beim Motorsport schlicht nicht das zentrale Thema sein, das ist das Pferd vom Hintern aus aufgezäumt, oder besser: von noch weiter weg, von den Pferdeäpfeln. Wenn es über deine Rennserie als erstes zu sagen gibt, wie umweltfreundlich das ist, dann bestätigt sich meist der daraus resultierende Gedanke: Na dann kann der Rest nur egal sein.

Andersrum ist es richtig: gutes Racing, zukunftsgerecht umgesetzt. Natürlich geht das, siehe aktuelle Rennserien mit CO2-neutralen Treibstoffen. Natürlich geht das elektrisch – wenn dein Thema spannender Motorsport ist und nicht "guck mal, wie nachhaltig wir sind!". Wie abstrus das anhand einer Formel-Rennserie rüberkommt, fiel den Veranstaltern in ihrer Erstweltsicht offenbar gar nicht auf.

Prototyp des Autos, das unter verschiedenen Hersteller-Karosserieformen in der DTM Electric fahren soll: 880 kW, 1280 Nm, je nach Aero bis 340 km/h schnell. Akku auch nur 64 kWh, aber die DTM denkt an ein flottes Wechselsystem beim Boxenstopp. Das könnte interessant werden.

(Bild: Schaeffler)

Ich glaube, das Langweilige der Formel E ist hausgemacht, aus den von Anfang an falsch gesetzten Prioritäten der Veranstalter. Was könnte man besser machen? Alle der bemängelten Punkte (ich fände Loopings immer noch gut). Ich glaube aber, der Veranstalter ist recht zufrieden damit, wie das für ihn monetär lief bisher. Er wird mit dem Konzept noch Geld machen, solange das geht und dann weitersehen. Prognose: Ob das für uns spannender wird, ist ihm nur insofern wichtig, wie es über Team-Engagements Geld bringt.

Es regt sich nicht nur bei mir der Verdacht, dass in den Veranstalterbüros der Formel E zu wenig Herzblut-Motorsportler sitzen. Hoffen wir, dass die DTM Electric besser gelingt. Gerhard Berger hat explizit die Formel E genannt als "so-schon-mal-nicht"-Benchmark für das Projekt. Und ganz am Ende sollten wir das Wichtigste im Blick behalten: Motorsport als Unterhaltung hat in den vergangenen 20 Jahren stetig an Bedeutung verloren. Dass dann eine besonders langweilige Variante nicht brummt, muss uns folglich nicht wundern.

(cgl)