Kommentar: Höhere Benzinpreise und soziale Gerechtigkeit lassen sich verbinden

Andreas Scheuer will den Spritpreis deckeln. Damit spielt er Klima und soziale Gerechtigkeit gegeneinander aus. Dabei wäre das gar nicht nötig.

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(Bild: Literator/Shutterstock.com)

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Bundesautoverkehrsminister Andreas Scheuer hat wieder zugeschlagen: Er forderte gegenüber Bild TV, dass der Staat bei Spritpreisen ab zwei Euro eingreifen solle – etwa durch "Maßnahmen bei Steuer- oder Pendlerpauschale". CSU-Chef Markus Söder fordert ebenfalls eine Erhöhung der Pendlerpauschale. Ähnlich äußerte sich auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

Das ist wieder so ein Klassiker der Großen Koalition: Der eine Partner steht auf der Bremse, der andere gibt Gas. Die Kohlendioxid-Steuer haben alle Koalitionsparteien gemeinsam beschlossen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, den Autoverkehr zu reduzieren, indem er teurer gemacht wird. Genau dieser Sachverhalt scheint Scheuer jetzt zu überraschen.

Wenig überraschend ist es hingegen, dass die Union immer genau dann ihr soziales Herz entdeckt, wenn es ihr argumentativ in den Kram passt. Dabei spielt sie ohne Not zwei Themen gegeneinander aus, die sich nicht notwendigerweise widersprechen: Klima und Gerechtigkeit.

Tatsächlich belastet ein höherer CO2-Preis offenbar vor allem einkommensschwache Haushalte, wie aus einer Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbands hervorgeht. Aber eine Erhöhung der Pendlerpauschale ist genau der falsche Weg, daran etwas zu ändern. "Die ungleiche Entlastungswirkung zwischen den Einkommensgruppen liegt den Autoren der Studie zufolge vor allem an der Pendlerpauschale, von der Mehrverdiener wegen des höheren Grenzsteuersatzes stärker profitieren würden", heißt es in der Meldung zur Studie.

Selbst wenn es statt einer Steuererleichterung eine festen, einkommensunabhängigen Betrag pro Kilometer gäbe, wäre das sozial immer noch unausgewogen, denn dies würde arme wie wohlhabende Pendler gleichermaßen begünstigen. Zudem würde auch dies jegliche Lenkungswirkung sabotieren.

Der zentrale Denkfehler dahinter ist die Vorstellung, man müsse Verteuerungen in einem Segment durch Erleichterungen im gleichen Segment kompensieren. Dabei ist das gar nicht notwendig. Wenn man wirklich die soziale Gerechtigkeit verbessern will, gibt es viel geeignetere Hebel – etwa beim Wohngeld, bei der Einkommenssteuer, den Rentenbeiträgen. Diese lassen sich viel gezielter auf die wirklich Bedürftigen einstellen, als wenn man etwa pauschal sämtliche Autofahrer als bedürftig klassifiziert, nur weil die Spritpreise eine bestimmte Schwelle überschreiten. Eine ähnliche Logik gilt auch für die Strompreise.

Solch eine Verschiebung der Belastung könnte auch Vorteile in anderen Bereichen mit sich bringen. Wegen der hohen Arbeitskosten und der niedrigen Rohstoffpreise ist es beispielsweise oft günstiger, Kleidung oder Elektrogeräte wegzuwerfen und neu zu kaufen, als sie zu reparieren oder wenigstens vernünftig zu recyceln. Wenn die Politik nun Rohstoffe durch eine entsprechende Besteuerung teurer macht und Arbeit im Gegenzug billiger, würde das nicht nur Ressourcen schonen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen. Im Grunde sind die Berge von Elektroschrott also auch eine indirekte Folge davon, dass die falschen Dinge finanziell belastet werden. Diesen Fehler sollte man bei Mobilität und Energie nicht wiederholen. (grh)