CO2-Flottenemissionen 2022: Autohersteller erfüllen Ziele

Hersteller haben den Flottengrenzwert unterboten. Der Erfolg liegt unter anderem an der Umrechnung vom NEFZ in den WLTP. Elektrifizierung besorgt den Rest.

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BMW XM

Plug-in-Hybride bringen im Flottenverbrauch einen großen Vorteil, denn die Verbrauchsangabe im Zyklus liegt meist unter 50 Gramm CO₂ pro Kilometer. Im WLTP liegt dieser BMW XM bei 32 bis 35 g CO₂/km.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Der International Council on Clean Transportation (ICCT) hat die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der 2022 neu zugelassenen Pkw veröffentlicht: Die Autoindustrie hat das gesetzliche Limit um rund zehn Prozent unterboten. Strafzahlungen sind also nicht fällig. Es sieht so aus, als wäre es eine leichte Übung, den CO₂-Flottengrenzwert umzusetzen – noch.

Jedem im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), also den EU-Staaten, Norwegen, Island und Liechtenstein, verkauften Pkw ist ein individueller CO₂-Wert zugeordnet. Der Zahlenwert ist unter anderem in der Zulassungsbescheinigung I (früher: Fahrzeugschein) unter Position V.7 zu finden. Für jeden Hersteller ergibt sich daraus ein Mittelwert der tatsächlich zugelassenen Pkw. Der Zielwert für 2021 lag bei 95 Gramm pro Kilometer, diente allerdings nur als Richtwert. Verkauft ein Hersteller besonders viele schwere Fahrzeuge, kann der spezifische CO₂-Grenzwert für ihn etwas höher liegen.

Dieser Wert und die dazugehörigen Strafandrohungen gelten auch für jedes Folgejahr; pro Gramm Überschreitung und pro verkauftem Pkw müssen theoretisch 95 Euro bezahlt werden. Überschreitet ein Hersteller seinen spezifischen Grenzwert also beispielsweise um 5 Gramm, werden pro in diesem Jahr verkauften Auto 475 Euro fällig. Gerade für Massenhersteller geht es hier also rasch um etliche Millionen in der Bilanz.

Dass 2025 eine Absenkung des CO₂-Flottengrenzwerts erfolgt, ist eine Sache. Viel wichtiger für die Menschen und die Industrie im Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass die Vorgabe ab 1. Januar 2035 bei null Gramm liegt. In knapp zwölf Jahren dürfen also faktisch nur noch Autos zugelassen werden, die batterie- oder brennstoffzellen-elektrisch angetrieben werden. Formal sind auch mit Wasserstoff betriebene Verbrennungsmotoren möglich.

Die Autoindustrie hat den CO₂-Flottengrenzwert von 119 g CO₂/km mit 107 g CO₂/km um etwa zehn Prozent unterboten. Wer sich noch an das Limit von 95 g CO₂/km erinnert, hat recht. Nur dass diese Vorgabe im NEFZ galt und nun in den WLTP umgerechnet wurde. Außerdem gibt es drei Gramm Nachlass – also 98 g CO₂/km im NEFZ – weil die Pkw schwerer als das ursprünglich prognostizierte Durchschnittsgewicht waren.

(Bild: ICCT)

Zurück ins Jahr 2022: Die Vorgabe von 95 g CO₂/km gilt weiterhin. Ab diesem Punkt beginnen die Aufweichungen. Dieses Limit bezieht sich nämlich auf den abgeschafften Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Für das gültige Verfahren WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) gibt es einen Umrechnungsfaktor. Hinzu kommt, dass die Pkw 2022 schwerer waren als das ursprünglich avisierte, durchschnittliche Gewicht. Der Zielwert im NEFZ wird darum auf 98 g CO₂/km korrigiert. Rechnet man diesen Wert in den WLTP um, ergeben sich 119 g CO₂/km als Limit.

Die Industrie hat es geschafft, 108 g CO₂/km zu erreichen. Hierin enthalten sind auch batterieelektrische Autos, die mit null Gramm in die Bilanz eingehen und letztmalig im sogenannten Supercredit mit dem Faktor 1,33 berücksichtigt wurden. Aus dieser viel kritisierten Regelung ergibt sich allerdings nur ein zusätzlicher Vorteil von 0,1 g CO₂/km. Ein etwas größerer Nachlass von 1,1 g CO₂ /km resultiert aus den "Eco Innovations". Das sind technische Maßnahmen, die nachweisbar die Kohlendioxidemissionen reduzieren, aber nicht im WLTP erfasst werden.

Der Joker bei der Berechnung der CO₂-Bilanz sind batterieelektrische Autos, die mit null Gramm berechnet werden, und Plug-in-Hybride, die im Regelfall unter 50 g CO₂/km liegen. Auffällig ist der unterschiedlich hohe prozentuale Anteil dieser Antriebe bei den jeweiligen Marken.

(Bild: ICCT)

So kommt es zum gesetzlich relevanten Endergebnis von 107 g CO₂/km, was etwa zehn Prozent unter der Vorgabe von 119 g CO₂/km nach WLTP ist. Dass die CO₂-Flottenemissionen so deutlich gesunken sind, liegt vor allem an den steigenden Absatzzahlen von Elektroautos und Plug-in-Hybriden. Erstere gehen wie erwähnt mit null Gramm in die Bilanz ein, und die PHEV liegen im Regelfall unter 50 g CO₂/km. Nur der Vollständigkeit halber: Das hat selbstverständlich in beiden Fällen nichts mit realen Verbrauchswerten oder daraus resultierenden Emissionen zu tun, denn auch Strom hat immer einen CO₂-Eintrag. Mal ganz abgesehen davon hält derzeit niemand nach, mit welchem Fahrenergiemix Plug-in-Hybride im Alltag tatsächlich genutzt werden. Technisch wäre das seit der Euro 6d-ISC-FCM problemlos möglich.

Lässt man Tesla außen vor, wo sämtliche Autos elektrisch fahren und seit Jahren ein erlaubter CO₂-Pool mit Honda praktiziert wird, ergibt sich eine nur auf den ersten Blick erstaunliche Reihenfolge beim Verkauf von BEV und PHEV. Auf Platz 1 liegen Volvo und Polestar. Aus dem Geely-Konzern waren 29 Prozent der neu zugelassenen Pkw Elektroautos und 33 Prozent Plug-in-Hybride. Im Premiumsegment ist es kein Problem, den Ballast von CO₂-intensiven Autos mit Verbrennungsmotor durch hochpreisige, elektrifizierte Modelle zu kompensieren. Zum Vergleich: Der Durchschnitt aller Marken liegt bei 13 Prozent BEV und 10 Prozent PHEV.

Vereinfacht gesagt gilt: Je teurer das Portfolio, desto mehr Elektroautos werden verkauft. Der Geely-Konzern mit den Marken Volvo und Polestar (Foto) brachte 29 Prozent BEV und 33 Prozent PHEV auf die Straße. Hochpreisige Elektroautos kompensieren so den überhöhten CO₂-Ausstoß der Verbrenner im Luxussegment.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Bei Volkswagen, wo gerne über den Modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) geredet wird, war die Verbreitung von BEV mit 13 Prozent und PHEV mit zehn Prozent eher gering. Volkswagen bildet übrigens einen Pool mit dem chinesischen Hersteller SAIC, der in Deutschland durch die Marke MG bekannt ist. Vereinfacht formuliert gilt das, was Volvo und Polestar vormachen: Hersteller mit teuren Autos verkaufen prozentual erheblich mehr Elektroautos und Plug-in-Hybride. Sie können dafür mehr Geld verlangen als zum Beispiel Stellantis mit Marken wie Fiat, Peugeot oder Opel. Die selbsternannten Premiumanbieter kompensieren so den relativ hohen CO₂-Ausstoß luxuriöser Fahrzeuge.

Das fast traditionelle Schlusslicht beim Anteil der BEV und PHEV bildet Toyota im Bilanzpool mit Subaru und Mazda: Ein beziehungsweise vier Prozent entfallen auf diese elektrifizierten Antriebe. Dass man trotzdem nicht das geringste Problem hat, die CO₂-Grenzwerte zu unterbieten, liegt an den Hybridantrieben von Toyota. Deren CO₂-Werte liegen deutlich unter den konventionellen Verbrennungsmotoren.

Die Ausnahme von der Regel bleibt Toyota. Die Hybridantriebe sind auch ohne Ladestecker so CO₂-arm, dass sie alle Grenzwerte unterbieten. Mit den kommenden Verschärfungen wird das aber nicht mehr ausreichen: Der größte Autokonzern der Welt ist gezwungen, ebenfalls immer mehr Elektroautos zu verkaufen.

(Bild: Toyota)

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Jahr 2022 noch von CO₂-Regeln geprägt wurde, die vergleichsweise lasch waren. Es sollte sich aber niemand einer Illusion hingeben: Der Beschluss der Europäischen Union, ab 2035 ausschließlich lokal CO₂-freie Pkw neu zuzulassen, wird trotz des aktuellen Widerstandes ziemlich sicher umgesetzt. Die Industrie ist gefordert, den Hochlauf der Batterieproduktion und der dazugehörigen Lieferketten zu organisieren. Besonders schwierig wird das für die Hersteller von preisgünstigen Autos. Die große Zahl der EU-Bürger ist nicht in der Lage, für zum Beispiel einen VW ID.3 einen Basispreis von knapp 40.000 Euro und mehr zu bezahlen. Diese Kunden, die von Autos wie dem Peugeot 208 oder dem VW Golf (Test) kommen, brauchen ein erheblich günstigeres Angebot, das dauerhaft genug Reichweite bietet.

(mfz)