VW Golf 1.5 TSI im Test: Bestseller auf Mutkurs
Bei VW ist vieles gerade im Umbruch. Im Test zeigt sich, dass VW an einigen Stellen im Golf Mut beweist - nicht immer zum Vorteil des Kunden.
(Bild: Pillau)
So ein VW Golf schien fĂŒr viele KĂ€ufer stets eine ziemlich verlĂ€ssliche Angelegenheit. Der konservativste Ausleger der Kompaktklasse hat eine treue KĂ€uferschaft, auf die er ĂŒber Jahrzehnte bauen konnte. Die achte Auflage steht unter vielfĂ€ltigem Druck, extern wie intern. Im Test sollte ein Golf 1.5 TSI mit 96 kW (130 PS) zeigen, was VW ihm zur Verteidigung seiner Spitzenposition mit auf den Weg gegeben hat. So viel sei vorab verraten: An drei Stellen waren die Verantwortlichen ĂŒberraschend mutig.
Videos by heise
Rein Ă€uĂerlich ging VW wie erwartet behutsam vor. Es gab aus Sicht des Konzerns keine Notwendigkeit, an die Gestaltung der erfolgreichen HĂŒlle eine Axt anzulegen. Die ZuwĂ€chse sind maĂvoll, so legte der neue Golf gegenĂŒber seinem VorgĂ€nger um rund zwei Zentimeter in der LĂ€nge zu. Mit 4,28 Metern gehört er inzwischen zu den kurzen Modellen in diesem Segment. Ein Mazda 3 (Test) etwa ist fast 20 cm lĂ€nger als ein Golf, ohne nennenswert mehr Platz zu bieten. Die VerkehrsflĂ€che nutzt VW spĂŒrbar besser. Andererseits: Mehr Raum fĂŒr Mensch und Beiwerk bietet der Neue nicht. Seiâs drum, was gestern noch genug war, muss heute nicht zwangslĂ€ufig zu wenig sein.
Kalkulierte Zumutung
Verlassen konnte man sich im Golf bisher ziemlich zuverlĂ€ssig darauf, dass die grundlegende Bedienung schnell zu erfassen ist. Nicht alles in der langen Golf-Geschichte war dabei perfekt gelöst, man denke nur an den Lichtschalter im Golf 2 oder die absurd tiefergelegte Steuerung von LĂŒftung und Radio im Golf 4. In der achten Auflage wagt VW aber einen radikalen Schritt, der gröĂer ist als alle bisherigen â zumindest auf den ersten Blick. Wer das groĂe Infotainmentpaket bestellt, sollte sich darĂŒber klar sein, dass es ohne Bereitschaft sich einzuarbeiten schwierig werden könnte. VW hat die Bedienung fast aller Funktionen auf einen BerĂŒhrungsbildschirm gelegt. Das hat Freunde wie Feinde. Was VW sich hier traut, ist nicht weniger als eine kalkulierte Zumutung.
VW Golf 1.5 TSI im Test (30 Bilder)

(Bild: Florian Pillau)
Denn zugutehalten darf man VW zunĂ€chst, dass sie die MenĂŒstruktur auf dem Bildschirm in der Mitte ziemlich ĂŒbersichtlich gestaltet haben. Es gibt drei Hauptebenen, die logisch sortiert sind. Die Programmierer haben darauf verzichtet, alles tief zu verĂ€steln, was den tĂ€glichen Umgang erleichtert. Fraglos kann man das sehr viel umstĂ€ndlicher gestalten als VW das getan hat. Sensationell einfach lĂ€sst sich auch das Kombiinstrument konfigurieren â mit einem Kreuz, einer BestĂ€tigungstaste und einer Taste fĂŒr das grundsĂ€tzliche Layout. Das ist vorbildlich gelöst und findet in dieser Form hoffentlich Nachahmer.
Furche blockiert
Doch ein bisschen Arbeit bleibt noch, denn nicht alles an diesem Bedienkonzept ist so gelungen. Wer zwischen den Ansichten auf dem Bildschirm in der Mitte wechseln will, kommt ab und zu mit der Furche davor in einen Konflikt. Ăber diesen âSliderâ getauften Wisch-Schlitz lĂ€sst sich die Temperatur und die LautstĂ€rke bedienen â wahlweise wischend oder tippend. Die LautstĂ€rke lĂ€sst sich zusĂ€tzlich auch auf dem Bildschirm verschieben. Dann aber ist der Wechsel zwischen den MenĂŒs fĂŒr einen Moment blockiert, was etwas nervt. Die Furche reagiert auch nicht immer wie gewĂŒnscht, gerade am Schiebedach. Hier einen Fortschritt erkennen zu wollen, fĂ€llt etwas schwer.
VW hat sich vier Direktwahltasten ĂŒberlegt, die sich allerdings nicht frei belegen lassen. Eine davon steuert die Parkassistenz. Nun kann man darĂŒber spekulieren, wie oft daran etwas konfiguriert werden muss. So aus dem Bauch wĂŒrde ich vermuten: Ziemlich selten. Auch die Tasten der drei anderen Funktionen â Klimaanlage, Assistenzsysteme und Fahrmodi â wĂŒrde sicher manch einer lieber anders belegen. Die Sprachsteuerung ist nicht schlecht, das hohe Niveau von Mercedes oder BMW erreicht VW aber nicht.
Nicht nachhaltig
Ganz allgemein ist es so, dass das alles momentan schick und modern erscheinen mag. Die Displays haben eine hohe Auflösung, die Reaktion auf Eingaben erfolgt zĂŒgig. Allerdings altert in einem Auto kaum etwas so schnell wie die Unterhaltungselektronik. VW wagt hier einen groĂen und auch mutigen Schritt weg von einer gewissen Zeitlosigkeit. In wenigen Jahren wird das alles furchtbar alt aussehen, zumal sich in der Vergangenheit kaum ein Hersteller ein Bein ausgerissen hat, diese Systeme software- oder gar hardware-seitig lange aktuell zu halten. Ob sich das bessert? Ungewiss und letztlich natĂŒrlich davon abhĂ€ngig, ob sich daraus ein GeschĂ€ftsmodell machen lĂ€sst. Wenn eine relevante Zahl von Kunden bereit ist, auch in Ă€lteren Gebrauchtwagen Geld dafĂŒr auszugeben, könnten Hersteller hier umdenken.