Die Schweigsamen: Tacita Elektromotorräder als Enduro, Supermoto und Cruiser

Tacita baut schon lange E-Motorräder im Offroad-Bereich, nun folgen Cruiser mit Flüssigkeitskühlung und Schaltgetriebe. Der neue Partner dafür sitzt in Indien.

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Tacita T-Cruise Turismo

Tacita T-Cruise Turismo, ein Cruiser mit 25,83-kWh-Batterie

(Bild: Tacita)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Wenn es um italienische Marken geht, leuchten bei vielen Motorradfans die Augen: Ducati, Moto Guzzi, Aprilia und Co. üben auch nördlich der Alpen eine große Faszination aus. Doch mit dem Zusatz "Elektromotorräder" geht bei den meisten die Stimmung schlagartig in den Keller. Angeblich fehle den batteriebetriebenen Motorrädern der Charakter, vom Motorensound ganz zu schweigen. Dabei entstehen überall auf der Welt immer mehr Elektromotorradhersteller, die auf den Markt drängen. Viele von ihnen sind meist nicht mehr als Bastlerbuden, aber gerade in Italien haben sich zwei Namen bereits fest in der Elektromotorrad-Branche etabliert.

Die eine Marke heißt Energica, die mit extrem starken Serienmotorrädern beeindrucken will und vier Jahre lang exklusiv die Weltmeisterschaft MotoE mit Elektro-Racern ausgestattet hat.

Die zweite Marke ist Ducati, die ab diesem Jahr dieses Privileg in der MotoE übernimmt, obwohl sie bislang gar keine Elektromotorräder im Programm hat. Dennoch scheint ihr E-Rennbike gut gelungen zu sein, auch wenn die Feuertaufe erst noch bevorsteht.

Es ist ein cleverer Schachzug der legendären Marke, die reichlich WM-Titel vorweisen kann und erst letztes Jahr die MotoGP gewonnen hat. Nicht nur, dass sie in der MotoE wertvolle Erfahrungen in Sachen Elektroantrieb sammeln kann, irgendwann wird auch die Traditionsmarke aus Bologna E-Motorräder für die Straße bauen und kann dann mit den Rennern aus der MotoE Werbung betreiben.

Doch es gibt noch eine dritte Marke aus Italien, die bereits seit 2009 Elektromotorräder entwickelt: Tacita. Die alten Römer hatten bekanntlich ein illustre Götterwelt und die Göttin des Schweigens hieß Tacita, was den Turiner Hersteller lautloser Elektromotorräder zur Namenswahl veranlasste. Auf dem deutschen Markt sind die Elektromodelle noch nicht, das soll sich aber bald ändern und sechs Modelle sind bereits vorbestellbar. Zu Beginn entwickelte Tacita einen Motocrosser, das ersparte die Zwänge der Straßenzulassung und ließ die volle Konzentration auf Motor, Batterie, Steuergerät und Fahrwerk zu. Bemerkenswert ist, dass Tacita auf Flüssigkeitskühlung für Motor und Leistungselektronik setzt.

Tacita T-Race Enduro. Ihr Fahrwerk mit den langen Federwegen und den Rahmen entsprechen denen einer Sportenduro mit Verbrennungsmotor.

(Bild: Tacita )

Die T-Cruise Urban kommt im Cruiser-Look einer Harley-Davidson Low Rider S mit tiefer Sitzposition und hohem Lenkkopf daher und nimmt vor allem den US-Markt ins Visier. Sie trägt den flüssigkeitsgekühlten T44-Elektromotor der zweiten Generation. Für die 120 Volt Batteriespannung nennt der Hersteller Sicherheitsgründe. Andere Hersteller (wie z. B. Ducati) arbeiten längst mit 800 Volt, was eine schnellere Ladung erlaubt und die Effizienz steigern hilft.

Die T-Cruise Urban bietet drei Varianten: die T30 mit 27 kW (37 PS) und 60 Nm, die T45 mit 34 kW (46 PS) und 81 Nm und das Topmodell T65 mit 44 kW (60 PS) und 100 Nm. Als Standard haben alle drei eine Lithium-Polymer-Batterie mit 8,61 kWh. In der T30 reicht sie für bis zu 116 km Reichweite plus zehn Prozent, wie Tacita es ausdrückt. Das bedeutet, dass das Steuergerät automatisch die Leistung deutlich reduziert, wenn der Batteriestand unter zehn Prozent sinkt.

Tacita Elektromotorräder (9 Bilder)

Tacita aus Italien entwickelt schon lange Elektromotorräder. Die T-Cruise Turismo trägt den flüssigkeitsgekühlten Elektromotor der zweiten Generation. Sie kann mit einer 25,83-kWh-Batterie ausgerüstet werden und soll dann angeblich bis zu 295 km weit kommen.

Tacita verbaut als einer der wenigen Elektromotorradhersteller ein Fünfganggetriebe und eine hydraulisch betätigte Kupplung, der Antrieb zum Hinterrad erfolgt über eine Kette. Der Hersteller verspricht durch die Gangschaltung eine größere Reichweite.

Die T-Cruise Urban setzt auf einen konventionellen Stahlrohrrahmen mit zwei Unterzügen. Ihre Federwege fallen cruisertypisch kurz aus: Die Upside-down-Gabel vorne hat 43 mm, die Hinterradfederung 90 mm. Der Fahrer thront in 750 mm Höhe auf einem Sitz aus handgenähtem Leder. Bei den Bremsen greift Tacita auf Bremszangen von Brembo zurück und die Bremsscheiben weisen einen Durchmesser von 320 mm vorne und 240 mm hinten auf. Per Knopfdruck kann die regenerative Motorbremse aktiviert werden.

Tacita macht zwar keine Gewichtsangaben für seine Modelle, doch allzu leicht werden sie wohl nicht geraten sein, denn sie verfügen serienmäßig über einen Rückwärtsgang, um besser rangieren zu können. Die T-Cruise Urban hat ein integriertes Ladegerät und kann sowohl mit Level 1, als auch mit Level 2 laden. Die T-Cruise Urban T30 kostet 13.000 Euro, doch wer 4690 Euro drauflegt, bekommt eine 17,22-kWh-Batterie mit angeblich bis zu 210 km Reichweite. Die T45 gibt es für 14.360 Euro und kann ebenfalls mit der größeren Batterie geordert werden, während die T65 sie serienmäßig an Bord hat, dann sind allerdings 20.950 Euro fällig. Immerhin verspricht Tacita, dass seine 17,22-kWh-Batterie 2000 Ladezyklen durchhält, was 363.600 km entsprechen soll und gewährt fünf Jahre Garantie.

Für Freunde des gediegenen Reisens hat Tacita die T-Cruise Turismo aufgelegt. Sie basiert auf der Urban, hat aber einen höheren Lenker, einen anderen Kotflügel vorne, einen voluminöseren Heckfender, größeren Soziussitz, Windschild, Kofferset und viel Chrom. Der technisch interessanteste Unterschied besteht aber darin, dass die Turismo mit einer extra großen Batterie von 25,83 kWh ausgestattet werden kann. Sie soll die Reichweite der T-Cruise Turismo T30, die sonst nur 8,61 kWh hat, bis auf 295 km hochschrauben. Dann kommen zum Basispreis von 13.790 Euro nochmal 11.500 Euro drauf. Die T45 liegt bei 19.790 Euro mit der 17,22-kWh-Batterie und die XL-Batterie kostet 6880 Euro extra. Die T65 schließlich startet bei 21.690 Euro, wer auf 25,83 kWh aufrüsten will, muss insgesamt satte 28.570 Euro berappen.

Ganz anders präsentiert sich die sogenannte Race-Linie von Tacita, die auf den elektrischen Offroad-Betrieb ausgelegt ist. Die T-Race Enduro erkennt man erst auf den zweiten Blick als Elektromotorrad, die 8,61-kWh-Batterie verschwindet geschickt hinter eine Blende. Lange Federwege von 300 mm vorne und 280 mm hinten sowie 330 mm Bodenfreiheit und ein voll einstellbares Fahrwerk entsprechen dem einer Sportenduro mit Verbrennungsmotor.

Der Hauptrahmen besteht zwar aus Stahl, der Heckrahmen jedoch aus Aluminium. Auch die T-Race Enduro hat ein Fünfganggetriebe und eine hydraulisch betätigte Kupplung. Als T-Race Enduro T für 15.418 Euro leistet der E-Motor 27 kW und 60 Nm, als T-Race Enduro R für 16.663 Euro 34 kW und 85 Nm. Stärkere Motoren werden für die Enduros nicht angeboten, vermutlich um die Reichweite nicht zu knapp ausfallen zu lassen, denn bei ihr besteht nicht die Möglichkeit, eine größere Batterie einzubauen.

Serienmäßig verfügen die Enduro über die vier Motormappings Eco+, Eco, Turismo und Sport sowie eine einstellbare, regenerative Bremse, die entweder einen Zweitakter imitiert, also kaum Bremswirkung zeigt, oder einen Viertakter mit deutlicher Wirkung. Die Reichweite gibt Tacita mit 106 km plus zehn Prozent Reserve an. Wobei das je nach Einsatzgebiet stark differiert, im tiefen Sand beispielsweise dürfte die Batterie wesentlich früher leer sein.

Die Ladezeiten hängen vom integrierten Ladegerät ab. Tacita bietet als Basis einen 10-Ampere-Lader mit 2,2-kW-Ladeleistung, der 150 Minuten braucht, um die Batterie wieder komplett zu füllen. Der 16-Ampere-Lader mit 3,4 kW schafft es in 90 Minuten und der 32-Ampere-Lader mit 6,8 kW in 45 Minuten. Wieviel Aufpreis die beiden stärkeren Ladegeräte kosten, gibt Tacita nicht bekannt.

Tacita Elektromotorräder (6 Bilder)

Optisch wirkt die Tacita T-Race Enduro fast wie eine ganz normale Sportenduro, erst auf den zweiten Blick erkennt man den Elektromotor. Die Batterie versteckt sich geschickt hinter einer Abdeckung. Ihr Fahrwerk mit den langen Federwegen und den Rahmen entsprechen denen einer Sportenduro mit Verbrennungsmotor.

Für Freunde des gepflegten Drifts hat Tacita die T-Race Motard im Programm. Sie unterscheidet sich von der Enduro hauptsächlich durch die 17-Zoll-Felgen mit Straßenbereifung im Format 120/70-17 vorne und 160/60-17 hinten. Die Brembo-Bremsscheibe vorne hat 300 mm Durchmesser und das Kettenrad hinten ist kleiner für mehr Höchstgeschwindigkeit. Die Front der Motard besteht aus einer Maske mit zwei übereinander angeordneten, unterschiedlich großen Scheinwerfern, der Vorderradkotflügel ist knapper und der Radstand fällt mit 1470 mm um 20 mm kürzer aus als an der Enduro. Laut Tacita soll die Motard 112 km Reichweite plus zehn Prozent Reserve haben. Als Preis werden für die T-Race Motard T (27 kW) 15.918 Euro aufgerufen, für die T-Race Motard R (34 kW) sind 17.613 Euro fällig.

Als dritten Offroader im Bunde führt Tacita die T-Race Cross ohne Straßenzulassung. Sie teilt sich mit der Enduro viele Bauteile, auch das Fahrwerk scheint identisch zu sein. Standesgemäß rollt die T-Race Cross aber auf anderen Raddimensionen: Vorne ist ein nicht straßenzugelassener Motocrossreifen in 80/100-21 und hinten einer in 100/90-19 aufgezogen.

Interessant ist die Wahl der Leistung: Während Tacita bei der Enduro höchstens 34 kW anbietet, sind es bei der Cross satte 50 kW (68 PS) und 100 Nm. Das zieht dem Fahrer ordentlich die Arme lang. Auf der anderen Seite wird eine Batterie mit nur 5 kWh verbaut. Tacitas begründet die kleine Batterie damit, dass der Crosser nur ein Rennen von zehn Minuten plus zwei Runden durchhalten muss. Dass Trainingseinheiten auch länger dauern können, wird nicht berücksichtig.

Die Ladezeiten hängen vom georderten, integrierten Ladegerät ab und reichen von 60 Minuten (10 Ampere) über 30[  Minuten (32 Ampere) bis 20 Minuten (48 Ampere), um die Batterie von zehn auf 80 Prozent zu laden. Interessant wäre natürlich das Gewicht der T-Race Cross, aber Tacita macht diesbezüglich keine Angaben, ein vergleichbarer 450er-Crosser mit Verbrennungsmotor wiegt etwas unter 110 kg mit vollem Tank. Ihr Preis von 17.663 Euro liegt rund 5000 Euro über dem eines konventionellen 450er-Motocrossers.

Bei Rallies geht es bekanntlich um große Reichweiten, welche ein elektrisches Motorrad kaum bieten kann. Dennoch arbeitet Tacita schon lange an der T-Race Rally. Der Hersteller verkündet stolz, dass der Prototyp schon 2012 und 2017 auf der Merzouga Rally in Marokko und 2020 sogar auf der Rally Dakar in Saudi-Arabien eingesetzt wurde. In der Realität sah es so aus, dass die Tacita beim Start und einigen Etappenzielen der Dakar ausgestellt wurde und lediglich das 20 km lange Finale mitgefahren ist.

Schon seit 2012 arbeitet Tacita an einem Rallye-Modell

Die T-Racer Rally basiert auf der Enduro und unterscheidet sich optisch durch eine kleine Verkleidung mit fast senkrecht stehendem Windschild, einer sehr langen Sitzbank und einem Kotflügel direkt über dem Vorderreifen. Der Heckrahmen ist stabiler ausgeführt, um das Gewicht der beiden zusätzlichen Batterien tragen zu können. Die T-Race Rally wird es in drei Versionen geben: Die Basis startet bei 21.738 Euro, die T-Race Rally T bei 22.983 Euro und die T-Race Rally Deserto kostet 24.228 Euro mit 18 kWh-Batterie. Bei der Deserto verspricht Tacita eine Reichweite von 200 km plus zehn Prozent Reserve. Die Ladzeiten liegen – je nach integriertem Ladegerät – zwischen 5,5 Stunden und 90 Minuten, um von zehn auf 80 Prozent zu kommen.

Tacita hat schon viel Erfahrungen mit Elektromotorrädern gesammelt, jetzt wurde eine Kooperation mit Okinawa verkündet. Auch wenn der Name japanisch klingt, stammt die Elektromotorradmarke Okinawa aus Indien und wurde erst 2015 gegründet. Okinawa verkauft jährlich 250.000 Elektroroller über seine 540 Händler in Indien. Sie beteiligen sich mit 25 Millionen Euro an Tacita, was den Markteintritt der italienischen Elektro-Bikes beschleunigen dürfte. Der indische Hersteller will eine neue Entwicklungsabteilung mit 50 Mitarbeitern in Turin aufbauen und erhofft sich natürlich einen Techniktransfer, der ihm viele Jahre Entwicklungsarbeit erspart. Auf Basis der T-Cruiser soll ein eigenes Elektromotorrad von Okinawa entstehen.

Hersteller Tacita
Modell T-Cruise Urban
Motor und Antrieb
Motorart Permanenterregter Elektromotor
Leistung in kW (PS) 27/34/44 (37/46/60)
Drehmoment in Nm 60/81/100
Endantrieb Kette
Fahrwerk
Rahmen Stahlrohr, Doppelschleife
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Zweiarmschwinge mit Einzelfederbein
Federweg v / h in mm 43 / 90
Reifengröße vorn k. A.
Reifengröße hinten k. A.
Bremsen vorn Doppelscheibe, 320 mm, Zweikolben-Festsättel
Bremsen hinten Einzelscheibe, 240 mm, Zweikolben-Festsattel
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1570
Leergewicht in kg k. A.
Akkukapazität in kWh 8,6 / 17,22
Sitzhöhe in mm 750

(fpi)