Digitaler Behördenfunk: Wiener Polizei startet TETRA-Netz
Die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs beschert der Hauptstadt früher als ursprünglich geplant ein einheitliches digitales Funksystem für den oberirdischen und unterirdischen Funkverkehr von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.
Anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs während des ersten Halbjahrs 2006 bekommt die Wiener Polizei ihr digitales TETRA-Bündelfunknetz früher als ursprünglich geplant. Die Kommunikation soll damit abhörsicher und gezielter abgewickelt werden. "Wien ist die erste Großstadt der Welt, in der es möglich ist, oberirdisch und unterirdisch in einem Funksystem zu kommunizieren", sagte Innenministerin Liese Prokop heute bei der Präsentation des Systems. Ein Grundnetz, das auch den Flughafen Schwechat mit einschließt, ist bereits in Betrieb. Es besteht aus 38 Basisstationen, davon 23 oberirdisch in Wien, zehn in U-Bahn-Stationen, zwei in Autobahntunneln und drei am Flughafen beziehungsweise der Autobahnstrecke dorthin. Vor allem in U-Bahn-Stationen fehlen noch zahlreiche Sender. Im Endausbau soll das von Tetron, einem Joint Venture von Alcatel und Motorola, errichtete Wiener TETRA-Netz 90 bis 100 Basisstationen aufweisen.
Die Wiener Polizei wird mit 3000 Funkgeräten zum Gesamtpreis von 3,3 Millionen Euro ausgerüstet. Als Frequenzspektrum stehen 2 × 3 MHz im Bereich 380/400 MHz zur Verfügung, bei Bedarf können weitere 2 × 2 MHz aus einem NATO-Band hinzugenommen werden. Neben Halbduplex-Verbindungen zu unterschiedlichen Rufkreisen sind Duplex-Verbindungen zu einzelnen anderen Netzteilnehmern sowie ins öffentliche Telefonnetz möglich. Datenverbindungen sind ungesichert mit maximal 7,2 kBit/s möglich, zu einem späteren Zeitpunkt soll die Bündelung von bis zu vier Timeslots bis 28,8 kBit/s ermöglichen. Auch die Sprachqualität von TETRA liegt unter GSM-Niveau, dafür gelten TETRA-Sprachverbindungen als abhörsicher. Das Pendant zu SMS heißt im ETSI-konformen TETRA-Standard Short Data Services Transport Layer Text Messaging (SDS) und ermöglicht die Übertragung von 120 Zeichen pro Nachricht. Außerdem können kurze Status-Nachrichten mit einer vordefinierten Bedeutung übermittelt werden.
Bis Sommer sollen die Wiener Rettung, bis Herbst auch die Feuerwehr in das System eingebunden werden. Ob oder wie sich das Bundesheer beteiligt, steht noch nicht fest. Die Zusammenschaltung des 10,2 Millionen Euro teuren Wiener Netzes mit dem seit Jahreswechsel in Tirol betriebenen TETRA-Netz der Sicherheitsorganisationen ist bereits erfolgt. Bis 2007 sollen Niederösterreich und die Steiermark, bis 2009 ganz Österreich versorgt sein. Die Gesamtkosten werden mit 133 Millionen Euro angegeben – deutlich weniger als das gescheiterte ADONIS-Projekt gekostet hätte. Dieser erste Anlauf zu einem österreichweiten Bündelfunk-Netz für Sicherheitsdienste hätte 310 Millionen Euro kosten sollen. Der Vertrag mit master-talk wurde jedoch während des Probebetriebs von der master-talk, einem Unternehmen von Siemens, Wiener Stadtwerken, Raiffeisen und Verbund Österreichische Elektrizitätswerke AG, gekündigt. master-talk fordert 180 Millionen Euro Schadenersatz.
Die Adonis-Frequenzen in Wien sowie den niederösterreichischen Bezirken Wien-Umgebung, Mödling, Baden und Korneuburg wurden von Frequentis übernommen. Seit Juni 2004 betreibt sie unter dem Namen Blue Call ein kommerzielles TETRA-Netz (Beschreibung als PDF-Datei), zu dessen Kunden zählt unter anderem die Badner Bahn. (Daniel AJ Sokolov)
Zur Ausstattung von Behörden und Organsiationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und anderer Anwender mit Digitalfunktechnik siehe auch: (ssu)
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