Deutschland erlaubt hochautomatisiertes Fahren bis 130 km/h

Seit Jahreswechsel erlaubt Deutschland hochautomatisiertes Fahren bis 130 km/h. Möglich ist es noch nicht, doch die Autoindustrie scheint bald dazu bereit.

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autonomes Fahren

In einigen teuren Mercedes-Modellen kann man sich bereits auf Level 3 chauffieren lassen, sofern man zuvor einen üppigen Aufpreis akzeptiert hat. Der Rahmen, in dem das möglich ist, ist momentan allerdings noch eng gesteckt.

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 3 Min.

Seit 2023 erlaubt Deutschland als erstes Land in der EU hochautomatisiertes Fahren bis 130 km/h auf Autobahnen, nachdem die globale Geschwindigkeitsbegrenzung im Sommer 2022 von 60 km/h heraufgesetzt worden ist. Beschlossen hatte diesen großen Schritt das Weltforum für die Harmonisierung von Fahrzeugvorschriften der UN-Wirtschaftskommission (UNECE). Die wichtigen Automärkte USA und China hingegen haben eigene Regeln für selbstfahrende Autos. Bis heute gibt es noch kein Fahrzeug, das sich beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) für die höhere Geschwindigkeit qualifiziert hat.

Mercedes hat aktuell eine Nasenlänge Vorsprung: Seit 17. Mai 2022 hat die Marke mit der S-Klasse und dem Mercedes EQS (Test) zwei Modelle im Angebot, die mit ihrem "Drive Pilot" genannten System bereits Level-3-Fahren auf öffentlichen Straßen erlauben.

Noch sind die einzigen beiden Autos mit dieser Fähigkeit am Markt auf 60 km/h beschränkt, doch dürfte sich beides binnen Jahresfrist ändern. Denn momentan liefern sich Audi, BMW und Porsche ein Rennen mit Mercedes um eine Zulassung zum teilautonomen Fahren auf Level 3 inklusive der 130-km/h-Homologation durch das KBA oder andere europäische Institutionen. Eine schrittweise Annäherung an das neue erlaubte Limit wäre nur logisch bei einer mit wachsender Geschwindigkeit rasant anwachsenden Datenmenge.

"Level 3" bedeutet, dass der Fahrer nicht mehr ständig in der Lage sein muss, die Führung vom System rückzuübernehmen. Mit der Verlängerung der Rückübernahmezeit auf zehn Sekunden geht erstmals ein Teil des erhofften Komfortgewinns einher: Die Person am Steuer kann nun ablenken lassen und sich mit Dingen abseits des Fahrens beschäftigen, sofern sie jederzeit innerhalb einer gewissen Zeitspanne in der Lage ist, die Steuerung wieder zu übernehmen, wenn der Rechner überfordert ist.

Die Grafik des VDA mit den verschiedenen Stufen des automatisierten Fahrens.

(Bild: VDA)

Dabei ist essenziell, wie gut der Sensorcluster aus Radar, Kameras, Ultraschallsensoren und Lidar zusammenarbeitet. Das funktioniert nicht ohne ein hochgenaues Positionierungssystem mit exaktem Kartenmaterial, damit das System zentimetergenau und in Echtzeit navigieren kann. Wegen des noch begrenzten Kartenmaterials können die Autos auch nur hierzulande hochautomatisiert fahren. Dass es nicht versehentlich Staatsgrenzen überquert, verhindert ein einprogrammiertes Geofencing als eine der vielen Zulassungsvoraussetzungen, die Unfälle verhindern sollen.

Dass Deutschland die neue Regelung in nationales Recht übernommen hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit minutiös mit der heimischen Autoindustrie abgestimmt. Es soll ihr nicht nur die Chance eröffnen, ihren technologischen Stand weiter auszubauen, sondern auch das Signal senden, dass sie ganz vorn dran ist mit ihren Konzepten.

Bei Teslas sogenanntem und nicht überall so genannten Autopilot mit Full Self Driving (FSD) dürfte eine Zertifizierung nach Level 3 wegen Kameras als einzigen Sensoren und dem Verzicht auf Kartendaten wohl kaum möglich sein, um nur ein prominentes Beispiel zu nennen.

(fpi)