Klimaschutz: Bundesregierung weist Vorwürfe des Rechtsbruchs zurück
Die Regierung nimmt Vorwürfe der Umweltorganisationen zur Kenntnis, die Klimaziele nicht erreicht zu haben. Gegen den des Rechtsbruchs verwahrt sie sich jedoch.
- Florian Pillau
- mit Material der dpa
Die Bundesregierung hat den Vorwurf eines Rechtsbruchs beim Klimaschutzgesetz zurückgewiesen. Eine Regierungssprecherin sagte heute in Berlin, sie könne diese Einschätzung nicht teilen.
"Regierung untergräbt Vertrauen in Politik"
Zuvor hatte der Naturschutzbund Deutschland Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) aufgefordert, wirksame Maßnahmen für mehr Klimaschutz vorzulegen. Die beiden Minister müssten sich an geltendes Recht halten und Sofortprogramme vorlegen, erklärte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. "Es wäre sonst ein verheerendes Signal: Vertrauen in Politik kann nicht gestärkt werden, wenn sie sich nicht an Gesetze hält. Sie untergräbt damit auch ihre Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz."
Die Regierungssprecherin führte weiter aus, die Regierung habe bereits ein Klimaschutzprogramm vorgelegt. Ein Sprecher von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: "Wir widersprechen der Behauptung, dass wir keine zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen vorgelegt haben." Das Kabinett habe bereits im Juni ein Programm mit zusätzlichen Maßnahmen – auch im Verkehrsbereich – beschlossen. Das Ministerium komme der gesetzlichen Pflicht nach.
"Mit jedem weiteren Rechtsbruch teurer und schwerer"
2022 war im Verkehrs- sowie Gebäudebereich die gesetzlich vorgeschriebene CO₂-Emissionsmenge überschritten worden. Nach dem geltenden Klimaschutzgesetz müssen die zuständigen Ressorts Sofortprogramme für Verbesserungen vorlegen. Die Frist dafür lief heute ab.
Für die Klima-Allianz Deutschland sagte Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik, rein formal-juristisch möge die Bundesregierung die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes einhalten. Sie habe ihr jüngstes Klimaschutzprogramm als Sofortprogramm nach dem Klimaschutzgesetz deklariert. "Die Klimaziele hält sie damit aber nicht ein", betonte Langkamp. Es handle sich um einen erneuten Rechtsbruch der Bundesregierung in Bezug auf das Klimaschutzgesetz. "Mit jedem weiteren Rechtsbruch und jedem weiteren Versäumnis, die verbindlichen Klimaziele einzuhalten, wird es teurer und schwerer, der Klimakrise entgegenzuwirken."
"Armutszeugnis für den Rechtsstaat"
Kritik am FDP-geführten Verkehrsministerium kam auch vom grünen Koalitionspartner: Die Klimapolitikerin Lisa Badum sagte, das Verkehrsministerium habe erneut keine Maßnahmen vorgelegt, um die Einhaltung der Klimaziele bis 2030 sicherzustellen. Das sei nicht nur für die Klimapolitik, sondern auch für den Rechtsstaat ein Armutszeugnis. "Egal ob nach aktuellem Klimaschutzgesetz oder dem neuen Gesetzentwurf muss die Bundesregierung alle erforderlichen Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Klimaziele bis 2030 einzuhalten."
Langkamp kritisierte außerdem, durch die geplante Reform werde das Klimaschutzgesetz abgeschwächt. Die vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Reform – welche vor allem die FDP wollte – sieht vor, dass die Einhaltung von Klimazielen nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft kontrolliert werden soll – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO₂-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
"Rechtsbruch mit Blick auf die eigenen Klimaziele"
Umweltverbände haben die Reform und ihre Protagonisten teilweise noch schärfer kritisiert. Die Klimachefin bei der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland, Viviane Raddatz, sagte, Wissing halte sich das zweite Jahr in Folge nicht an geltendes Recht. Auch Fridays for Future (FFF) wirft der Bundesregierung mit Blick auf die eigenen Klimaziele "Rechtsbruch" vor und will mit einem eigenen Sofortprogramm für den Verkehrssektor den Druck auf die Bundesregierung für ein Umsteuern in der Verkehrspolitik erhöhen. Darin fordern die Aktivistinnen und Aktivisten unter anderem ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen oder den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie den der Schiene. Außerdem sieht ihr Programm autofreie Innenstädte und den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur vor. Darüber hinaus bekräftigte die Organisation ihre Forderungen nach einem Rücktritt des Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP).
Lesen Sie auch
Australiens Strom kommt erstmals nicht überwiegend aus Kohle
Trotz Atomausstieg: Weniger Treibhausgasemissionen bei der Stromerzeugung
KI und Klimaschutz: Die Techbranche möchte den Kuchen essen und behalten
Erdgasbohrungen vor Borkum komplett genehmigt
Scholz bekräftigt EU-Kurs für Ausnahmen bei sogenanntem Verbrenner-Aus
(fpi)