Krise in der Autoindustrie: EU zeigt sich besorgt​

Der Absatz entwickelt sich nicht wie erhofft, zudem kämpfen einige Hersteller mit einer knappen Rendite. Das besorgt nun auch die EU-Kommission. ​

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VW ID.4

Den Herstellern gelinge es nicht, die Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen, meint EU-Industriekommissar Thierry Breton. Im Bild: VW ID.4 (Test)

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

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Noch vor zwei Jahren war die Situation auf dem Automarkt eine gänzlich andere. Teilemangel führte dazu, dass Neuwagen knapp und die Nachfrage hoch waren. In der Folge stiegen die Preise, und die Autohersteller verdienten pro Auto schlicht mehr Geld – eine Reaktion aus Angebot und Nachfrage. Aktuell sieht die Lage für die Hersteller weit weniger gut aus. Sie können wieder liefern, einige haben nun allerdings Mühe, ihre Werke auszulasten. Reserven in der Kalkulation, um auf einen veränderten Markt zu reagieren, hat nicht jeder Hersteller. Das beunruhigt inzwischen auch die Europäische Kommission.

Die Lage der Branche sei "nicht rosig", es bringe nichts, sie zu beschönigen, sagte der scheidende Industriekommissar Thierry Breton dem Handelsblatt. Die Nervosität sei groß, was sich an den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Automobilindustrie zeige. Breton bezieht sich auf Sparpläne von Volkswagen, die der Konzern verschärfen will. "Die Ankündigungen von Werksschließungen besorgen mich sehr", betonte er. Es müsse darum gehen, "unser Know-how, unsere Innovationskraft und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren und zu erhalten". Breton führt die Krise darauf zurück, dass es europäischen Herstellern nicht gelingt, ihre Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen.

Ob der Umstieg auf die Elektromobilität in Europa ein Erfolg wird, hängt entscheidend vom Ausbau der Ladeinfrastruktur ab. Hier sieht Breton erhebliche Defizite. "Öffentliche Ladestationen sind nach wie vor stark auf Deutschland, Frankreich und die Niederlande konzentriert, auf die fast zwei Drittel der in der EU installierten öffentlichen Ladestationen entfallen", erläuterte er. Laut Bundesnetzagentur gab es zum Stichtag 1. März 2024 in Deutschland 103.226 öffentliche AC- und 25.291 DC-Ladepunkte – ein Zuwachs von 38 Prozent innerhalb eines Jahres. Zur Orientierung: Zum Jahresanfang 2022 waren es bundesweit insgesamt nur rund 62.000 öffentlichen Ladepunkte.

Angesichts der Krise bei VW verlangen Politiker der Ampel-Koalition mehr Hilfe aus Brüssel. "Ursula von der Leyen muss schnell eine ambitionierte Industriestrategie vorlegen, die die europäische Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stärkt. Europa muss mithalten können bei den internationalen Entwicklungen und dafür muss Frau von der Leyen jetzt vorangehen", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der Süddeutschen Zeitung. Auch die FDP sieht die Kommission in der Pflicht. "Der Grund für diese Krise ist die absurde europäische Politik, die den Automobilherstellern unzählige Steine in den Weg legt", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Der Staat könne VW am besten helfen, indem er dafür sorgt, dass die Flottenregulierung abgeschafft wird. Die führe zu irrsinniger Bürokratie, aber spare nicht ein Gramm CO₂ ein. Dafür werde sich die FDP auf europäischer Ebene einsetzen.

Volkswagen reagiert unterdessen und tauscht mitten in der Krise den Finanzchef bei seiner Kernmarke VW Pkw. Der bisherige Finanzchef Patrik Andreas Mayer soll den Posten in Wolfsburg freimachen für den Finanzvorstand von Seat, David Powels, wie eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage bestätigte. Mayer wechselt demnach zu Seat nach Spanien und übernimmt dort Powels Aufgaben. Mayer war seit Oktober 2022 Finanzvorstand des Herzstücks von Europas größtem Autokonzern. Mayer wurde offenbar zum Verhängnis, dass er auf der Suche nach Sparmöglichkeiten zumindest teilweise auf die sogenannten Innovationsfonds zurückgreifen wollte. Diese waren für Zukunftsprojekte mit den Arbeitnehmern vereinbart worden.

(mfz)