LKW-Maut: Vom Prellen und Grämen, von LKW und PKW

Die rosige regierungsamtliche Bilanz nach 100 Tagen LKW-Maut hat auch ihre Schattenseiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 213 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Die rosige regierungsamtliche Bilanz nach 100 Tagen LKW-Maut hat auch ihre Schattenseiten. So erklärte Verkehrsminister Manfred Stolpe, dass es Ziel aller Beteiligten sein müsse, die LKW-Fahrer auf den Landstraßen zu vergrämen, bevor sich Ausweichrouten eingschliffen hätten. Die Diskussion um Mautpreller (analog zu Zechpreller), die inzwischen sogar als "Mautdiebe" und in dieser Konsequenz daraus als Mautflüchtlinge bezeichnet werden, kriminalisiert teilweise allerdings derzeit völlig legale Handlungen.

Das Wiener Abkommen vom 8.11.1968 über die freie Straßennutzung als Fortsetzung des Reichsabkommens über die Freiheit des Durchgangsverkehrs vom 20.04.1921 besagt, dass dort gefahren werden kann, wo keine Fahrbeschränkungen gelten. Gegen diese Abkommen steht § 49 der StVO, der es Ländern und Kommunen erlaubt, die Benutzung bestimmter Straßen zu verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist oder die Bevölkerung vor Lärm und Abgasen geschützt werden muss. Maßnahmen nach § 49 sind nur erlaubt, wenn nachweislich gesetzte Grenzwerte überschritten werden. Die erklärte Absicht, LKW-Fahrern das Fahren auf Landstraßen zu vergrämen, dürfte nur schwer zu realisieren sein, da nach den EU-Regeln die Durchfahrtsfreiheit erklagt werden kann. Überdies gibt es Vorschriften, nach denen Umleitungen zwischen Autobahnabschnitten ausgewiesen sein müssen. Zudem ist das Beispiel Frankreich zu erwähnen. Hier dürfen Autobahnen nur dann bemautet werden, wenn parallel zu ihnen eine Nationalstraße existiert.

Neben den Versuchen, durch Verbote die LKW auf den Autobahnen zu halten, gibt es auch Versuche, die Autobahn als Bundesstraße zu deklarieren. So will die Gemeinde Waldshut-Tiengen gegen die Bundesregierung klagen, die Maut auf der sechs Kilometer langen, aber nur einspurig ausgebauten A 98 kassiert. Dies habe nach Angaben von Oberbürgermeister Martin Albers (CDU) dazu geführt, dass der Lastverkehr durch die Ortschaften von Tiengen, Laufenburg und Lauchringen fahre. Damit die Mautberechnung auf der als Ortsumgehung angelegten A 98 wieder aufgehoben wird, seien alle LKW-Fahrer der Stadt aufgefordert worden, die Maut zu prellen und die OBU abzuschalten, erklärte Albers.

Eine Entspannung der Situation bringt nach Ansicht von Verkehrsexperten die Regelung, alle Bundesstraßen zu bemauten. Freilich würde diese Regelung die Landesstraßen unter Last setzen. Denn es gibt genügend Bundesstraßen, die der finanzschwache Bund in den vergangenen zehn Jahren zu Landesstraßen umgewidmet hat, um nicht für ihren Unterhalt aufkommen zu müssen. Eine Maut für alle Straßen fordert darum der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Sein Vorsitzender Michael Gehrmann erklärte zur Maut-Bilanz: "Seit Einführung der Maut weichen LKW auf Bundes- und Landesstraßen aus. Das untermauert die Forderung, die Mautpflicht auf das gesamte Straßennetz auszuweiten. Die Verkehrsministerkonferenz hat dieses zwar für die betroffenen Bundesstraßen beschlossen. Doch das wird nur dazu führen, dass die Probleme weiter auf das untergeordnete Straßennetz verlagert werden." Insgesamt hegen vor allem die umweltorientierten Verbände die Hoffnung, dass im Zuge der EU-Debatten über die EU-Wegerichtlinien sich die Auffasung durchsetzt, eine flächendeckende Maut (wie sie die Schweiz eingeführt hat) in der EU zuzulassen. Eine solche Maut wäre mit der OBU 2.0 realisierbar, weil die ab Sommer 2005 einzuspielende Software die Erweiterung der Mautstrecken auf das gesamte Straßennetz ab Januar 2006 zulässt.

Im Rahmen seiner Bilanz zur LKW-Maut erklärte Verkehrsminister Stolpe, dass eine PKW-Maut mit ihm nicht zu machen sei und verwies auf seine anerkannte Sturheit. Doch schon auf der CeBIT hatte Angelika Mertens als Sprecherin des Verkehrsministeriums erklärt, dass eine allgemeine nutzerabhängige Finanzierung die PKWs mit einbeziehen könne. Sie verwies in Hannover auf das Beispiel der Autobahn Hamburg-Bremen (A 1), die von privaten Betreibern sechsspurig ausgebaut werden soll, indem jeweils eine Spur angefügt wird. Diese Strecken müssten im Sinne einer Anschubfinazierung durch die entgangene PKW-Maut vom Bund über die LKW-Maut finanziert werden, bis eine Technik gefunden sei, eine PKW-Maut zu erheben, erklärte Mertens am letzten Tag der CeBIT auf einer Veranstaltung des Forum Government '05.

Zur satellitengestützten LKW-Maut in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)