Missing Link: Patente versus Solidarität – Kampf um den Impfstoff gegen Covid-19

Seite 2: Hehre Absichtserklärungen

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Auch die Regierungen signalisierten, dass sie gemeinsam gegen die Pandemie kämpfen wollten. Ausdruck der neu gefundenen Solidarität sollte die bei der Weltgesundheitsorganisation vereinbarte Initiative „Access to Covid Technology – Accelerator“ (ACT-A) sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel pflichtete beim Start von ACT-A im April dem WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus bei, dass es sich bei einem Impfstoff, aber auch bei neuen Medikamenten gegen Covid-19 und bei Diagnostika um ein globales öffentliches Gut handele. Deutschland sagte eine halbe Milliarde Euro an Mitteln für die Beschleunigung von Erforschung, Entwicklung, Produktion und Verteilung von Impfstoffen, Diagnostika und Therapeutika zu. Bei einem von der EU initiierten Spendenmarathon sammelte die EU einen Milliardenbetrag ein für das Versprechen, Impfstoffe und Medikamente weltweit zugänglich zu machen.

Noch einen Nachweis für die veränderte Haltung von Regierungen und Unternehmen sieht VFA-Experte Throm in der Etablierung eines Einkaufpools für Covid-19-Impfstoffe, der Covax Facility. Die Facility ist eines der praktischen Projekte der ACT-A-Initiative. Der Zuspruch zu dem Pool, der von GAVI und CEPI gemanagt wird, sei gut, meint Throm.

Vorrangiges Ziel der Covax Facility soll es sein, den Zugang zu ersten Impfstoffen für arme Länder sicherzustellen, und zwar für wenig Geld oder kostenfrei. Alle anderen teilnehmenden Ländern sollen überdies garantiert Impfstoffdosen für ihr medizinisches und pflegerisches Personal erhalten. Für die Selbstzahler besteht auf jeden Fall der Vorteil, dass sie sich Zugriff auf Impfstoffkandidaten aus allen Kontinenten sichern. Denn wer weiß schon, wer als erster (oder bester) durchs Zulassungsziel gehen wird. Aber: Deutschland gehört nicht zu den 43 Ländern, die sich öffentlich „engagiert“ haben – genau sowenig wie die USA oder andere Länder, die erheblich in die Impfstoffforschung investieren.

Die Strategien zur gemeinsamen Bekämpfung der Pandemie sind nicht nur selbstlos, sondern auch aus Sicht von Experten selbstverständlich. „Eine globale Pandemie ist erst vorbei, wenn sie für alle vorbei ist“, erklärt Marco Alves, Koordinator der Medikamentenkampagne der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Natürlich ist eine globale Antwort notwendig.

Doch bei den Aktivisten hat sich Ernüchterung breit gemacht. Statt an einem Strang zu ziehen und die Nachfrage nach Impfstoffen tatsächlich zu poolen, haben sich viele Länder direkt bei den Impfstoffherstellern versorgt. Die US-Administration, europäische Länder wie Deutschland und inzwischen auch die EU-Kommission haben eigene Absprachen getroffen.

Die USA sicherte sich bis Ende 2020 100 Millionen Dosen von Pfizer, die mit dem Mainzer Unternehmen Biontech zusammenarbeiten, 300 Millionen Dosen des an der Oxford University entwickelten Kandidaten von Astra Zeneca und laut Pressemitteilung der US-Behörden gerade noch einmal 100 Millionen Dosen von Moderna. Über 10 Milliarden Dollar haben die USA aus ihrer Operation Warp Speed eingesetzt, um sich insgesamt 800 Millionen Dosen von diversen Kandidaten vorab zusichern zu lassen.