Missing Link: Patente versus Solidarität – Kampf um den Impfstoff gegen Covid-19

Unternehmen arbeiten an Impfstoffen gegen das Coronavirus. Staaten sichern sich den Zugriff darauf. Doch soll wirklich das Geld über eine Heilung entscheiden?

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Missing Link: Patente versus Solidarität – Kampf um den Impfstoff gegen Covid-19

(Bild: creativeneko / Shutterstock.com)

Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Täglich jagen sich die Nachrichten vom Beginn großer klinischer Tests von Impfstoffkandidaten gegen Covid-19, die Börsenwerte der beteiligten Unternehmen rasen rauf und runter, je nachdem, ob sie selbst oder die Konkurrenz die Nase vorne haben. Ist es eigentlich vertretbar, dass bei der Impfstoffentwicklung ein großer Teil des Investitionsrisikos von der öffentlichen Hand übernommen wird, am Ende aber doch der Profit der Unternehmen darüber entscheidet, wer wie schnell Zugang zu Impfstoffen erhält?

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

10 Millionen Menschen fielen vor 20 Jahren dem Immunschwächekrankheit AIDS zum Opfer, weil Patentinhaber die Produktion von Generika verhinderten. Das laufende Rennen um einen Impfstoffkandidaten gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 ist auch ein Rennen um Patente. Haben Firmen und Regierungen dazugelernt, oder drohen Patentrecht und Patentstreit wieder für Tote verantwortlich zu werden?

Der Kampf um Generikamedikamente gegen AIDS ist ein dunkles Kapitel der Medizingeschichte. Ärzte im Süden Afrikas wurden über Jahre dazu gezwungen zu entscheiden, wer die von westlichen Pharmaunternehmen vertriebenen HIV-Medikamente erhalten – und weiterleben – durfte, und wer nicht.

Die Produktion preiswerter Generika verhinderten die Unternehmen durch Klagen und dadurch, dass sie die Politik drängten, Ländern wie Südafrika mit Sanktionen zu drohen, sollten sie ihren Patentschutz unterlaufen. Diese Patentstrategie hat nach Angaben von Experten 10 bis 12 Millionen Menschen unnötig das Leben gekostet.

Kann das auch bei Covid-19 passieren? „Die klare Antwort lautet nein“, versichert Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Eine ganze Reihe von Organisationen wurden seither gegründet, die durch Absprachen mit Herstellern und eigene Projekte die künstliche Verknappung lebenswichtiger Medikamente zu verhindern versuchen.

Seit 2000 gibt es die Impfallianz Gavi (Global Alliance for Vaccines and Immunisation), seit 2010 den von Unitaid gegründeten Medicin Patent Pool (MPP) und seit 2016 CEPI, die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations. Der MPP soll den lange Zeit blockierten Zugang ärmerer Länder zu Medikamenten für HIV, Hepatitis C und TB voranbringen. Die Initiative CEPI entstand insbesondere als Reaktion auf Ebola-Epidemien in Afrika und hat das Ziel, die Impfstoffforschung in solch vernachlässigten Bereichen anzukurbeln.

Einiges hat laut Throm auch die Bill und Melinda Gates-Stiftung bewirkt, die Milliardenbeträge in Gavi, Cepi und MPP gesteckt hat. Man habe aus der Vergangenheit gelernt, sagt Throm, „auch die Unternehmen“. In den MPP brächten heute auch die Mitgliedsunternehmen seines Verbands Patente ein, „damit frühzeitig Generika hergestellt werden können. Die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert.“