Naxeon I AM aus China: Elektro-Leichtkraftrad mit Semi-Feststoff-Akkus

Mit neuartiger Akkutechnik, Leichtbau und Hossack-Gabel bewirbt Naxeon sein Leicht-E-Kraftrad. Seine futuristische Gestaltung bringt nicht nur Vorteile.

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Naxeon​ i AM

(Bild: Naxeon)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

In China boomen die Elektromotorräder. Die wenigsten Modelle kommen nach Europa, aber die Naxeon I AM wird es wohl bis zu uns schaffen, die Marke verfügt bereits über eine Niederlassung in Mailand. Die I AM hebt sich mit ihrem eigenständigen Aussehen deutlich von der Masse ab, was bisher eher selten ist bei chinesischen Motorrädern.

Da bei einem Elektromotorrad auf viele Bauteile wie etwa Auspuff, Getriebe oder Tank keine Rücksicht genommen werden muss, stehen den Designern neue Freiräume offen. Manche Hersteller versuchen es mit konservativer Gestaltung, wohl, um die Kunden nicht zu verschrecken. Naxeon verzichtet bei der I AM darauf. Sie will ganz offenbar nicht verbergen, dass sie ein Elektromotorrad ist. Deshalb besteht die I AM oben fast nur aus Sitzbank, davor befindet sich eine Kunststoffabdeckung für den Ladestecker. Darunter hängt die Batterie, die einfach von glatten Flächen verkleidet ist. Ihr Aluminium-Rahmen sieht von der Seite wie ein verunglücktes "T" oder ein liegendes "Y" aus.

Auffällig ist die von Naxeon selbst entwickelte Parallelogramm-Gabel mit Zentralfederbein und Holmen nach dem Hossack-Prinzip. Das ist Technik vom Feinsten, denn diese Bauform bietet einen hervorragenden kinematischen Bremsnickausgleich, der ein Eintauchen der Front durch die beim Verzögern auftretenden Kräfte vermeiden hilft. Darüber hinaus ist sie steifer und leichter als herkömmliche Tauchrohrgabeln. Damit und durch die Entkopplung der beiden Funktionen "Lenkung" und "Dämpfung" verbessert sie das Abtastverhalten und damit die Straßenhaftung. Allerdings steht sie mit diesen Qualitäten völlig im Gegensatz zum schweren Radnabenmotor im Hinterrad.

Naxeon I AM (7 Bilder)

Die I AM von Naxeon wirkt sehr eigenständig im Design und hebt sich aus der Masse der Elektromotorräder ab.
(Bild: Naxeon)

Hinten arbeitet ein fast senkrecht stehendes Federbein an der Zweiarmschwinge. Das ultrakurze, abgehackt wirkende Heck setzt sich im Motorraddesign immer mehr durch, obwohl es eigentlich unpraktisch ist, denn ein Gepäckträger lässt sich so kaum noch anbringen und Spritzwasser trifft größtenteils ungehindert den Rücken des Fahrers. Der Kennzeichenträger ist samt LED-Rücklicht und Blinker an der Schwinge montiert. Die vordere Felge verkleideten die Entwickler, sodass sie – passend zum Hinterrad – wie eine Scheibe wirkt, was die Seitenwindempfindlichkeit verstärken dürfte. Vorn und hinten kommt je eine Scheibenbremse zum Einsatz.

Zwischen den Holmen der Hossack-Gabel befindet sich ein übereinander angeordneter Doppelscheinwerfer, umrahmt von Tagfahrlicht. Der Fahrer dirigiert die I AM über eine flache Lenkstange, an die nicht nur die beiden LED-Blinker angehängt sind, sondern in der sich auch die Bedientasten für das Menü im Display befinden. Die sehr luftig gestaltete Lenkerklemmung integriert das TFT-Display. Die Naxeon verfügt über eine kleine Front- und Heckkamera, sowie über einen Radar für die Totwinkelwarnung im Heck. Ihr Radstand von 1320 mm fällt ziemlich kurz aus, die Sitzhöhe des Solositzes ist mit 800 mm recht niedrig, was kleine Fahrer freuen wird. Der Federweg der Hossack-Gabel geht mit 104 mm noch in Ordnung, das hintere Federbein bietet nur dürftige 60 mm Arbeitsweg.

Naxeon I AM (8 Bilder)

Die Hossack-Gabel bietet einen hervorragenden Bremsnickausgleich. Darüber hinaus ist sie steifer und leichter als herkömmliche Tauchrohrgabeln. Letzteres verbessert die Straßenhaftung.
(Bild: Naxeon)

Angetrieben wird die Naxeon I AM von einem Radnabenmotor im Hinterrad. Das erspart zwar einen Zahnriemen- oder Kettenantrieb zum Hinterrad, erhöht aber deutlich die ungefederten Massen, trägt also nicht gerade zur Handlichkeit bei.

Naxeon gibt mit 6,5 und 7,5 kW zwei Leistungsvarianten an, in der Spitze sind kurzfristig 10,5 kW möglich. Damit fällt die I AM in die Führerscheinklassen A1 und B-196. Laut Hersteller bringt es der Motor auf 273 Nm Drehmoment, deshalb verfügt die I AM über eine Schlupfregelung, um das eher schmale 140/60-17-Hinterrad nicht ungewollt durchdrehen zu lassen. Den Sprint aus dem Stand auf 50 km/h soll sie in 2,8 Sekunden erledigen, bis Tempo 80 vergehen 6,5 Sekunden.

Wahlweise gibt es die I AM mit 4,3 oder 6,5 kWh. Naxeon gibt für sein Leichtkraftrad damit Reichweiten von 105 bis 180 km an. Hinsichtlich der Batterien rührt Naxeon mächtig die Werbetrommel, denn es soll sich um eine neu entwickelte Semi-Festkörperbatterie handeln. Sie sollen eine um 30 Prozent höhere Energiedichte bieten und um 30 Prozent leichter und kompakter sein.

Sollte die Gewichtsangabe von 110 kg stimmen, fällt die I AM erstaunlich leicht aus. Die Temperaturempfindlichkeit der Batterie wurde angeblich um 40 Prozent verbessert, sie ist also weniger kälteempfindlich. Auf welcher Basis diese Zahlen basieren, bleibt offen. Naxeon verspricht 1500 Ladezyklen bis 80 Prozent Restkapazität, das wäre eine gute Haltbarkeit. Die Batterie braucht eineinhalb Stunden, um von 20 (!) auf 80 Prozent zu laden, von ganz leer auf ganz voll sind es fünf.

Wie bei Elektromotorrädern üblich, verfügt auch die I AM über Smartphone-Konnektivität, über die Navigation, Infotainment und Software-Updates abgerufen werden kann. Es gibt eine Reifendruckkontrolle, Heck-Kollisions- und Totwinkelwarnung. Naxeon bewirbt sein Elektromotorrad damit, dass es situationsabhängig mit den LED-Leuchten rundum Lichtspielereien veranstalten kann, was aber wohl kaum mit EU-Vorschriften kompatibel sein dürfte. Dass die I AM nach Europa kommt, steht wohl schon fest, zumal Naxeon bereits einen eigenen Vertrieb in Mailand besitzt. Wann der Import der I AM nach Deutschland erfolgt, ist offen. Ihr Preis wird sich voraussichtlich um die 7400 Euro bewegen.