Robotaxis: GM zieht die Reißleine, stoppt Cruise-Fahrten

General Motors gibt den Traum selbstfahrender Taxis auf. Cruise ist Geschichte, zumindest in der bekannten Form.

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Weißes GM-Auto mit Selbstfahrtechnik stoppt unvorhergesehen in einer Kreuzung in San Francisco

Die "Driverless Revolution" durch Cruise ist abgeblasen.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.
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Die selbstfahrenden Taxis der GM-Tochter Cruise verschwinden wieder von US-Straßen. GM zieht die Reißleine, weil es keine Zukunft für seine Robotaxis sieht. Deren Entwicklung werde zu teuer und würde zu lange dauern, zudem intensiviere sich der Wettbewerb in diesem Markt. Stattdessen möchte sich der Autokonzern auf die Weiterentwicklung von Fahrerassistenzsystemen für Autos in Privatbesitz konzentrieren, "auf einem Weg zu vollautonomen persönlichen Fahrzeugen".

Diese Entscheidung hat GM am Dienstag bekanntgegeben. Institutionelle Anleger reagierten im nachbörslichen Handel mit Kaufaufträgen, so dass der GM-Aktienkurs mehr als zwei Prozent zulegte. Als Absagen an selbstfahrende Autos will der Konzern die Neuaufstellung aber nicht verstanden wissen. GM sei dem "autonomen Fahren voll verpflichtet", bloß soll das "diszipliniert und in kapitaleffizienter Weise" vonstattengehen. GM hat seit 2016 zig Milliarden in Cruise gebuttert.

Cruise steht derzeit zu etwa 90 Prozent im Eigentum von GM, das die Tochterfirma nun komplett übernehmen möchte. Dazu gibt es bereits Verträge für den Kauf weiterer Aktien, sodass GM bald mehr als 97 Prozent gehören werden. Mit dem kleinen Rest hofft GM sich bald einigen zu können. Gelingt dies, soll Cruise im ersten Halbjahr 2025 restrukturiert werden, was danach mehr als eine Milliarde US-Dollar jährlich sparen soll.

Die technischen Mitarbeiter der Tochterfirma möchte GM gerne seinem eigenen Entwicklungsteam hinzufügen. Was mit den restlichen der 2.300 Cruise-Mitarbeitern geschieht, ist offen. Die Büros in San Francisco sollen zumindest teilweise erhalten bleiben – dort kann GM eher gesuchte Softwarespezialisten finden als am Hauptsitz Detroit oder am gegenüberliegenden kanadischen Ufer in Windsor.

Cruise wurde 2013 gegründet und brachte zunächst Nachrüstbausätze für bestehende Fahrzeuge für limitierte Selbstfahrfunktionen auf Autobahnen heraus. Ab 2015 arbeitete das Unternehmen dann an vollständig autonomen Autos und erhielt im Juni des Jahres eine kalifornische Lizenz für Testfahrten auf öffentlichen Straßen. Im Jahr darauf übernahm GM die Mehrheit. Seither hat Cruise mehr als zehn Milliarden US-Dollar verloren. Alleine 2023 schrieb Cruise fast 3,5 Milliarden Dollar Betriebsverlust, dieses Jahr wollte GM die Cruise-Verluste um etwa eine Milliarde drücken.

Im August des Vorjahres erhielt Cruise in San Francisco die Genehmigung, chauffeurlose Taxifahrten gegen Bezahlung anzubieten. Was nach einem Durchbruch aussah, erwies sich bald als Ungemach. Nach einem Unfall mit einem Einsatzfahrzeug wurde die Lizenz noch im selben Monat halbiert, Ende Oktober zog die kalifornische Behörde die Betriebserlaubnis komplett ein. Anlass war ein Unfall in der kalifornischen Stadt, bei dem ein Cruise-Taxi eine Fußgängerin mitschleifte, oder genauer gesagt die Reaktion des Unternehmens auf den Unfall.

Cruise übermittelte ein Video einer Onboard-Kamera an die untersuchende Behörde – aber offenbar nicht alle Aufnahmen. Erst nachdem die Zulassungsstelle anderweitig von der Existenz weiterer Aufnahmen erfahren und diese angefordert hatte, soll Cruise diese herausgegeben haben. Darauf soll zu sehen sein, dass das Fahrzeug mit der bereits eingeklemmten Person mehrere Meter weitergefahren ist. Schon zuvor hatte die Feuerwehr der Stadt auf zahlreiche Vorfälle verwiesen, in denen die autonomen Taxis Ersthelfer und -helferinnen behindert hätten. Diese Sicherheitsprobleme in Verbindung mit der unzulänglichen Offenheit Cruises veranlasste die Behörde, die Betriebserlaubnis für kommerzielle Fahrten ohne Sicherheitsperson einzuziehen.

GM entschuldigte sich und wechselte das Cruise-Management aus, dennoch sollte sich das Projekt von dem Rückschlag nie wirklich erholen. Zwar ließ Cruise seine Autos ab April wieder auf öffentliche Straßen, aber nicht mehr in San Francisco. Dort war die Erde verbrannt. Zunächst wurden in Phoenix, Arizona, Cruise-Fahrten zur Sammlung von exaktem Kartenmaterial durchgeführt, ab Juni gab es dann wieder autonome Fahrten, die stets von einem Menschen am Volant überwacht wurden. Das ist natürlich doppelt teuer.

Im Juni gab GM Cruise noch einmal eine Finanzspritze in Höhe von 850 Millionen Dollar und sparte dafür beim Bau von Elektroautos. Das Cruise-Fahrgebiet sollte schrittweise auf Nachbargemeinden Phoenix' ausgedehnt werden, und auch in Dallas und Houston waren die Robotaxis unterwegs.

Doch dürften die technischen Fortschritte hinter den Erwartungen zurückgeblieben sein, vielleicht auch die Stimmung bei Behörden und in der Öffentlichkeit. Jetzt reicht es GM. VW und Ford haben ihr gemeinsames Selbstfahrpojekt Argo AI schon vor zwei Jahren begraben.

(ds)