Telekom: Bund macht gemeinsame Sache mit "Heuschrecke" Blackstone

Die Finanzprofis von Blackstone sollten dem einst als Volksaktie gefeierten T-Papier auf die Sprünge helfen, damit der Bund sein Restpaket von knapp 32 Prozent lukrativ versilbern kann.

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Von
  • André Stahl
  • Tim Braune
  • dpa

Aus heiterem Himmel kam die Ablösung von Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke auf Betreiben der Großaktionäre Bund und Blackstone nicht. Erste deutliche Warnungen sandte SPD-Fraktionschef Peter Struck schon Ende Oktober aus, als über einen weiteren radikalen Stellenabbau diskutiert wurde. Der Bund halte zwar nur rund 30 Prozent der Aktien, werde seinen Einfluss bei Europas größten Telekomkonzern aber ausüben, sagte Struck unmissverständlich an die Adresse von Ricke. Und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gab zuletzt die in Kapitalmarktfragen sonst übliche Zurückhaltung auf und machte seinem Ärger über den dahindümpelnden Kurs der T-Aktie ordentlich Luft: Wegen des enttäuschenden Kursverlaufs sei ein für Ende 2006 geplanter Verkauf von Telekom-Aktien über "Platzhaltergeschäfte" vertagt worden – mit entsprechenden Milliarden-Ausfällen für den klammen Bundesetat.

Steinbrück hatte bereits Ende April den Druck auf Ricke erhöht, als er für 2,7 Milliarden Euro 4,5 Prozent an den US-Finanzinvestor Blackstone verkaufte. Ein Jahr zuvor waren die Amerikaner in der SPD noch als "Heuschrecke" verunglimpft worden. SPD-Chef Franz Müntefering hatte im NRW-Landtagswahlkampf zu seiner Kapitalismuskritik ausgeholt:. Das Verhalten mancher Investoren verglich er mit einer "Heuschreckenplage" – gemeint waren so genannte Private-Equity-Gesellschaften, hoch spekulative Hedge- oder "Geierfonds", die Unternehmen bloß aufkauften, zerlegten und wieder abstießen.

Steinbrücks Strategie aber: Die Finanzprofis von Blackstone sollten dem einst als Volksaktie gefeierten T-Papier auf die Sprünge helfen, damit der Bund sein Restpaket von knapp 32 Prozent lukrativ versilbern kann. Als Einstieg in den Ausstieg könnte eine Kursmarke von 17 Euro je Aktie gelten, heißt es. Weil Ricke den Kundenschwund im Festnetz nicht stoppen konnte und mit einer unerwarteten Gewinnwarnung die beiden Großaktionäre zusätzlich verärgerte, soll Steinbrück Unternehmenskreisen zufolge bereits vor etwa einem Monat den Daumen über Ricke gesenkt haben. Gemeinsam mit Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel sei das Szenario für den schnellen Stabwechsel zu René Obermann entwickelt worden.

Steinbrück und Zumwinkel können sich anrechnen lassen, dass die Rochade an der Telekom-Spitze geräuschlos organisiert und ein peinliches Personaltheater wie im Sommer 2002 vermieden wurde. Damals war Telekom-Chef Ron Sommer von der Politik für den dramatischen Kurssturz auf nur noch etwas mehr als acht Euro verantwortlich gemacht und von Rot-Grün in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes geopfert worden.

Trotz erbitterter Gegenwehr musste der einst von der Politik hofierte Sommer das Feld räumen, Ricke übernahm das Ruder. Ironie des Schicksals ist, dass Rickes einstiger Förderer und Chef nun zu den Strippenziehern des erneuten Umsturzes zählte. Sommer ist Berater von Blackstone. Und sollte Steinbrück sich doch noch für einen großen Telekom-Aktienverkauf an den russischen Mischkonzern Sistema allen öffentlichen Dementis zum Trotz entscheiden, wäre der einstige "Mr. Telekom" wieder mit von der Partie. In seinem Portemonnaie steckt auch eine Visitenkarte als Sistema-Ratgeber.

Der neue Telekom-Chef Obermann wurde an den Finanzmärkten spontan mit einem Kursanstieg begrüßt. Die Aktie kletterte auf knapp 13,50 Euro. Doch schon bald könnte die Debatte über eine "Repolitisierung" des einstigen Staatskonzerns neu aufflammen. Analysten und Investoren sehen es nicht gerne, wenn der Staat bei einem DAX-Schwergewicht Einfluss nimmt. Wie werden sich SPD und Union verhalten, wenn die neue Spitze noch mehr Stellen abbauen will, um den "Rosa Riesen" zu sanieren? Zunächst soll die Telekom erst einmal aus den Negativ- Schlagzeilen heraus. Sollte Obermann auch in fünf Jahren noch an der Konzernspitze stehen, dürfte der Bund dann nicht mehr an Bord sein.

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(André Stahl, Tim Braune, dpa) / (jk)