Neuer Telekom-Chef: "durchaus chancenreiche Ausgangslage"

"Wir haben immer gesagt, dass im Konzern Service und Innovationen im Vordergrund stehen müssen", begrüßte ein ver.di-Vertreter die Berufung René Obermanns. Der neue Telekom-Chef muss an vielen Baustellen im Konzern aktiv werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 104 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dem neuen Telekom-Chef René Obermann "viel Erfolg" gewünscht. Wie bei jedem anderen Unternehmen wolle man, dass auch die Deutsche Telekom erfolgreich wirtschafte, sagte Merkel. Das sei gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – wobei sie einen Hinweis auf den Bund unterließ, der als größter Anteilseigner an der Telekom ebenfalls ein gesteigertes Interesse an guten Geschäftszahlen und steigendem Aktienkurs bei dem Telekommunikationskonzern hat. "Ziel ist es, den Aktienkurs über die Marke von 17 Euro zu hieven, sodass sich der Bund möglichst schnell im nächsten Jahr von seinen Aktien trennen kann", erfuhr dpa aus dem Konzernumfeld.

Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßten die Ernennung Obermanns. "Wir haben immer gesagt, dass im Konzern Service und Innovationen im Vordergrund stehen müssen", sagte ver.di-Bundesvorstand Lothar Schröder der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Er kenne Obermann als einen Manager, der genau diese Themen im Blick habe. "Das gibt mir die Hoffnung, dass er einen guten Job machen wird."

Schröder, der auch Vize-Aufsichtsrat der Telekom ist, erwartet nun einen "fairen" Umgang mit der Belegschaft. "Man muss den Mitarbeitern der Telekom wieder mit mehr Respekt begegnen", sagte er. ver.di hatte nach der Ankündigung eines umfangreichen Stellenabbaus im vergangenen Jahr Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke scharf kritisiert. Ein neuer Chef für die Telekom-Mobilfunktochter T-Mobile ist nach Angaben aus unternehmensnahen Kreisen noch nicht gefunden. Im Telekom-Vorstand werden aber noch weitere personelle Veränderungen erwartet. Auf der Abschussliste steht nach dpa-Informationen insbesondere T-Com-Chef Walter Raizner. Ihm wird der verspätete Start der Bündeltarife und des IPTV-Diensts angelastet. Aus Altersgründen könnte zudem Personalvorstand Heinz Klinkhammer seinen Posten verlassen.

Baustellen bei der Telekom: Vom Festnetz bis zum Mobilfunk

Von der rasanten Entwicklung der Internettechnik ist die Deutsche Telekom in den vergangenen Jahren überrannt worden. Für die Internettelefonie hatten die Manager zunächst nur ein Lächeln übrig, doch dann wurde der Vorstand mit gewaltigen Umsatzeinbrüchen für sein Nicht-Handeln abgestraft. Die Reaktion kam verspätet, als bereits mehr als eine Million Kunden der Telekom den Rücken gekehrt hatten. Längst sind viele Konkurrenten der Telekom vorausgeeilt. Bündelangebote (Mobilfunk, Festnetz, Internet) gibt es bei der Telekom erst seit wenigen Wochen.

Dabei war das klassische Festnetz einst die Paradedisziplin des Konzerns und ein verlässlicher Ertragsbringer. Seit der Marktöffnung in der Telekommunikation im Jahr 1998 wird der rosa Riese aber von Wettbewerbern aller Couleur bedrängt – und das ist auch regulatorisch bedingt. Schließlich ging es darum, ein Monopol zu brechen, das sich jahrelang durch überteuerte Telefonate Extragewinne abschöpfte. Der Wettbewerb machte es möglich: Telefonate verbilligten sich binnen weniger Jahren um mehr als 90 Prozent.

Das Festnetzgeschäft wurde immer schwieriger. Hinzu kommt, dass die Telekom in dieser Sparte als überpersonalisiert und wenig effizient gilt. Derzeit sind bei T-Com in Deutschland noch 110.000 Menschen beschäftigt, davon rund die Hälfte Beamte. Bis Ende 2008 soll die Zahl auf 90.000 sinken. Wenn dann in den Folgejahren weiter 45.000 Beschäftigte wie geplant in Service-Gesellschaften ausgegliedert sind, wären noch knapp 50.000 Menschen im Festnetzbereich tätig.

Die Regulierung der Telekom-Märkte gilt als eine andere Baustelle, in der sich die Bonner verstrickten. Anstatt offensiv die Herausforderungen der Wettbewerber anzunehmen, wurde immer wieder wie beim Glasfasernetz für VDSL-Anschlüsse trotz entschiedener Einwände der EU eine Regulierungspause gefordert. Dabei wurde sogar mit Investitionsstopp gedroht.

Auch im Mobilfunk lief in den vergangenen Jahren nicht alles glatt: Intern kam es immer wieder zu Reibereien mit der Festnetzsparte. Hinzu kamen teuer erworbene UMTS-Mobilfunklizenzen für ein Geschäft, das noch viele Jahre braucht, um richtig in Schwung zu kommen. In den USA allerdings reüssierten die Bonner mit einem Zukauf, der einst als völlig überteuert galt. VoiceStream, die heute T-Mobile USA heißt, gilt nun als eine Perle im Konzernportefeuille.

Sorgen bereitet auch der Geschäftskundenbereich, der immer noch eine geringe Marge abwirft. Neben dem harten Wettbewerb ringt T-Systems immer noch mit der Integration zugekaufter Gesellschaften wie etwa debis.

Bei Service und Kundenzufriedenheit an die Spitze?

Trotz all dieser Baustellen beschrieb Obermann die Situation in seiner Antrittsrede am heutigen Montag als "alles in allem zwar keine einfache, aber eine durchaus chancenreiche Ausgangslage". Der Kostendruck sei immens, der technologische Wandel ist rasant und die Regulierung verfolge weiterhin das Ziel, dass die Telekom Marktanteile abgeben müsse. "Dank der Arbeit meines Vorgängers Kai-Uwe Ricke" stünde die Telekom aber "wieder mit einer soliden Bilanz da" und sei "international mit weit mehr als 100 Millionen Kunden gut positioniert". Die Telekom könne auf sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertrauen und "die Qualität unserer Netze, unserer Technik und unserer Produkte wird zu Recht hoch gelobt".

"Ich glaube fest daran, dass wir unser Unternehmen in puncto Service und Kundenzufriedenheit auch im internationalen Vergleich an die Spitze führen können", betonte Obermann. "Marktführer beim Service zu sein und gleichzeitig die Kosten zu senken: Das ist unsere Hauptaufgabe."

Dem dürfte sich auch der Vorstand des Deutschen Verbandes für Post, Informationstechnologie und Telekommunikation, Manfred Rühl, weitgehend anschließen: "Was für uns am gravierendsten ist, ist die mangelnde Servicebereitschaft", meinte der Verbraucherschützer in einem dpa-Gespräch. Zahlreiche Kunden hätten das Gefühl, dass sie bei Problemen von einer Stelle zur anderen weitergereicht würden. "Wir haben häufig Kundenbeschwerden, die einfach vermuten lassen, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut." Obermann müsse beim Service eine Kurskorrektur vornehmen, um den Kundenschwund im Festnetz zu stoppen: "Neue Köpfe sind immer auch neue Chancen." Die Deutsche Telekom sollte jedoch ihre eingeschlagene Strategie, nur gegen die Wettbewerber zu agieren, überdenken. So könnte sich das neue und teure Hochgeschwindigkeitsnetz VDSL möglicherweise deutlich schneller für die Telekom bezahlt machen, wenn man es für Konkurrenten öffnet, meinte Rühl.

Siehe dazu auch:

(dpa) / (jk)