Ungarn errichtet umfassendes digitales Behördenfunknetz
Rund 50.000 Nutzer von Armee, Polizei, Zoll und Rettungsdiensten erhalten ein gemeinsames, landesweites TETRA-Netz. Die Infrastruktur liefert EADS, den Netzaufbau und -betrieb leistet eine Tochterfirma von T-Mobile und Magyar Telekom.
Ungarn schickt sich an, die bislang weltweit größte Anzahl verschiedener Behörden für öffentliche Sicherheit mit einem gemeinsamen, landesweiten Digitalfunknetz im TETRA-Standard zu versorgen. Dazu gehören nach Angaben des Infrastrukturherstellers EADS auch die ungarischen Streitkräfte, ferner die Staatspolizei und die Polizei von Budapest, der Grenzschutz, die staatliche Katastrophenschutzbehörde, Steuer- und Zollbehörden, Exekutivorgane, staatliche Rettungsdienste sowie die Umwelt- und Wasserschutzbehörde. EADS liefert die Netzinfrastruktur und zunächst 14.000 Endgeräte an die Firma Pro-M, die das landesweite Funknetz im Auftrag der ungarischen Regierung aufbauen und betreiben wird. Pro-M ist ein Tochterunternehmen von T-Mobile Hungary und Magyar Telekom, an der die Deutsche Telekom eine Mehrheitsbeteiligung hält.
EADS liefert TETRA-Basisstationen, Arbeitsstationen für Leitstellen und Funkterminals. Das landesweite Netz soll Ende Januar 2007 aufgebaut sein. Der Netzaufbau startet in der Region Budapest, wo das TETRA-Netz im April in Betrieb gehen soll. Seit der Übernahme der Betriebsfunk-Sparte von Nokia durch die EADS ist das ungarische Projekt aus Sicht des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns der bedeutendste TETRA-Vertrag in der Branche. Finanzielle Details gab EADS unter Berufung auf Geheimhaltungsvorschriften nicht bekannt. Gegenüber heise online kündigte eine EADS-Sprecherin an, dass der ungarische Staat weitere Ausschreibungen für Endgeräte plant, um insgesamt rund 50.000 TETRA-Terminals (Handfunkgeräte beziehungsweise Geräte zum Festeinbau in Fahrzeugen) zu erwerben.
Aus Sicht deutscher Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ist bemerkenswert, dass die ungarischen Streitkräfte dasselbe Netz nutzen werden wie ihre Kollegen von Polizei und Feuerwehr. Die Bundeswehr zählt explizit nicht zum Kreis der BOS in Deutschland. Diese Unterscheidung wird zum einen verfassungsrechtlich begründet, darüber hinaus gibt es deutliche Vorbehalte der Militärs, ihren Funkverkehr in einem gemeinsamen Netz mit zivilen Organisationen abzuwickeln, auch wenn dieser als abhörsicher gilt. Die Bundeswehr ist ebenfalls EADS-Kunde und nutzt das Digitalfunkverfahren Tetrapol für ihren Funkverkehr. Diese EADS-Eigenentwicklung ist nicht kompatibel mit dem ETSI-konformen TETRA, das von zahlreichen Herstellern angeboten wird.
Um bei zivilen Einsätzen der Bundeswehr, zum Beispiel bei Überflutungen, eine direkte Kommunikation mit den übrigen BOS zu ermöglichen, lassen sich Gespräche zwischen TETRA- und Tetrapol-Netzen wenigstens über die Leitstellen vermitteln. Entsprechende Ansätze zur Funknetzkonvergenz hatte EADS beim Reiterwettbewerb CHIO in Aachen demonstriert.
Im Vergabeverfahren für ein deutschlandweites BOS-Digitalfunknetz, in dem eine Entscheidung bis zur Jahresmitte erwartet wird, bevorzugt des Bundesinnenministeriums den TETRA-Standard. Mit der Übernahme der Betriebsfunk-Sparte von Nokia und einem gemeinsamen Gebot mit Siemens versucht der Konzern seine Chancen auf einen Zuschlag zu erhöhen. Die vormalige TETRA-Sparte von Nokia hatte unter anderem beim Aufbau des landesweiten VIRVE-Netzes in Finnland Meriten erworben. Bei VIRVE funken über die klassischen BOS hinaus auch weitere Nutzer wie Geldtransportfirmen im Dienst der Staatsbank in einem gemeinsamen TETRA-Netz, allerdings bleiben auch in Finnland die Streitkräfte außen vor.
Zur Ausstattung der Behörden und Organsiationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit Digitalfunktechnik siehe auch: (ssu)
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