Neue Musterverträge für den IT-Erwerb der Öffentlichen Hand

Seite 4: Einzelne Klauseln sind zu prüfen

Inhaltsverzeichnis

Einzelne Klauseln sind zu prüfen

Alle Klauseln der umfangreichen EVB-IT System sind im Einzelfall dahingehend zu prüfen, ob sie passend und akzeptabel sind. Im Folgenden sollen einige Klauseln näher erläutert werden, denen nach Ansicht des Autors bei Vereinbarung der EVB-IT System aus Anbieter- beziehungsweise Auftragnehmersicht besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.

Werkvertragsrecht

Während Ziffer 1 der Ergänzenden Vertragsbedingungen ein Gesamtbild der EVB-IT System und deren Inhalt vermittelt, wird der unter Einsatz der EVB-IT System geschlossenen Vertrag in Ziffer 1.1 als Werkvertrag charakterisiert. Werkvertragsrecht soll damit auch für Leistungen wie die Überlassung von Standardsoftware, den Systemservice oder den Betrieb einer Hotline gelten. Diese Leistungen würden für sich gesehen anderen Vertragsarten (vor allem Kauf- oder Dienstvertragsrecht) unterfallen. Die pauschale Vereinbarung von Werkvertragsrecht hat, nicht nur wegen der umfassenden Mängelrechte im Werkvertragsrecht, insbesondere Vorteile für den Auftraggeber.

Inwiefern die Vereinbarung des Werkvertragsrechts allerdings vor Gericht Bestand haben kann, ist fraglich. Grundsätzlich gilt: "Es zählt nicht, was drauf steht, sondern was drin ist." Das heißt, Gerichte orientieren sich bei der Bestimmung des anwendbaren Vertragsrechts nach dem Inhalt des Vertrages und weniger nach dem Vertragstyp, den die Parteien ausdrücklich gewählt haben. Die Vereinbarung, dass der Vertrag einer bestimmten Vertragsart unterfallen kann, findet aber bei der Auslegung durch das Gericht gegebenenfalls durchaus Berücksichtigung.

Herstellung der Gesamtfunktionalität

Für den Auftraggeber ist es von wesentlicher Bedeutung, dass der Auftragnehmer die Gesamtfunktionalität herstellt und alle Teilleistungen eine Einheit darstellen (Ziffer 1.4). In der Vertragspraxis wird diese allgemeine Formulierung an vielen Stellen zur Vertragsauslegung herangezogen werden und ist daher von erheblicher Bedeutung. Für den Auftragnehmer bedeutet dies, dass einzelne Teilleistungen, beispielsweise die Lieferung von Hardware, nicht aus dem Vertrag herausgelöst werden können. Eine Konsequenz kann sein, dass der gesamte Vertrag vom Auftragnehmer gekündigt oder rückabgewickelt werden kann, auch wenn nur eine Teilleistung nicht vertragsgemäß erbracht wurde.

Projektleitung

Der Auftragnehmer leitet das Projekt und trägt die Erfolgsverantwortung (Ziffer 1.5). Die Klarheit der Regelung ist zu begrüßen. Um so mehr sollte der Auftragnehmer jedoch sicherstellen, dass erforderliche Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers, die in vergleichbaren Verträgen in der Privatwirtschaft oft auch zu einer geteilten Projektleitung führen, im erforderlichen Maß vereinbart werden (vgl. hierzu unten "Mitwirkung").