Wie man Bestandskunden erfolgreich vergrault

Bestandskunden sind für ein Unternehmen bares Geld wert und sichern auch in schwierigen Zeiten den regelmäßigen Geldfluss. Vorausgesetzt, die Firma hat sie vorher nicht schon erfolgreich vergrault.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Die Beziehung eines Unternehmens zu seinen Bestandskunden ähnelt der eines Liebespaars: man sollte niemals glauben, dass der andere einem ganz "gehört" und nicht mehr umworben werden braucht. Leider stellt sich in vielen Vertriebsabteilungen aber ein gewisser Gewöhnungseffekt ein: der Bestandskunde wird nicht mehr regelmäßig angerufen, sondern lieblos abgefertigt oder bekommt gar das Gefühl vermittelt, dass er den Mitarbeiter durch seinen Anruf nur bei einer viel wichtigeren Aufgabe gestört hat. Die Kaufbereitschaft des Bestandskunden wird zu diesem Zeitpunkt bereits als selbstverständlich angesehen. Ein fataler Denkfehler, der die Firma sehr viel Geld kosten kann.

Wie Anne M. Schüller, Expertin für Loyalitätsmarketing, aus ihrer Praxiserfahrung weiß, gibt es solche "Kundenvergrauler-Strategien" aber nahezu in jedem Unternehmen. "Sie gehören gnadenlos aufgespürt und im Interesse der unternehmerischen Zukunft ausgemerzt. Denn wenn man sich als Kunde 'lästig' vorkommt, inkompetent, unfreundlich oder sonst wie schlecht behandelt wird, dann bleibt das Portemonnaie zu!".

Überraschend ist dabei nicht die Erkenntnis, dass Kunden nicht das Gefühl haben wollen, sich für ihren Einkauf entschuldigen zu müssen. Sondern die Tatsache, dass in vielen Firmen das "Sündenregister" schlechter Bestandskunden-Betreuung trotzdem sehr lang ist. Und das es vor allem die größeren Unternehmen sind, die als schlechtes Beispiel dienen. Denn je größer die Firma, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass man die echten Bestandskunden vor lauter Gier nach neuen Käufern aus den Augen verliert.

Anne M. Schüller ist Management-Consultant und Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen internationaler Dienstleistungs- unternehmen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und neunfache Buch- und Bestsellerautorin zählt zu den gefragtesten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen.

Anne M. Schüller hat die typischen und häufigsten Fehler, die Unternehmen bei ihrer Bestandskundenpflege machen, zusammengefasst und analysiert.

So genießen "Kundenjäger" in der Firma oft mehr Ansehen als die "Farmer": Wer laufend neue Kunden ranschafft, wird mit dicken Provisionen belohnt und ist in den Augen des Chefs ein besonders guter Mitarbeiter. Der "Farmer", der sich in erster Linie auf seine Bestandskunden konzentriert bzw. zu betreuen hat, ist ein Mitarbeiter "zweiter Klasse", der weniger Anerkennung und Geld bekommt. Es sind also die Chefs, die die falschen Signale aussenden.

Als Folge dieser Frustration wechseln die "Farmer" regelmäßig. Der Bestandskunde hat dauernd neue Ansprechpartner und muss diese quasi in seinen Fall einarbeiten. Das hinterlässt keinen guten Eindruck, irgendwann fragt sich auch der geduldigste Kunde, warum die Mitarbeiter eigentlich so oft wechseln.

Keine sonderlich gute Idee ist es außerdem, die Bestandskunden an externe Call Center auszulagern. Der persönliche Ansprechpartner löst sich in Luft auf, sobald der Vertrag unterschrieben ist. Stattdessen hängt der Kunde mit seiner Frage in der Warteschleife und muss dafür vielleicht auch noch bis zu 14 Cent die Minute zahlen. Hat er endlich jemanden an der Strippe, hat der keine Ahnung und/oder darf nichts entscheiden. So gut kann das Produkt nicht sein (die Beziehung ist es ja offenbar eh nicht), dass man sich das auf Dauer freiwillig antut.

Häufig ist der Bestandskunde für das Unternehmen nicht viel mehr als eine Ansammlung von Daten. Er wird "verwaltet" und mit Massenmailings zugemüllt, wenn er Pech hat, werden seine Daten auch noch an Partnerunternehmen weitergegeben. Eine optimale Bestandskundenpflege ist das sicher nicht, eher ein Kundenabschreckungsprogramm.

Wer seine Bestandskunden wirklich pflegen und eine langlebige Beziehung zu ihnen aufbauen will, der sollte ihnen einen Mitarbeiter zuweisen, der auch innerhalb der Firma den nötigen Respekt für seine Arbeit erntet und dadurch auch entsprechend motiviert an seine Aufgabe geht, rät Anne M. Schüller: "Menschen mit einer guten Kommunikationsgabe und feinen Antennen für die Wünsche des Kunden sind Loyalisierungs-Naturereignisse. Dort kauft jeder gern – und viel. Verkäufer mit zwei offenen Augen, einem lächelnden Mund und Spaß an ihrer Arbeit können Unternehmen weit besser sanieren als jedes Kostensparprogramm." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)