Elektro-SUV Aiways U5 im Fahrbericht: Nur wenig irritiert

Erst vor vier Jahren in China gegründet, hat Aiways bereits einen Standort in Deutschland und ermöglichte uns erste Fahreindrücke mit dem Elektro-SUV Aiways U5.

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(Bild: Aiways)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

In der Elektromobilität herrscht Goldgräberstimmung. Das mag auch an verschärften CO2-Grenzwerten und staatlichen Subventionen liegen, hat seinen Ursprung aber in China. Der größte Automarkt der Welt ist extrem dynamisch und die dortigen Hersteller profitieren stark von massiven Subventionen und einer Joint-Venture-Pflicht für ausländische Autokonzerne. Damit konnten sie technisch derart aufholen, dass sich mit Aiways erstmals ein chinesisches Elektroauto-Start-up nach Europa traut.

Der erste Versuch eines chinesischen Herstellers in Deutschland ging kolossal schief. Der Jiangling Landwind sollte 2005 die Speerspitze chinesischer Marken in Europa werden. Doch das konkurrenzlos günstige SUV erlebte ein Crashtest- und damit auch ein Image-Debakel. Exemplare, die es dennoch auf die Straße schafften, rosteten in Rekordgeschwindigkeit weg.

In der Autobranche hat dieser Exportversuch das Image chinesischer Autos nachhaltig geprägt. Billig, unsicher, mehr improvisiert als entwickelt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Jeder Autohersteller muss in China vertreten sein, will er global eine Rolle spielen. Die deutschen Marken erwirtschaften mittlerweile rund 40 Prozent ihres Umsatzes in der Volksrepublik. Allerdings unter strengen Auflagen.

Aiways U5 Teil 1 (5 Bilder)

Das Elektro-SUV U5 ist das erste Fahrzeug der Marke Aiways. Das Unternehmen wurde erst 2017 gegründet.

So brauchen ausländische Marken einen Joint-Venture-Partner vor Ort, was zu einem enormen Wissenstransfer nach China führt. Dazu fördert die Kommunistische Partei seit Jahren sogenannte New Energy Vehicles (NEV). Die Hersteller müssen eine bestimmte Menge davon in den Markt drücken. Unter die Rubrik NEV fallen Plugin-Hybride, Wasserstoff-Modelle und batterieelektrische Autos. Die wichtigste Auflage ist aber, dass diese Fahrzeuge in China produziert werden müssen.

Was Europa betrifft, sind die Hersteller aus China jedoch sehr vorsichtig. Niemand möchte mit lautem Marketing in einen gesättigten Markt mit anspruchsvollen Kunden, um dann krachend zu scheitern. Die Elektromobilität macht die Firmen allerdings mutiger. Viele haben bereits geringe Stückzahlen nach Norwegen exportiert. Quasi als Testballon. Doch Aiways will mehr. Die Marke wurde 2017 gegründet und hat mittlerweile eine eigene Dependance in München – inklusive einer kleinen Abteilung für Forschung und Entwicklung.

Dass die Elektromobilität im Allgemeinen und die in China im Speziellen ganz anders funktioniert als die klassische Verbrenner-Branche, zeigt schon die kurze Zeitspanne. Zwischen der offiziellen Gründung der Firma und der Produktion der ersten Autos vergingen keine zwei Jahre. Ein Sprint, der mit einem Verbrennungsmotor nicht möglich gewesen wäre. Doch in der Zeit entwickelte und produzierte die Marke den Aiways U5.

Der ist ein batterieelektrisches SUV, das abzüglich der staatlichen Förderungen für knapp unter 30.000 Euro zu haben ist. Mit 4,68 Metern ist er zehn Zentimeter länger als ein Audi Q4 e-tron (ab 41.900 Euro) und fünf Zentimeter kürzer als ein BMW iX3 (ab 67.300 Euro). Also so dimensioniert, dass der Wagen für sehr viele Kunden passt.

Genau das sei das Spannende an der Elektromobilität, erklärt der zuständige Geschäftsführer bei Aiways, Alexander Klose, im Gespräch mit heise/Autos. Bei den Verbrennern gäbe es für jede nur erdenkliche Kundengruppe ein Auto. Designer, Entwickler und die Marketingabteilung hätten für jede Alters- und Einkommensgruppe, für jede Lebenssituation und jeden Anwendungsbereich eine vermeintliche Lösung. Doch die Zielgruppen würden zerbröseln, weil sich ein Kundenstamm bildet, der eben elektrisch fahren möchte – die Fahrzeugklasse spiele dabei eine untergeordnete Rolle.

Angesichts dieser Konstellation versucht Aiways möglichst flexibel zu bleiben und setzt bei der Produktion auf die MAS-Plattform. Das Kürzel steht für "More Adaptable Structure" und bedeutet, dass sich die Größe der Fahrzeuge leicht anpassen lässt. Entsprechend schnell sollen neue Modelle erscheinen. Auf den U5 soll im Jahr 2022 der U6 folgen. Ein SUV mit etwas sportlicherer Optik. Die Studie U7 kann bereits auf Bildern bestaunt werden. Ziel ist es, jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt zu bringen.

Ambitioniert, wenn man bedenkt, dass diese Marke gerade einmal vier Jahre existiert. Aiways kam derart schnell aus den Startlöchern, weil die Marke zur Gründung 50 Prozent von Jiangling Motors erwarb (Stichwort: Landwind). Damit bekam das Unternehmen nicht nur eine Fabrikationslinie, sondern auch gleich eine Lizenz für den Elektroautobau. Doch das Konstrukt war von Anfang nur eine Notlösung. Mittlerweile besitzt Aiways ein eigenes Produktionswerk mit einer jährlichen Gesamtkapazität von 300.000 Stück.

Zwar kommuniziert Aiways keine Verkaufszahlen, gibt aber an, in Europa bereits eine vierstellige Zahl von U5 auf der Straße zu haben. Für 2022 plant die Firma, eine fünfstellige Zahl zu verkaufen. Was alleine schon wegen der sportlichen Expansionspolitik klappen könnte. In Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark und Israel kann der U5 schon gekauft werden. Österreich, die Schweiz, Portugal und Spanien sollen sehr rasch dazukommen.

Auf ein klassisches Händler- und Werkstättennetz verzichtet Aiways. Mit dem Aufkommen der Elektromobilität wähnt Klose die Autohersteller in einer Rückzugsschlacht in diesem Geschäftsfeld. Der U5 habe ein Wartungsintervall von 100.000 Kilometern. Elektroautos sind deutlich unkomplizierter im Aufbau und brauchen weniger Service, argumentiert der Hersteller. Aiways kooperiert beim Vertrieb daher mit dem Elektrofachgeschäft Euronics, während ATU für Wartung und Reparaturen zuständig ist.

Aiways versucht mit dem U5 gar nicht erst, ein europäisches Auto nachzubauen, sondern möchte die Kundschaft mit chinesischen Werten überzeugen. Das bedeutet zum Beispiel enorm viel Platz auf der Rücksitzbank. Weil viele chinesische Autobesitzer eben nicht selbst fahren, sondern dafür einen Chauffeur haben. Das bedeutet aber auch, dass das Cockpit vollkommen durchdigitalisiert wurde. Jede einzelne Funktion – Heckklappe öffnen, Fenster schließen, Lichter einschalten oder anders färben – muss über den zentralen Bordcomputer gesteuert werden. Das erfordert einiges an Umgewöhnung. Immerhin lassen sich oft benutzte Funktionen per Schnellanwahl bedienen und zumindest für die Fenster und Außenspiegel gibt es zusätzlich klassische Knöpfe.