Elektroauto MG ZS EV im Test: Streben nach globalem Anklang

Konträr zum charakterstarken Markenklischee strebt der MG aus China nach weltweitem Anklang. Im Ergebnis brauchbar, etwas beliebig, doch wenigstens nicht teuer.

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MG ZS EV

Das Übliche aus allen Welten: Der MG ZS EV gibt sich alle Mühe, in der Menge zu verschwinden.

(Bild: Florian Pillau)

Lesezeit: 12 Min.
Inhaltsverzeichnis

Dieses Auto werde ich länger als andere im Gedächtnis behalten. Beim ersten Laden frohgemut die Säule bei mir ums Eck per Karte aktiviert und eingestöpselt tut sich – nichts! Das ganze Prozedere in umgekehrter Reihenfolge funktioniert auch nicht. Vielleicht braucht es ja eine Weile, bis Strom fließt, wie ich es von Blei-Säure-Starterbatterien kenne. Mein zugegeben phantastisch irrationales Argument dafür, erst noch etwas abzuwarten.

In Erwartung des Stroms arbeite ich mich an der Sitzposition ab. Ich stelle fest: Die Lenksäule lässt sich nur in ihrer Höhe, nicht aber in der Weite einstellen. Das ist heute selbst in billigen Kleinstwagen selten. Tatsächlich hätte ich in diesem Auto wohl eine gute Sitzhaltung gefunden, wäre das Lenkrad auch in der Weite einstellbar. So blieb es bei einer passablen, für längere Fahrten aber zu weit nach hinten geneigten Position.

Gar nicht so schlechte Rundumsicht böten die weit herunterreichenden Fenster, stiegen nur die Unterkanten der hinteren Seitenfenster nicht so modisch Richtung C-Säule an. Aber auch das kennt man genau so oder ähnlich von allen anderen zeitgeistigen Autos, selbst wenn sie nicht aus China stammen. Der ganze Rest des Autos wirkt ebenfalls merkwürdig vertraut europäisch statt wie erwartet ungewohnt anders.

Das liegt sicher an den Gestaltern aus der Mitte Europas, welche die gewaltige chinesische Auto-Konzern-Gruppe SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) nach dem Kauf der Traditionsmarke MG 2007 ins Reich der Mitte abgeworben hat. Lenkrad- oder Fensterheberschalter wirken gar wie alte Bekannte aus vergangenen VW-Modellen. Kein Wunder, denn SAIC ist schon seit Jahrzehnten mit Volkswagen liiert.

MG ZS EV Teil 1 (7 Bilder)

Ein bisschen von allem was sich im Segment der B-SUV gut verkauft prägt das Äußere des MG ZS EV.
(Bild: Florian Pillau)

Es klackt neben dem Wagen, jemand steigt in das Tesla Model 3 (Test) neben dem MG und rollt lautlos davon. Der andere Platz an der Ladesäule ist frei. Also schnell ausgestöpselt, umrangiert und am Ladepunkt auf der anderen Seite der Säule wieder angehängt. Erneut erfolglos. Ohne Rück- oder Fehlermeldung – weder vom Ladepunkt noch vom MG, abgesehen vom eingeblendeten Symbol: "Steckt, aber lädt nicht".

In den zwanzig Minuten, die ich an der belebten Kreuzung am, im und um das Auto herumhantiere, interessiert sich kein Mensch für den MG. Entspannend, nicht ständig auf ein Auto angesprochen zu werden, das ganz offensichtlich noch nicht zu kaufen ist. Erwartet hätte ich es schon. Verschwindet so eine perfekte Melange aus allem Gewohnten und Gewöhnlichen quasi vor den Augen der Leute?

Nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu SUV, nicht zu Crossover wirkt es wie eine Verschmelzung aus Modellen von Volkswagen (VW T-Roc, Test), Kia, Hyundai und vielen Massenvehikeln mehr – mit einem guten Schuss Mazda CX-5 (Test). Nicht einmal die übliche Dachreling fehlt. Für einen neuen Anbieter am Markt sicher eine Strategie, mit der man von der Mitte des Mainstreams aus startend wenigstens nicht viel falsch machen kann.

Mittlerweile hängt sich gegenüber erfolgreich ein Mini Cooper SE (Test) ans Netz. Die Säule ist’s also ganz offenbar nicht. Die umfangreiche, gut gemachte, übersichtliche, instruktiv bebilderte und in brauchbarem Deutsch geschriebene Anleitung hilft nicht. Weder die Kurz- noch die Langfassung bietet eine Erklärung. Erst ein Anruf bei den hilfsbereiten Mitarbeitern des bis zur Gründung einer eigenen deutschen Dependence für MG zuständigen Carservice Erkens bingt die Information: "Ja – den müssen Sie noch abschließen, sonst fließt kein Strom!" Ach.

Vor diesem Anruf habe ich mich mit dem Berührungsbildschirm vertraut gemacht. Ich tippte recht verzweifelt darauf herum, um den Ladevorgang anzustoßen. Seine Reaktion auf Eingaben wirkt vorgestrig wie die Menüführung, die man damit auslöst. Wir sind mittlerweile Prozessoren gewohnt, deren Rechenvorgänge unsere Reaktionszeiten unterbieten. Android Auto und Apple Car Play sind Serie und funktionieren wie gewünscht, ähnlich dem Rest der fast schon intuitiven Bedienung.

Der Richtungswähler beispielsweise. Der ist zwar ein Dreh-Drückschalter ähnlich dem in einigen Land Rover-Modellen und insofern selten gesehen, doch erschließt sich seine Funktion fast automatisch. Wahltasten davor erlauben Rekuperation ("KERS") und Fahrdynamik dreistufig festzulegen. Eine Taste holt – etwas merkwürdig – für Sekunden die ohnehin dort angezeigte mögliche Reichweite etwas größer ins Zentralinstrument. Hinter dem Dreh-Drücksteller liegt der Schalter für die elektrische Feststellbremse.

Als primär fossil angetriebenes und entsprechend konstruiertes Fahrzeug ist der MG ZS auch als Elektromobil erhältlich. Mit Rücksicht auf den Verbrennungsmotor sitzt die Vorderachse für ein E-Auto unnötig weit hinten und beschränkt den Innenraum. Der Motorraum ist beim ZS EV mit der Elektrik nur schütter gefüllt. Mit etwas gutem Willen wäre sich dort sogar ein kleiner Frunk ausgegangen. Immerhin bietet der konventionelle Kofferraum zwischen 448, mit umgelegter Rückbanklehne 1116 Liter. Beim etwas kürzeren Strom-SUV aus Korea, dem Hyundai Kona EV (Test) sind es 332 bis 1114 Liter.

MG ZS EV Teil 2 (14 Bilder)

So groß ist die Dachöffnung von innen gesehen.
(Bild: Florian Pillau)

Für ein Auto dieser Dimension – der MG misst 4,31 Meter – herrscht ein fast großzügiges Platzangebot auf der gegen Aufpreis kunstbelederten, sonst stoffbezogenen Sitzgruppe. Bizarrerweise nicht vollwertig ist der dritte Platz auf der Rückbank mit Gurt aber ohne mittlere Kopfstütze. Dabei säße man im MG dank eines fast flach durchgehenden Bodens gerade dort würdiger als in vielen Autos mit einem hohen Tunnel. Gut für die Atmosphäre und für mich ein bedeutendes potenzielles Kaufargument ist in der teuren von zwei Ausstattungslinien erhältlich: Ein großes Glasdach inklusive Öffnungsfunktion.

Ein bisschen nach Trambahn und etwas lauter als die meisten Elektroautos tönt der Antrieb auf der Vorderachse, was aber nie stört. Oberhalb Stadtgeschwindigkeit wird es größtenteils vom ebenfalls erträglich dezenten Rauschen der wintertauglichen Michelin Alpin übertönt. Auf der Autobahn wurde ich gern mal zu schnell, weil das Auto so leise fährt, wobei 140 km/h die Abregelgrenze des MG ist. Leistung und Durchzug lassen sich dreistufig in Modi (normal, eco und dynamisch) abrufen, in allen fühlt man sich im MG zwischen gut und gut genug motorisiert.

Wir empfehlen die aggressivste, um nötigenfalls alle Kraft und gleichzeitig die kräftigste Rekuperation abrufen zu können. Damit kann man zwar auf den ersten Metern die Schlupfregelung in Verlegenheit bringen. Wer aber maßvoll fährt, verschlechtert damit die Reichweite nicht. 105 kW und 353 Nm sind eine Menge Holz, daran ändert weder das Gewicht von knapp 1600 kg noch der Hinweis auf die oft noch besser motorisierten Konkurrenzprodukte etwas.

Auch die Rekuperationsstärke lässt sich vorwählen. Schade, dass selbst bei maximaler Rückgewinnung die Bremswirkung schwächer bleibt als bei einem Motor dieser Leistung erwartbar. Einpedalfahren ist so zwar möglich, aber nur mit betont vorausschauender Fahrweise. Der Übergang vom rückgewinnenden zum Reibungsbremsen ist wie bei den allermeisten modernen Elektroautos kein Thema mehr: Man spürt nichts davon.

MG ZS EV Teil 3 (10 Bilder)

Der MG ZS EV ist ein Frontlader.
(Bild: Florian Pillau)

Etwas zu wenig spürt man beim Lenken. Die Auslegung ist – ähnlich wie die Optik – offenbar auf die globalen Märkte abgestimmt, nimmt jedenfalls keine Rücksicht auf typisch deutsche oder britische Befindlichkeiten, wo mehr Gefühl für die Straße gefragt wäre. Mit zunehmender Globalisierung werden wir uns sicher noch häufiger auf diese Art übergangen fühlen. Ähnliches gilt für Federung, Dämpfung und Bremse: Alle berücksichtigen auf unauffälligstmögliche Art die internationalen Gepflogenheiten, nichts daran besitzt erwähnenswerte Charaktereigenschaften. Auch hier zielt der MG auf eine größtmögliche Anschlussfähigkeit und widerspricht damit ganz nebenbei maximal dem Klischee einer entschieden rauhen, etwas exzentrischen Dynamik, wie sie die Marke MG seit 1924 in unseren Köpfen verankert hat.

Der Abstandsregeltempomat mit lenkender Staufolgefunktion, Spur- und Fernlichtassistent sowie die Verkehrszeichenerkennung bieten in diesem Rahmen das Übliche, sie entlasten, übernehmen aber nicht so viel Fahrerarbeit, dass dieser abschalten könnte. Das fände ich im Übrigen auch gruselič. Nicht ausprobiert habe ich aus naheliegenden Gründen den Notbremsassistenten. Ich kann ihn immerhin dafür loben, wenigstens keinen Fehlalarm ausgelöst zu haben, wie die in anderen Testwagen, zuletzt von Suzuki Swift (Test) und Vitara (Test). Unterstützend wirkt auch die Rückfahrkamera mit ihrer ungeschützt leider schnell verschmutzenden Linse.

Die Netto-Verbrauchsangabe von 16,2 kWh/100 km im WLTP scheint uns etwas optimistisch, wir erreichten Schnitte von bestenfalls 18,9 und schlechtestenfalls 21 kW/100 km, ohne Ladeverluste wohlgemerkt. Die angegebene Reichweite schrumpfte im gemischten Verkehr auf 220 km, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt Richtung 200. Der Verbrauch erscheint normal für ein über 1,6 Meter hohes Auto, nur zählt der Akku mit seinen 44,5 kWh Fassungsvermögen (davon nutzbar 42,5) mittlerweile schon zu den kleineren im Bereich ähnlich dimensionierter Crossover-Elektroautos. Dank CCS-Schnellladefähigkeit, bei der der MG ZS EV laut Fastned-Ladekurve maximal etwas über 75 kW zieht und bei rund 45 Prozent Ladung die 50 kW unterschreitet, soll der leere Akku in 40 Minuten auf 80 Prozent ladbar sein.

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Bei der einzigen Gelegenheit, zu der wir mit annähernd leerem Akku an einen 150-kW-Lader rollten, ließ sich das nicht nachvollziehen. Die Säule wollte nicht mehr hergeben als 6,6 kW, woran das lag, konnten wir nicht feststellen. An der Säule "um die Ecke", an der ich das üblicherweise probiere, ging das nicht: hier muss ein Rezeptionist von gegenüber eine Schranke öffnen. Doch ist der offenbar wegen der Seuche dauerhaft wohl anderweitig zugange.

Beim MG ZS EV muss man sich im Übrigen auf die Angaben an den Säulen verlassen, im Fahrzeug werden Ladestrom und voraussichtliche Rest-Ladedauer nicht angegeben. Apropos Laden: Erst Tage nach dem ersten Lade-Erlebnis mit dem MG fand ich den Hinweis, das Auto abzusperren, auch auf dem Brief der Pressestelle, die ich um Verzeihung für die Unhöflichkeit bitten möchte, einfach losgefahren zu sein, ohne vorher ihr Begleitschreiben zu konsultieren.

Wer mit der Batterie des MG auskommt und die Vorteile der SUV-Form wie einfaches Einsteigen und aufrechtes Sitzen schätzt, bekommt mit dem MG ZS eine ausgesprochen unspektakuläre und etwas günstigere Alternative zu den etwas sparsameren Elektroautos Hyundai Kona EV (Test) oder Kia e-Soul (Dauertest) mit ihren jeweils 39 kWh. Von den 33.990 Euro für das gefahrene Modell kann man derzeit 9570 Euro Innovationsprämie abziehen und kommt auf einen wohl am ehesten durch das Argument "gute Ausstattung" zu rechtfertigenden Preis. PSA liegt mit Opel Mokka-e und Peugeot e-2008 etwas oberhalb des MG, allerdings mit einer insgesamt moderneren Basis.

Der Wagen soll in Deutschland "ab Februar" vertrieben werden, wobei noch nicht klar ist, mit wie vielen Stützpunkten MG in seine erste Saison gehen kann. Mangelhafte Sicherheit ist bei chinesischen Autos schon länger kein besonderes Thema mehr, Euro NCAP bescheinigt dem MG gute Crashtest-Noten. Auch das Risiko unzureichend erprobter Technik dürfte sich in engen Grenzen halten, denn auf die Batterie bekommt der Kunde eine Garantie von acht Jahren – mehr als bei Hyundai oder Kia.

Der Importeur hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt und die Stromkosten übernommen.

Hersteller MG
Modell ZS EV
Motor und Antrieb
Motorart Permanenterregter Synchronmotor
Leistung in kW (PS) 105 (143)
Drehmoment in Nm 353
Akkukapazität netto in kWh 42,5
Akkukapazität brutto in kWh 44,5
Max. Ladeleistung AC in kW 6,6
Max. Ladeleistung DC in kW 85 (max. 76 laut Fastned)
Reichweite laut Hersteller bei 60 km/h in km 428
Reichweite im NEFZ in km 335
Reichweite im WLTP in km 263
Abmessungen, Gewichte, Volumina
Länge in mm 4314
Breite in mm 1809
Höhe in mm 1644
Radstand in mm 2585
Leergewicht in kg 1518
Kofferraumvolumen in Litern 448 bis 116
Zuladung in kg 448
Fahrleistungen
Beschleunigung 0-100 km/h in s 8,2
Höchstgeschwindigkeit 140
Verbrauch
Testverbrauch in kWh / 100 km 21
Verbrauch nach WLTP 18,6 brutto
Daten Stand Oktober 2020
Modell MG ZS EV
Ausstattungslinie Luxury
Preis für diese Ausstattungslinie 33,990
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss Serie
Soundsystem Serie ("3D", 6 Lautsprecher)
Navigationssystem Serie
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display -
Android Auto/Apple CarPlay Serie
kabelloses Laden von Handys -
Assistenz
Abstandstempomat Serie
Einparksensoren vorn -
Einparksensoren hinten Serie
Rückfahrkamera Serie
Totwinkelwarner Serie
Spurverlassenswarner Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht -
Fernlichtassistent Serie
Bergabfahrhilfe Serie
Funktion
elektrische Heckklappe -
Alarmanlage Serie
schlüsselloser Zugang Serie
CCS-Anschluss Serie
Komfort
Sitzheizung Serie
Ledersitze -
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Glas-Panorama-Schiebedach Serie
Sonstiges
Metalliclack 650
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand Januar 2021

(fpi)