Moto Guzzi V7 Special im Test

Seite 2: Sanftes Erzittern

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Zeit den Motor anzulassen, der V2 meldet sich mit dem typischen Brabbeln. Glücklicherweise gehört Moto Guzzi nicht zu den italienischen Marken, die glauben, durch erhöhte Lautstärke auf sich aufmerksam machen zu müssen. In Zeiten von Lärmdiskussionen und drohenden Streckensperrungen ist das ein sehr zu lobender Beitrag zur Akzeptanz von Motorrädern.

Die Kupplung erfordert – im Gegensatz zu früheren Moto Guzzi – kaum noch Kraft, aber der erste Gang rastet immer noch deutlich hörbar ein. Einspritzung und Drehwinkel des Griffs sind so abgestimmt, dass der Motor sanft ans Gas geht. Natürlich ist das typische Schütteln (wegen des Längseinbaus des V2) noch vorhanden, aber das erwarte ich bei einer Moto Guzzi und es wird nie unangenehm. Wie eh und je erfolgt die Kraftübertragung ans Hinterrad per Kardan und dessen Reaktionen sind immer noch präsent.

Die neue V7 hat spürbar an Leistung zugelegt, allerdings darf der Fahrer bei 65 PS und einem Fahrzeugleergewicht von 223 Kilogramm keine Wunder erwarten. Sie zieht brav voran und legt ab 4500/min nochmal ordentlich nach – ein bislang bei der V7 unbekanntes Phänomen. Der Schub reicht bis 7000 Touren, allerdings warnt der bei 6500/min beginnende rote Bereich vor dauerhafter Nutzung der Höchstleistung. Das maximale Drehmoment von 73 Nm liegt hingegen schon bei 5000/min an und der V2 hält das Drehmoment-Plateau auch bis 7000/min aufrecht.

Ich bin erstaunt, aber die V7 fühlt sich im oberen Drehzahlbereich durchaus wohl. Bei der Höchstgeschwindigkeit stößt sie ebenfalls in neue Dimensionen vor: 190 km/h vermeldet der Tacho. Auch wenn er ein paar Stundenkilometer vorauseilen dürfte, ist die V7 Special deutlich schneller als die Vorgängerin unterwegs. Das Tempo ist zwar wegen des hohen Windrucks auf dem schutzlosen Naked Bike nicht gerade angenehm, aber es ist gut zu wissen, dass die Guzzi es kann, wenn der Fahrer es möchte.

Wer Kontakt sucht, sitzt auf der V7 Special genau richtig, denn der Fahrer wird regelmäßig auf den vermeintlichen Oldtimer angesprochen. Ich habe es nach einer Weile aufgegeben, den Leuten zu erklären, dass die Moto Guzzi nagelneu ist. Die V7 kann natürlich nicht nur Boulevard, auf der Landstraße allerdings sollte man keine übertrieben sportlichen Talente erwarten, die dünne 40-mm-Telegabel und die klassischen, beidseitigen Feder-Dämpferbeine sind dafür nicht ausgelegt. Das Fahrwerk ist weich abgestimmt und lässt sich – außer in der Vorspannung der beiden Federbeine – nicht einstellen.

Moto Guzzi V7 Details (9 Bilder)

Moto Guzzi legt Wert auf Details. Besonders, wenn es den eigenen Namen angeht.

So erweist sich die Moto Guzzi auf schlechter Wegstrecke zwar als komfortabel, bewegt den Fahrer aber im Wortsinne über kurz oder lang zu einer verhalteneren Fahrweise. Die V7 Special ist kein Ausbund an Handlichkeit, das verhindert der lange Motor, dafür lässt sie sich zielgenau durch Kurven steuern. Moto Guzzi liefert die V7 nun mit einem breiteren Hinterreifen im Format 150/70-17 (bisher: 130/80-17), vorn blieb es bei der Dimension 100/90-18. Die an die höhere Motorleistung angepasste Reifendimension bietet mehr Grip und größeres Vertrauen in Kurven.

Die V7 Special verfügt über erstaunlich viel Schräglangefreiheit, aufgesetzt hat sie nie, da an unserer Testmaschine die sogenannten Angstnippel unter den Fußrasten abgeschraubt worden waren. Ich hege den Verdacht, dass sie einige Kollegen vor mir in Kurven derartig abgeschmirgelt haben, dass die Werkstatt des Moto Guzzi-Importeurs die Reste entfernt hat.

Begrenzender Faktor bei forscher Gangart ist die Bremse, denn die Brembo-Bremszange an der einzelnen 320-mm-Bremsscheibe bietet einen nur schwammigen Druckpunkt. So setze ich nach einiger Zeit die Bremspunkte vor Kurven früher als gewohnt, auch wenn das Zwei-Kanal-ABS von Conti zuverlässig arbeitet. Wer keine Supersportler-Maßstäbe anlegt und sich auf die Eigenheiten der V7 einlässt, erlebt einen herrlich entspannenden Ausritt über die Landstraßen, begleitet vom satten Blubbern des V2-Motors. Selbst Überholmanöver gehen dem neuen Modell locker von der Hand: Wo früher mindestens ein Gang zurückgeschaltet werden musste, genügt es jetzt den Gasgriff aufzuziehen.

Die klassisch gestaltete Sitzbank mit den Quernähten vorne und reichlich Platz für den Sozius wirkt wie ein Ruhekissen. Allerdings ist sie auf Dauer etwas zu weich gepolstert und sitzt sich langsam durch. Groß auftrumpfen kann die V7 bei der Reichweite: Sie verbraucht im Schnitt 4,9 Liter auf hundert Kilometer und kommt somit beeindruckende 429 Kilometer weit. Um einmal hinzuzufügen, dass früher nicht alles besser war, sei an dieser Stelle der Verbrauch der 1972er V7 850 GT mit ihren 51 PS genannt: 6,5 Liter.

Die V7 Special ist absolut tourentauglich und der Besitzer findet im Moto Guzzi-Zubehör Seitentaschen samt Halterungen und einen Gepäckträger. Ein Hauptständer ist leider nicht serienmäßig vorhanden und kostet satte 239 Euro Aufpreis, auch ein Windschild wird angeboten, das aber an der V7 Special Stilbruch wären. Moto Guzzi gibt ihr zwar eine Werkzeugtasche mit, aber darin findet sich nur ein Hakenschlüssel zum Verstellen der beiden Federbeine – das ist ein bisschen dürftig. Die neue Moto Guzzi V7 Special gibt es ab 10.100 Euro Listenpreis, das sind 300 Euro mehr als das Vorgängermodell.

Eine Moto Guzzi V7 Special will mit modernen Mitteln ein Motorrad wie von früher sein. Mit ihrem immer noch authentischen Antriebsstrang, ihrer Fahrwerksgeometrie und der Abstimmung gelingt ihr das sehr überzeugend. Sie erfüllt aber auch den zu Recht verbreiteten Wunsch nach ABS, zeitgemäßer Zuverlässigkeit, besseren Fahrleistungen und nicht zuletzt einer deutlich geringeren Umweltbelastung als die Originale von damals. Den Spagat bewältigt die V7 Special mit Bravour, sie bringt viel des Fahrgefühls von einst zurück – ohne gravierende Nachteile und nun sogar mit deutlich mehr Schub.