Solide Basis, nervige Software: Opel Combo Life Electric im Test

Opels elektrische Variante des Kleintransporters Combo punktet mit guter Hardware und nervt mit schlechter Software. Der Entscheidungspunkt bleibt der Preis.

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(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Erste Autos prägen. Mein erstes Auto war ein Opel Vectra, eines der langweiligsten jemals gebauten Autos, aber ein solider Mobilitäts-Kumpel. Von Opel erwarte ich aufgrund dieser Prägung das automobile Äquivalent zu gutbürgerlicher deutscher Landküche: Es soll genug sein, es soll preiswert sein und wenn Extras, dann bitte einen Kopfsalat und keinen Krabbensalat, denn solchen Fancy Shit kriegen sie im Landgasthof sowieso nicht richtig hin. Mit dieser Erwartung sehe ich Opel-Fahrzeuge seit vielen Jahren in einem Spagat zwischen solider Hardware und Software-Features, die einfach zu überambitioniert für das Personal sind. So bleibt es auch im Kleintransporter Combo Electric.

Das dauerhaft deprimierendste Beispiel ist die Verkehrsschilderkennung. Sie liest immer noch Schildaufkleber von LKW-Hintern ab und schreibt dir das als die aktuelle Geschwindigkeit in den Tacho. Da rege ich mich schon seit so langer Zeit darüber auf, und es wird nicht besser, sondern schlimmer: Die EU spielt nun auch noch mit und verlangt für Neuzulassungen Warnungen für Geschwindigkeitsübertretungen. Das ist wie immer gut gemeint, aber völlig befreit von Fakten beschlossen worden und mit einer kindlichen Naivität: Es gibt keine Vorgaben dazu, wie gut das funktioniert, also nimmt der Combo vom LKW ab oder fantasiert falsche Werte aus dem Kartenmaterial und nervt dich dann damit und das alles erfüllt problemlos die EU-Vorgaben. Manchmal möchte man nach Brüssel fahren, um einmal kräftig an Bürokratenköpfen zu rütteln, in der Hoffnung, dass das Konnektom in der allgemeinen Realität rebootet.

Im Weiteren muss ich mich der Kritik des Kollegen Martin Franz am im Combo eingesetzten TomTom-Navi anschließen, das bei meinem Test des Peugeot e-308 auf der Teststrecke noch gut funktionierte. Im Combo auf anderen Strecken suchte die Verkehrsdichteschätzung zur Vermeidung kleiner Staus in der Stadt gigantische Umwege über die Umgehungsstraßen, die zuverlässig länger dauerten. Gern fährt das Gerät auch illegale Abbiegungen. Bei der Anfahrt zu einer Ladestation routete es mitten durch den Kurpark Bad Mergentheim (durch den man natürlich nicht fahren darf). Man verwende einfach Google Maps über Android Auto oder Apple Carplay für gescheite Verkehrsinfos. Wenn man sich an die Eigenheiten gewöhnt hat, funktioniert das reine TomTom-Navi ohne Verkehrsinfo-Routing gut.

Opel Combo Life Electric außen (9 Bilder)

Kastenform mit Zugeständnissen an die Aerodynamik. Opel gibt 50 km mehr Reichweite aus derselben Brutto-Akkukapazität an, und Effizienzoptimierungen sind ein Teil davon.
(Bild: Clemens Gleich)

Die App "myOpel" funktioniert nach vielen nicht interpretierbaren Fehlermeldungen bei der Installation ebenfalls ganz gut im Sinne von: Manche Sachen funktionieren, wenn auch nicht wie beworben. Wenn man eine Strecke ans Auto schicken will, klappt das z. B. zuverlässig nicht wie beworben automatisch beim Einsteigen und Verbinden des Smartphones, sondern man muss es im Auto sitzend anstoßen. Das hat dann sehr bescheidene Vorteile gegenüber einfach auf dem fest installierten Bildschirm eintippen. Manche Dinge funktionieren nur kurzfristig (z. B. Routenzusammenfassung), und wenn sie sich dann verabschiedeten, hatte ich nicht den Nerv, ihnen hinterherzufummeln.

Die Spracheingabe des Infotainments kann außer (manche) Adressen angeben nichts Nutzbares und dass es im Modelljahr 2024 keine automatische Helligkeitsregelung bei den Displays gibt, ist mir ehrlich gesagt unerklärlich. Man kann sich aussuchen, tags nichts zu erkennen, nachts geblendet zu werden oder immer von Hand am Touchscreen-Regler zu schieben. Und wieso ein Radio gelegentlich für ein, zwei Tage ausfällt, kann man nach über 100 Jahren Rundfunk in Deutschland Kunden auch nur schwer erklären. Kurz: Auch das liegt im Combo an der Software.

Mein Vorschlag wäre ja, dass sich Stellantis ein Software-Haus sucht und das die Dinge machen lässt, die inhouse offenbar nur auf dem angebotenen Niveau klappen. Oder man reduziert gegen den Zeitgeist die angebotenen Features auf solche, die man gut kann. Das würde gerade zu Nutzfahrzeugen wie dem Combo gut passen. Die Grundauslegung finde ich gelungen. Eine leichtgängige Lenkung, ein hoher Sitz, eine ausreichende Motorisierung und ein einfaches Handling, wenn man nicht gerade einen Streckenrekord aufstellen will, das ist alles genau so, wie man es in einem kleinen Lieferfahrzeug oder größeren Familienfahrzeug haben will. Dazu kommen überall im Innenraum kleine Fächer, die man zumüllen kann.

Opel Combo Life Electric innen (15 Bilder)

Für Erwachsene ist der Fußraum hinten eher klein.
(Bild: Clemens Gleich)

Den Familien-Combo mit Fenstern und Rückbank bietet Opel seit der Vorgeneration nur noch elektrisch an. Für Handwerker ist eher die Cargo-Variante interessant, die es elektrisch ab 37.188 Euro brutto gibt (Benziner: ab 24.752). Der Antrieb passt in Leistung und Reichweite für typische Tagesradien über Landstraßen. Nervig nur wieder eine Software-Sache: Der Übergang von der elektrischen Bremse beim Rekuperieren auf die hydraulische Bremse ist ruppig, und dass das nicht am Fahrer liegt, zeigt der Abstandstempomat, der dieselben Probleme damit hat. Als Autobahn-Reiseauto werden den meisten Familien die Ladeetappen etwas kurz ausfallen. Sie liegen auf der Autobahn unter 200 km für typisches Laden von 10 auf 80 Prozent SoC oder für weniger Mutige, die mehr Geduld mitbringen, von 20 auf 90 Prozent. Die Ladezeit der weiterhin 50 kWh brutto fassenden Batterie von 20 auf 80 Prozent beträgt bei optimaler Temperatur 30 Minuten.

Auf den ersten Blick ist der Opel Combo Electric recht teuer für das, was er bietet. Im Kontext des Marktes dann fällt jedoch auf, dass er (und seine Plattform-Geschwister) Feature-bereinigt kaum anders bepreist sind als die Konkurrenten. Den Renault Kangoo E-Tech nebst Geschwistern bei anderen Marken etwa werden Familien noch weniger in den Urlaub fahren wollen als den Combo. Die Frage lautet hier eher: Werden die Kunden mangels langstreckentauglicher Option vom Kleintransporter auf komplett andere Produkte ausweichen? Ich denke, für Familien trifft das zu. Im Gewerbebetrieb gibt es durch Solarstrom und Gewerbeförderungen für E-Antriebe einige denkbare Konstellationen, in denen der E-Antrieb kosteneffizienter fährt als ein Benziner. Günstige kann-alles-Familienlastesel sind Combo und Kangoo mit E-Antrieb nicht mehr.

Der Opel Combo Electric kostet ab 38.600 Euro. Die Konfiguration des Testwagens kostet rund 46.000 Euro. Als Cargo-Variante kostet der Combo Electric ab 37.188 Euro brutto. Die Benziner-Variante des Cargos kostet ab 24.752 Euro brutto. Aufgrund der Konstellation bei Stellantis/Opel würde ich den Combo Electric persönlich eher geringer ausgestattet kaufen, weil die meiste Ausstattung auf Software angewiesen ist, die bei Opel schlicht nervt. Dann verschiebt sich das Verhältnis mehr in Richtung der soliden Basis, mit der man durchaus einen gewerblichen oder familiären Alltag bestreiten kann. Ausnahmen sind natürlich Hardware-Optionen wie Felgen, Farben, Gepäckträger oder 230-V-Steckdosen. Ich rate Interessenten aber zu eher ausführlichen Probefahrten, weil sich das Nerv-Niveau durch die EU-Vorgabe noch einmal drastisch erhöht hat im Vergleich zum Vorgänger.

Der Testwagen wurde vom Hersteller kostenfrei zur Verfügung gestellt und überführt. Den Fahrstrom hat der Verlag bezahlt.