Elektroauto Renault Kangoo Rapid E-Tech im Test: Effizienter Handwerksbursche

Technisch hat der Kangoo E-Tech viel vom Zoe geerbt. Der wurde vielfach überarbeitet, und so ist der Kangoo effizienter als ein Opel e-Combo. Ein Test

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Renault Kangoo

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 8 Min.
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  • Christoph M. Schwarzer
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Sesam, öffne Dich! Den Satz von Ali Baba und den vierzig Räubern hat Renault in die Typenbezeichnung des Renault Kangoo Rapid E-Tech übernommen: Für 1000 Euro Aufpreis gibt es die Version Open Sesame. Diesem Kangoo Rapid fehlt die B-Säule rechts. Außerdem lässt sich der Beifahrersitz so zusammenfalten, dass sich eine gut drei Meter lange, ebene Fläche ergibt. Durch die Schiebetür und die im 90 Gradwinkel öffnende rechte Vordertür lassen sich nun sehr große Gegenstände einladen. Was kann der beliebten Kastenwagen als Elektroauto? Ein Test.

Renault Kangoo Rapid E-Tech Open Sesame: Der Zusatz Rapid steht für die Nutzfahrzeugversion des Kangoo, und E-Tech ist die Bezeichnung für den batterieelektrischen Antrieb. Der stammt bei einigen Komponenten erkennbar vom oder von der Zoe. Der Testwagen war mit den meisten erhältlichen Extras ausgestattet.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Den Renault Kangoo gibt es als Pkw mit der entsprechenden Innenausstattung und als Nutzfahrzeug Kangoo Rapid. Die Eckdaten des elektrischen E-Tech: Der fremderregte Synchronmotor leistet 90 kW. In 11,6 Sekunden geht es auf 100 km/h, und bei 135 km/h ist Schluss. Die Normreichweite liegt bei 287 km, und der gesetzlich ermittelte Stromverbrauch bei 18,7 kWh auf 100 km.

Soweit die Theorie. In der Praxis grenzt sich der E-Tech zuerst durch den Komfort von den baugleichen und konventionell angetriebenen Kangoo Rapid ab. Ja, er ist ein Nutzfahrzeug. Aber eins, bei dem der Verbrennungsmotor nicht die dominante Rolle spielt. Stattdessen überzeugt der Renault den Menschen mit der Elektroauto-typischen Kombination aus Kraft und Ruhe.

Gegen 1000 Euro Aufpreis (alle Preise netto exklusive Mehrwertsteuer) bekommt der Kunde Open Sesame: Die B-Säule fehlt, und die Beifahrertür öffnet sich im 90 Gradwinkel. Der Beifahrersitz ist falt- und versenkbar. So ergibt sich eine nahezu drei Meter lange, ebene Fläche. Das Schutzgitter ist beweglich und arretierbar.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Renault gibt, so ist es bei Nutzfahrzeugen üblich, den Grundpreis netto ohne Mehrwertsteuer an. Bei 34.990 Euro geht es los, was auch nach Abzug eventueller Förderungen erheblich mehr ist als bei den 20.490 Euro des Standard-Rapid. Allerdings lassen sich die Preise nicht eins zu eins gleichstellen, weil im E-Tech zum Beispiel die Klimaautomatik inklusive Wärmepumpe und das faktische Automatikgetriebe serienmäßig sind. Hinzu kommt der Komfort einer Standheizung.

Handwerker wissen, ob und wofür sie diese Funktion nutzen können. Vielleicht werden auch einige verwegene Kunden im Kangoo Rapid schlafen.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Der Testwagen war mit allem ausgestattet, was die Preisliste hergibt, und kostet 47.455 Euro netto. Das sind satte 56.471 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Das Gute an solchen Presseautos ist, dass sich alle Features ausprobieren lassen. Dazu zählt etwa das "City-Paket 3", welches unter anderem eine Rückfahrkamera und Parkpiepser rundum beinhaltet. Der Kangoo Rapid kam als geschlossener Kastenwagen; die Kamera ermöglicht den Blick nach hinten. Wer so etwas noch nie gefahren ist: Es erfordert eine kurze Eingewöhnung, um die Verstellung über Druckknöpfe am Minimonitor zu verstehen – der ist dort angebracht, wo eigentlich der Innenspiegel hängt. Danach aber funktioniert das Ganze gut.

Solche Systeme sind noch nicht perfekt, aber sie werden besser. Die Auflösung ist beim Renault recht gut, und auch bei Dunkelheit ist die Rücksicht subjektiv einfacher als mit einem analogen Innenspiegel. Trotzdem sollte sich jeder, der nur selten einen Kastenwagen fährt, darüber im Klaren sein, dass die Rundumsicht gegenüber einem Pkw mit Fenstern eingeschränkt ist. Das gilt besonders für den toten Winkel rechts. Vorsicht beim Abbiegen, bitte.

Der Kangoo Rapid E-Tech hat wie alle Elektroautos faktisch eine Standheizung. Einige Bedienelemente und der Fahreindruck erinnern an die Zoe.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Der Renault Kangoo Rapid E-Tech hat offensichtlich etliche Teile der bewährten Zoe übernommen. Das Fahrgefühl ist sehr ähnlich, aber nicht identisch. Schließlich ist der Kangoo ein 1,86 Meter hoher und 1,92 Meter breiter Kastenwagen. Kurven nimmt er wegen des Gewichts der Traktionsbatterie viel souveräner als die Pendants mit Otto- oder Dieselmotor und mit nur geringer Wankneigung.

Hier geht eine Menge rein. Renault gibt das Kofferraumvolumen mit 3300 Liter an, was nach VDA-Norm sogar 3900 Litern entspricht. Wichtiger für den Einsatz als Nutzfahrzeug ist die Zuladung von 476 bis 526 kg, die Anhängelast von gebremst 1500 kg und die Dachlast von 100 kg.

Der Kangoo E-Tech ist ein Nasenlader. In der Basisausstattung lädt er elf kW AC. Gegen reichlich Aufpreis gibt es das bekannte 22 kW AC-Ladegerät und die DC-Ladeoption mit bis zu 80 kW.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Renault bietet unterschiedliche Möglichkeiten an, den Rapid E-Tech aufzuladen. Der Kunde hat die Wahl, und die hängt stark vom Einsatzzweck ab. Serienmäßig ist ein AC-Ladegerät mit 11 kW Leistung. Die nominal 44 kWh fassende Traktionsbatterie ist also in etwa vier Stunden komplett voll. Für das 22 kW-Ladegerät, was dem Fiepen nach das gleiche wie in Zoe und Twingo sein dürfte, verlangt Renault 2750 Euro netto. Weitere 1000 Euro netto muss auf den Tisch legen, wer DC mit bis zu 80 kW ziehen will. Das ist happig.

In Hamburg ist das 22-kW-Ladegerät ideal, weil die Standzeit an öffentlichen AC-Säulen auf zwei Stunden limitiert ist. Die Vielzahl der AC-Ladepunkte von der heimischen Wallbox bis zu den öffentlichen Ladesäulen macht das Leben leichter. Das ganz schnelle DC-Laden ist nur für jene wichtig, die viel unterwegs sind.

Bei geschlossener, fensterloser Konfiguration empfehlen wir das "City-Paket 3" mit kamerabasiertem Rückspiegel. Das funktioniert zwar noch nicht perfekt, aber die digitalen Rückspiegel werden kontinuierlich besser.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Ein Langstreckenauto ist der Renault Kangoo Rapid E-Tech so oder so nicht. Das liegt an der großen Stirnfläche, die Kastenwagen naturgemäß haben. Vor gut einem Jahr war ein Opel e-Combo Life bei uns im Test, und der nahm bei Tempo 120 bereits 30 kWh/100 km. Die Erwartungshaltung an den Renault war gering.

Umso schöner ist es festzustellen, dass der Renault zwar ein Kastenwagen bleibt, aber mit 25 bis 27 kWh/100 km bei der gleichen Geschwindigkeit deutlich ökonomischer ist. Offensichtlich hat der französische Hersteller die Erfahrung mit der Zoe in den Kangoo übertragen. Der Kleinwagen war zu Beginn nicht gerade sparsam, ist aber durch mehrere Überarbeitungen effizienter geworden.

Bei Frost ist die Reichweite reduziert. Auch im Autobahnbetrieb bei Tempo 120 sind nur rund 150 km drin. Unter idealen Bedingungen im Frühsommer und unbeladen rechnen wir mit 15 kWh/100 km Stromverbrauch und weit über 200 km Reichweite.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Übertragen auf den Kangoo Rapid E-Tech bedeutet das, dass der Stromverbrauch abseits der Autobahn, ohne Beladung und warmgefahren oft bei oder unter 20 kWh/100 km liegt. Ein guter Wert auf Winterreifen und Temperaturen um den Gefrierpunkt im Januar. Natürlich darf sich niemand etwas vormachen: In der akuten Kaltstartphase auf den ersten fünf Kilometern können auch 60 kWh/100 km angezeigt werden. Im Nutzfahrzeugbetrieb gibt es aber meistens nur einmal, nämlich morgens, einen Kaltstart. Im Sommer dürften unter guten Bedingungen und bei wenig Beladung 15 kWh/100 km einen realistischen unteren Verbrauchswert darstellen.

Mit ausgekühlter Traktionsbatterie brach die Ladeleistung auf fünf statt 22 kW AC-seitig ein. Nach einem durchfahrenen Testtag stieg die Ladeleistung an.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Leider hat der Kangoo Rapid auch eine weniger gute Eigenschaft von der Zoe mitbekommen: Wenn die Batterie kalt ist, geht beim Laden extrem wenig. Der Testwagen war nach der Überführung auf einem Anhänger und zwei frostigen Nächten stark ausgekühlt. Das Ergebnis waren AC-seitig nur fünf statt 22 kW Ladeleistung. Auf einer 400 km langen Rundtour konnte man zusehen, wie die Ladeleistung kontinuierlich bis zu den auf dem Papier versprochenen DC-Maximalwerten anstieg. Auch am nächsten Morgen war die Batterie noch warm genug. Tägliche Nutzer werden das Problem also nur bei großer Kälte oder nach dem arbeitsfreien Wochenende haben.

Alles in allem zeigt Renault mit dem Kangoo Rapid E-Tech Open Sesame, was bei elektrischen Kastenwagen heute möglich ist. Er ist spürbar effizienter als der Konkurrent von Stellantis, und wer sich im Arbeitsalltag ans komfortable Fahren und die Standheizung gewöhnt hat, wird nicht mehr darauf verzichten wollen.

Ein sympathisches Teil, dieser Renault Kangoo Rapid E-Tech, komfortabel und sicher. Der Grundpreis von 34.990 Euro netto dürfte aber viele Gewerbetreibende abschrecken. Trotzdem: In vielen Flotten werden elektrische Nutzfahrzeuge derzeit intensiv ausprobiert. Und das lohnt sich in jedem Fall.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Bei der Reichweite aber muss jedem klar sein, dass man hier das Gegenteil einer windschlüpfigen Limousine vorantreibt. Es kommt wie immer bei Elektroautos aufs eigene Nutzungsprofil an, und hier sollte eher mit 150 statt mit 250 km gerechnet werden. Leider sind die meisten zurzeit angebotenen elektrischen Nutzfahrzeuge sehr teuer. Der Kangoo Rapid E-Tech amortisiert sich nur in wenigen Szenarien. Zum Beispiel, wenn der Strom zum Niedrigpreis selbst produziert wird oder eine regionale Förderung den Preis mindert. Die Nachfrage ist trotzdem vorhanden: Betreiber von größeren Fuhrparks probieren aktiv aus, was mit Elektroautos geht und was nicht. Die Zeit dafür ist reif.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt und überführt. Die Redaktion hat den Fahrstrom bezahlt.

(mfz)