VW Golf 1.5 TSI im Test: Bestseller auf Mutkurs

Seite 2: Fahrwerk und Motor

Inhaltsverzeichnis

VW traut sich aber nicht nur, den Kunden einen vergleichsweise tastenarmen Innenraum samt einer einarbeitungsbedürftigen Bedienung vorzusetzen. Zeitgleich kürzt der Konzern auch das Budget für Materialien in einem Umfang, der sicht- und fühlbar ist. So mancher potenzielle Golf-7-Umsteiger wird staunen, wie trostlos der Neue an Stellen ausgekleidet ist, bei denen die Verantwortlichen vermuten, dass keiner so genau hinschaut. Und dieser Bereich ist weit gefasst. So ist die Umrandung des Schalthebels von geradezu bemerkenswerter Schlichtheit. Ehrenwert erscheint, dass VW den Kunden nichts vormachen will: Die breite Querleiste in der teuersten Ausstattungslinie „Style“ sieht nicht nur aus wie ein schlechtes Alu-Imitat. VW hat bisher den „schönen Schein“ ziemlich sicher beherrscht. Das ist im Golf 8 vorbei. Die Verarbeitung des Testwagens dagegen war sehr sorgsam, hier hat der Konzern nicht nachgelassen.

Das gilt auch für die Kerntugenden eines Autos, denn fahren tut der Golf nach wie vor sehr ordentlich. Schon der Golf 7 1.2 TSI (Test) ist mir als leises Auto in Erinnerung geblieben, der Neue ist hier nochmals etwas besser gekapselt. Selbst hohes Tempo auf der Autobahn wird akustisch nicht stressig. Der Testwagen wurde auf 225/45 R17-Sommerreifen von Goodyear ausgeliefert, von denen ebenfalls wenig zu hören war. Dieser Geräuschkomfort hat mir gut gefallen, noch vor wenigen Jahren hätte man dafür selbst in einer Klasse über dem Golf eine geschickte Modellauswahl treffen müssen.

Unser Testwagen war mit einem adaptiven Fahrwerk ausgestattet. Die Bandbreite der Nachgiebigkeit ist deutlich spürbar, dennoch wäre es das erste, was ich bei einer Bestellung weglassen würde. Mein Tipp: Fahren Sie im Zweifelsfall einen Golf ohne dieses teure Extra Probe. Die normale Abstimmung ist meines Erachtens ein guter Kompromiss. Florian wünschte sich noch etwas mehr Federungskomfort. Wer dagegen mehr Rückmeldung bevorzugt, wählt einfach das Sportfahrwerk. Es ist mit 235 Euro eklatant günstiger als das adaptive Fahrwerk für 1045 Euro. Das Ansprechverhalten der Dämpfer im Comfort-Modus ist tadellos, die feine Lenkung gefällt auch bei flotter Fahrt. Insgesamt hat VW in diesem Bereich ein Paket vorgelegt, das in dieser Klasse wieder vorn mitspielt.

Der Start der achten Golf-Generation verlief alles andere als harmonisch und wohlgeordnet, der Lieferstopp aufgrund von e-call-Problemen war nur die Spitze des Problembergs. Die Motorenauswahl war arg eingeschränkt, stark nachgefragte und damit für den Handel wichtige Modellvarianten lange nicht lieferbar. Der Testwagen war mit einem 1.5 TSI ausgestattet, der 96 kW (130 PS) und 200 Nm ins Rennen wirft. Als Besonderheit gibt es eine Zylinderabschaltung im Teillastbetrieb. Im WLTP nennt VW 5,5 Liter, im Schnitt kamen wir damit gut hin. Erstaunlich fand ich einen Ausreißer nach unten: Minimal zeigte der Bordcomputer 4,4 Liter an. Dafür müssen dann freilich wirklich alle Parameter absolut ideal sein. In der Praxis dürfte das kaum jemand dauerhaft so niedrig halten können. Maximal waren es 7,2 Liter. Diese Werte haben sich beim Nachtanken weitgehend bestätigt. In meinem Profil, bestehend aus rund 50 km Überland, lässt sich ein Verbrauch um 5 Liter locker erfahren, sofern man das will.

VW Golf 1.5 TSI im Test (30 Bilder)

Golf Nummer 8 hatte einen unglücklichen Start: Erst waren wichtige Motoren nicht zu haben, dann kam ihm noch die Corona-Pandemie in den Weg.
(Bild: Florian Pillau)

Einem brandneuen Auto steht die Entscheidung nicht gut, die ersten Modelle mit der bald veralteten Abgasnorm Euro 6d-Temp zu den Kunden zu schicken. Alle ab dem Spätsommer 2020 ausgelieferten Fahrzeuge werden die ab Januar 2021 verbindliche Euro 6d-ISC-FCM mitbringen. Gerade Volkswagen wäre hier jedoch gut beraten gewesen, bei der Umstellung auf die neuere Norm vorn mit dabei zu sein.

So richtig freudvoll erschien mir die Maschine insgesamt nicht. Sicher, das deutlich spürbare Turboloch ist klein, das Durchzugsvermögen zu beklagen, wäre selbiges auf hohem Niveau zu tun. Freude macht das aber irgendwie nicht. Der Motor wirkt beim Hochdrehen ein wenig gehemmt, oberhalb von 5000/min verlässt ihn die Lust. Wenn mir das egal wäre, würde ich mir den Mehrpreis gegenüber dem Dreizylinder mit 110 PS sparen oder mein Geld in den kommenden 110-PS-Mildhybrid mit DSG anlegen. Falls nicht, gleich zum Modell mit 150 PS greifen. Den 130-PS-Motor mag manch einer als guten Kompromiss sehen, auf mich wirkt er etwas zwischen den Stühlen.