Der Comprex-Komplex

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Laufen und saufen

In den frühen 80er Jahren wusste man: Ein Turbolader kann die Leistung eines bestehenden Motors auf das Anderthalbfache heben. Das Reglement der FIA für die DTM beispielsweise sah seinerzeit ein Leistungs-Handikap von 1,4 für Turbomotoren vor. Schmerzlich höher als das Leistungsplus fiel in Ottomotoren allerdings der Verbrauchsnachteil bei Teillast durch die stark reduzierte Kompression, bei Vollast durch die Innenkühlung per Gemisch-Anfettung aus.

Ein zeitgenössischer Spruch lautete deswegen auch: „Turbo läuft, Turbo säuft“. Kein Wunder, dass sich der Turbolader flächendeckend zunächst nur bei Dieselmotoren mit ihrer vorteilhaften Qualitätsregelung, also Verbrennung mit Luftüberschuss und kühleren Abgasen durchsetzen konnte. Heute kann dank kühlender und exakt steuerbarer Direkteinspritzung der Ottomotor auch ohne wesentliche Rücknahme der Verdichtung nahezu hemmungslos aufgeladen werden, ohne zu saufen.

Unentscheidbarer Wettbewerb

In unauflöslicher Konkurrenz zur Abgasturboaufladung, bei der eine Abgasturbine einen Verdichter antreibt, der wegen der hohen Drehzahlen ebenfalls nur eine Turbine sein kann, steht heute nur mehr der mechanische Lader. Er wird von der Kurbelwelle angetrieben und beruht als Pumpe auf verschiedenen Verdrängerprinzipien (meist Flügelzellen-, Scroll- und Schraubenverdichtern).
Der Wettbewerb zwischen Turbine und Pumpe wird aufgrund ihrer spezifischen Vor- und Nachteile immer unentschieden bleiben: Der Turbolader nutzt die Energie des expandierenden Auspuffgases und kostet daher keine zusätzliche Leistung – ideal fürs Energiesparen. Allerdings wird ihm gerade bei kleinen, hoch aufgeladenen Motoren seine Abhängigkeit vom Abgas zum Verhängnis: Er braucht bei hoher Leistungsanforderung, etwa beim Anfahren, spürbar zu lange, um auf Touren zu kommen. Das bisschen Abgas, das der Motor bei niedriger Drehzahl produziert, reicht zur sofortigen Beschleunigung der trägen Turbine einfach nicht aus. Eine ausreichende Pumpleistung stellt sich dadurch spürbar verzögert ein. „Spürbar“ bedeutet nichts anderes als die lästige Anfahrschwäche. Auch in voller Fahrt ist dieses verzögerte Hochlaufen beim Gasgeben ärgerlich. Ebenfalls unschön ist der nichtlinear verlaufende Leistungsaufbau, der Fahrer muss also mit dem Gaspedal nachregeln. Bei der sogenannten „Fahrbarkeit“ ist der eigensinnige Turbo also kein Musterknabe.