Der Plug-in-Hybrid-Allradantrieb für VW Multivan und California

Volkswagens Plug-in-Hybrid mit E-Hinterachse für VW Multivan und California bietet einige Vorteile. Unter anderem verliert die nasse Wiese ihren Schrecken.

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VW California eHybrid 4motion

Der Camper VW California ist als Allrad-PHEV eHybrid 4motion erhältlich. Das macht den trotz seines hohen Preises beliebten Kleinbus nochmal richtig teuer.

(Bild: VWN)

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Volkswagen schickt aktuell eine Pressemitteilung zur erweiterten Antriebspalette für seine Kleinbus-Modelle, die bereits im Verkauf sind. Nach dem PHEV für Transporter und Caravelle mit Frontantrieb und 10,4 kWh namens eHybrid bietet die Nutzfahrzeugabteilung für Multivan und California einen Allrad-Hybridantrieb mit bedarfsgeregelt elektrisch angetriebener Hinterachse an. Der Allradantrieb heißt, wie von Volkswagen gewohnt, "4motion", insgesamt kommt es damit nun zur Zusatzbezeichnung "eHybrid 4motion". Mit einem 19,7 kWh fassenden Akku sei eine modellabhängige Reichweite von 85 bis 95 Kilometern im WLTP möglich, schreibt Volkswagen. Wie üblich liegt der elektrische Verbrauch höher als bei einem Elektroauto, den gewichteten, kombinierten Energieverbrauch gibt VW mit 22,3 kWh/100 km plus 0,8 l/100 km an. Den freilich nicht ganz vergleichbaren VW ID. Buzz brachten wir in unserem Test auf einen Realverbrauchs-Mittelwert 22,1 kWh/100 km.

Damit kombiniert VW seinen weiterentwickelten Hybridantrieb mit E-Maschine im Doppelkupplungsgetriebe und einem unabhängigen Elektroantrieb hinten. Wie die Kraft verteilt wird, entscheidet ein Elektronenhirn, dem die Schlupfwerte aller vier Räder fast in Echtzeit bekannt sind. Über 130 km/h wird die hintere E-Maschine abgeschaltet. Bis zu 100 Prozent der Antriebskraft können entweder an Vorder- oder Hinterachse anliegen, wobei die Werte unterschiedlich sind: Die hintere E-Maschine leistet 100 kW und hat 250 Nm, die vordere 85 kW und 330 Nm, im Verbund mit dem 130 kW leistenden 1,5-Liter-Verbrenner mit maximal 250 Nm bedarfsweise auch mehr. "100 Prozent der Antriebskraft" bedeutet übersetzt aber weder "85 plus 130 kW vorn und 100 kW hinten" noch die maximal 180 kW Systemleistung an je einer Achse, sondern nur die größtmögliche Kraft, die an einer Achse in diesem Moment zur Verfügung stehen kann.

Mit der großen Batterie unter der vorderen Sitzreihe und dem Elektroantrieb ist der Platz unter der Karosserie gut gefüllt und das hohe Gewicht der Hybridmodelle fast schon augenfällig.

(Bild: VWN)

Wie viel das ist, schwankt und wird von VW nicht beziffert. Dass das nie die gesamte Kraft sein kann, die das Gesamtsystem aufbringen kann, wird in dieser pauschalen Angabe unterschlagen. Es kann sogar noch weniger werden, sobald die Batterie entladen ist: Der Antrieb ist laut Volkswagen so ausgelegt, dass der elektrische Hinterachsantrieb auch bei "leerem" Akku aktiv werden kann. Dann soll die nötige Leistung für den Antrieb aus der vorderen E-Maschine mit Verbrenner-Antrieb kommen. Dass damit die Leistung nicht so hoch sein kann wie mit geladener Batterie, versteht sich. Sie ist vielmehr deutlich eingeschränkt, weil die vordere E-Maschine, die dann als Generator dient, maximal 85 kW leisten kann – abzüglich der mehrfachen Umwandlungsverluste.

Bei einer Nutzung als Anfahrhilfe etwa auf Schlamm oder Schnee ist das allerdings ziemlich irrelevant. Denn da geht es ja ums Vorwärtskommen und nicht um atemberaubende Fahrdynamik. Und genau dafür verdient dieser Allradantrieb Lob. Denn nicht jeder Hersteller legt die elektrischen Komponenten so aus, dass immer alle Räder angetrieben werden können.

Um den Wirkungsgrad weiter zu steigern, schaltet die Steuerung bei Nichtbedarf nicht nur den Strom für den Hinterachsantrieb ab, sie kann auch mithilfe einer Klauenkupplung den Elektromotor von den Antriebswellen trennen. Wann immer es möglich ist, wird auch der Verbrenner automatisch abgekuppelt, um den leer über 2,5 Tonnen wiegenden Wagen möglichst ohne parasitäre Schleppverluste "segeln" zu lassen.

Den Elektroantrieb für die Hinterachse hat VW neu entwickelt, der Rest ist eine Evolution bestehender Baugruppen. Bemerkenswert sind der eigene Wechselrichter und die Klauenkupplung.

(Bild: VWN)

Die Person am Steuer kann die Charakteristik dieser Steuerung in Grenzen beeinflussen. Bewegt sie den Wählhebel von "D" in den Sportmodus "S", steht für die Bewältigung schneeglatter Fahrbahnen oder der berüchtigten, längst aus guten Gründen sprichwörtlichen nassen Wiese, der Allradantrieb ständig zur Verfügung. Diese Auslegung mit entsprechend kräftigen E-Maschinen bietet die volle Hybrid-Effizienz und bei Bedarf jederzeit Traktion an beiden Achsen, wie VW schreibt.

Nur der elektrische Hinterachsantrieb ist vollkommen neu, er wurde in die bestehende Einzelradaufhängung an Schräglenkern integriert. Den restlichen Hybridantrieb mit einer Systemleistung von 180 kW und kombiniert bis zu 350 Nm hat Volkswagen aus dem 2021 im Multivan vorgestellten PHEV mit Frontantrieb und 160 kW Gesamtleistung entwickelt. Dessen 1,4-Liter-Verbrenner mit 110 KW hatte bereits eine 85 kW leistende E-Maschine am 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und einen 10,4 kWh fassenden Akku. Der Ottomotor hat nun 1,5 Liter Hubraum, arbeitet aber weiterhin mit einem Turbolader mit variabler Geometrie (VTG) und im Miller-Zyklus, also frühem Schließen der Einlassventile. Im Verbund mit dem großen Akku und einer hohen Rekuperationsleistung kommt der Antrieb mit entladender Batterie auf 7,5-7,9 l/100 km den Verbräuchen vergleichbar leistungsfähiger Diesel nah. Mit Dieselmotor bietet der Wagen eine Anhängelast von zwei Tonnen, als Hybrid darf er nur 1600 Kilogramm ziehen. Allerdings bietet der Hybridantrieb mithilfe der E-Maschine ähnliche Drehmomentwerte, dabei aber eine größere Drehzahlelastizität und Drehfreude.

Der Lithium-Nickel-Kobalt-Mangan-Akku bekam eine Flüssigkeitskühlung für eine hohe Rekuperationsleistung. Mit den jetzt möglichen Ladeleistungen vergrößert VW die Praxistauglichkeit: Statt der noch nie wirklich zeitgemäßen 3,6 kW im vorangegangenen Multivan eHybrid kann der Akku jetzt dreiphasig bis zu 11 kW Wechselstrom laden.

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Erstmals kann der Kleinbus auch an DC-Schnellladesäulen bis zu 50 kW Gleichstrom aufnehmen. Das ist ein echter Vorteil, weil damit das Gelegenheitsladen etwa bei Einkäufen unterstützt wird. Volkswagen gibt an, dass der Wert nach DIN70080 für den "kundenrelevanten Ladevorgang" dann 40 kW beträgt. Unter besten Bedingungen bei 50 kW soll es 26 Minuten dauern, den Akku von zehn auf 80 Prozent zu laden. Ein weiterer Pluspunkt der leistungsfähigen Batterie ist eine serienmäßige elektrische Standklimatisierung. Deren elektrisch betriebene Luft-Luft-Wärmepumpe kann beim Laden, Parken oder Campen die Autos kühlen, belüften oder heizen.

Die beiden Modelle sind zwar schon in ihrer jeweiligen Grundausstattung besonders teuer konfiguriert. Der Plug-in-Hybrid treibt den Preis aber noch ein großes Stück weiter nach oben: Für einen Multivan eHybrid 4motion ist man mit 70.947 Euro dabei, für 83.229 kann man einen California eHybrid 4motion bestellen.

(fpi)